Kapitel 19

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Ich schrie gedämpft auf. Svetlana, mittlerweile hatte ich ihren Namen erfahren, zog noch mehr an den Schnüren. Meine Lungen protestierten und stöhnend blickte ich in den Spiegel.

Ich hatte aufgehört jedes einzelne Kleidungsstück zu zählen, mit welchen ich bekleidet wie ein bescheuertes Topmodel Liam und dem mysteriösen Monsieur Martin unter die Augen getreten war. Am schlimmsten waren die Korsetts und Korsagen, welche zwar eine schöne Wespentaille bescherten und meine Brüste auf eine höchst erotische Weise nach oben pressten, aber das war es den Schmerz nicht wert.

Gerade wurde ich in eins aus schwarzem Leder mit Ösen an den Seiten gezwängt und betrachtete mich skeptisch im Spiegel, bevor ich wieder zu den Männern auf der anderen Seite des Vorhangs gescheucht wurde.

„Ein wenig mehr Begeisterung kleine Sub!"

Erstaunt hob ich meine Augenbraue, bis jetzt hatte Monsieur Martin nur auf Französisch gesprochen. Sein Akzent gefiel mir, seine Worte nicht. Ich rang mir ein Lächeln ab und sah Liam herausfordernd an. Ihn schien dieses Spiel im Gegensatz zu mir Spaß zu machen und zu meinem Leid stand er auf derartige Reizwäsche die einen fast umbrachte.

„Danke, wir nehmen das weiße Set, die beiden Korsagen, das, was meine kleine Sklavin gerade trägt und Strapse soll sie sich selbst aussuchen."

Ich schnaubte genervt auf. Teils verstimmt, weil mich dieses selbstgefällige Grinsen aufregte und dann, weil es endlich vorbei war. Ich suchte mir noch zwei Paar Strapse auch und ging direkt mir Svetlana mit zu der antiken Kasse.

Die nannte mir den Preis und ich musste schlucken. Liam kam mit gezückter Kreditkarte zu uns und ich sah ihn fassungslos an. Das Zeug war teuer, aber diese Blöße für mich zahlen zu lassen würde ich mir nicht geben.

Ich hatte genug Geld, da ich lange Zeit nichts hatte, was es mir Wert gewesen war dafür zu zahlen. Ich zog die entsprechenden Scheine aus meiner Geldbörse und Liam riss mich mit einem Ruck zu sich rum. Vermutlich hatte er verstanden, dass ich im Begriff war zu zahlen und das passte ihm scheinbar nicht.

„Wag es dir!"

„Nein. Es ist Kleidung, welche nur ich tragen werde und deshalb werde ich sie auch zahlen."

Liam finanzierte sicherlich genug, ohne dass ich es merkte. Das Hotel, der Flug nach Paris und diesen abscheulichen Wein. Dagegen war die dreistellige Rechnung hier nichts.

„Das wirst du bereuen, wenn du das tust. Glaub mir, die Konsequenzen für deinen Eigenwillen gerade willst du nicht tragen."

Ich schluckte schwer und schob ihm alle drei Teile zu, welche eine Schnürung enthielte. Diese hätte ich nie im Leben mir selbst ausgesucht, die durfte er gerne finanzieren, zumal sie auch am teuersten von allem waren.

Ich legte wortlos den entsprechenden Betrag plus Trinkgeld auf den Tresen und stolzierte dann ins Nebenzimmer zu dem Sofa. Herr Martin schmunzelte als ich mich erschöpft fallen ließ. Er war mir durchaus suspekt, aber im Moment tausendmal sympathischer als Svetlana oder Liam.

Sollte ich ein schlechtes Gewissen wegen meiner Sturheit haben? Sicherlich, aber im Moment war ich einfach nur wütend. Ich war durchaus in der Lage für mich selbst zu sorgen, vielen Dank auch.

Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie Monsieur Martin mir nachschenkte und sein belustigter Blick trieb meine momentan ohnehin schon brodelnde Wut in die Weißglut.

„Was?"

Meine Stimme glich mehr einem Fauchen, aber ihn schien das kein bisschen zu stören, im Gegenteil, sein Grinsen wurde nur umso breiter.

„Ohh Cherie, ich weiß ganz genau was unser Liam an die findet. Mon dieu, selbst ich bekomme Lust dich in die Schranken zu weisen und ich stehe nicht mal auf Frauen."

Überrascht sah ich ihn an. Er war schwul? Das war... interessant. Ich unterzog ihm einen prüfenden Blick. Ob er wohl auch in der Szene aktiv war? Sicherlich nicht. Komischerweise kamen wir ins Gespräch und ich erfuhr, dass der Laden ihm gehörte und er Tee über alles liebte.

Und da sagte noch wer das Smalltalk nicht mein Ding. Doch leider kam viel zu früh Liam mit einer schlichten Einkaufstüte ins Zimmer und sah kein bisschen besser gelaunt als vorher aus. Großartig. Ohne mich groß zu beachten verabschiedete sich bei Monsieur Martin und lief dann mit mir im Schlepptau nach draußen.

Er warf einen schnellen Blick auf die sonst leeren Straßen und griff dann ruckartig nach meinem Hals und presste mich gegen die Ladentür. Erschrocken japste ich auf.

„Wie viel hast du bezahlt?"

Ich hatte unter jedem anderen Umstand ihn die Summe verschwiegen, aber das Verlangen nach Sauerstoff überwog."

„42 Euro Herr."

„Für jeden einzelnen bekommst du einen Schlag. Mit was und wohin mache ich von deinem Verhalten fest. Wir gehen jetzt noch in ein Modehaus und wehe du ziehst dort nochmal eine derartige Show ab."

Tränen schossen in meine Augen. Das ging zu weit. Ich wollte nicht, dass ein Mann derartig in mein funktionierendes Leben eingriff. Auch wenn das im Widerspruch zu meinen Bettfantasien stand, ich war immer noch die Olivia Rose Herbst, welche stets ihre Meinung sagte und niemals die Mühe scheute sich zu behaupten.

„Nein, ich kann und werde meine eigenen Ausgaben selbst regeln."

Er schwieg und legte wieder die Hand in meinen Nacken und führte mich durch die Straßen. Es dämmerte bereits und ich sah mich suchend nach einer Ablenkung um. Nach nur wenigen Minuten hielten wir vor einem schicken Geschäft mit dem Namen „Mademoiselle de la Liberté" und ich lachte auf.

Doch der Laden entpuppte sich als pure Fundgrube. Noch bevor ich mich richtig umgeschaut hatte, fiel mir ein roter Mantel auf. Das musste Liebe auf den ersten Blick sein. Ich lief zu dem Ständer und begutachtete das Preisschild. Fuck, war das Ding aus reiner Seide?

Liam trat von hinten auf mich ran und ich erschauderte als ich seinen harten Körper an meinen spürte.

„Drei Winterkleider, Strumpfhosen, zwei warme Pullover und Kniestrümpfe. Unterwäsche falls du noch welche brauchst und einen neuen Mantel."

Er deutete auf den braunen abgetragenen Lieblingsmantel, welcher meiner Mama gehört hatte, bis ich ihn vor der Kleiderspende gerettet hatte.

„Du hast genau 30 Minuten Zeit und es gilt dasselbe wie vorhin. Für alles was du selbst zahlst... du kennst die Konsequenzen und glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich deinen zunehmenden Schmerz mir umso mehr genieße."

Blöder Sadist.

Ich lief durch den kleinen Laden, den roten Mantel fest im Arm. Ich wurde schneller fündig als gedacht und schon nach 15 Minuten trat ich lächelnd aus der Umkleide. Liam stand vor dem Laden und telefonierte, wobei er wild gestikulierte.

Ich brachte den Haufen an Kleidung vor zu der Kasse und eine nette Frau begann die Sachen zusammenzulegen und abzukassieren. Mit entschlossenem Schritt kam Liam wieder zu uns rein und sah mich kalt an.

„Ich bin fertig."

Lächelnd sah ich ihn an. 

RosegoldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt