Kapitel 34

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Ein Vibrieren ließ mich kurz zusammenzucken und reflexartig griff ich in meine Manteltasche und betrachtete neugierig das Display meines Smartphones. Amelies Name leuchtete hell auf, darunter der grüne Hörer zu Annehmen des Anrufes.

Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen und schluckte schwer. Ich war seit nun mehr einer Woche in Paris und hatte bis jetzt nicht ein Wort mit meinen Freunden gewechselt. Und obwohl ich und Amelie und nie so nah standen, wie es all die It-girls aus den amerikanischen Highschoolfilmen taten, war sie mir dennoch sehr wichtig.

Ich nahm den Anruf an und sofort schrillte Amelies hohe Stimme durch die Lautsprecher.

„Olivia Rose Herbst! Ich bin schwer enttäuscht."

Meine Mutter hätte nicht strenger klingen können und obwohl ich durchaus ihren scherzhaften Unterton realisierte, vergrößerte sich mein schlechtes Gewissen.

„Es tut mir so leid Amelie. Gott ich fühle mich schrecklich, ich hätte mich schon viel früher melden sollen."

Sie seufzte schwer.

„Hättest du! Ist es denn wenigstens schön in Paris Süße?"

Ich sah mich auf den Straßen von la Defense und überlegte.

„Schon. Es ist alles sehr... vagant."

Meine ausweichende Antwort schien meine beste Freundin zu amüsieren und ich kicherte ein wenig.

„Ich meine nicht die Stadt, sondern ihn. Fickt er gut?"

Ich verschluckte mich und blieb erneut mitten auf dem belebten großen Platz stehen. Erschrocken sah ich mich um und fürchtete jemand hätte das eben gehört. Doch selbst wenn, das hier waren Franzosen. Ich verdrehte die Augen über meine eigene Dummheit und lief weiter, immer näher zu meinem Ziel.

„Ich deute dein Schweigen als ja."

„Und selbst wenn es so wäre, du hast doch so oder so keine Ahnung."

Amelie schwieg kurz, bevor sie erneut leise auflachte. Wir scherzten oft grob miteinander und irgendwie schafften es wir trotz all den Beleidigungen nie gekränkt zu sein. Wäre meine Freundin doch auch im echten Leben so schlagfertig.

„Was ihr Frauen nur mit Penissen habt..."

„Du bist selbst eine Frau Amelie. Eine äußerst hübsche noch dazu."

Sie seufzte und wir plauderten ein wenig über dies und jenes. Sie erzählte mir von dem Mädchen an der Uni, in was sich Amelie heimlich verguckt hatte und ich offenbarte ihr dafür ein wenig Neues aus meinem Leben.

Der Weg bis zu Liams Büro erschien mir merkwürdig kurz durch das angeheiterte Gespräch und fast ein wenig wehmütig beendete ich unseren kleinen Plausch. Schlimm genug, dass ich länger gebraucht hatte, als Google Maps mir vorausgesagt hatte.

„Melde dich öfter Olivia. Lass nicht zu dass die Distanz zwischen uns was ändert. Ich brauche dich."

„Okay. Hab dich lieb."

„Ich dich auch du blöde Kuh. Bye."

Lächelnd verstaute ich mein Handy in der Tasche und betrachtete das hohe Gebäude vor mir. Ziemlich imposant, aber dennoch nichts gegen einige Kolosse hier. Ich trat in den sterilen Eingangsbereich und näherte mich dem hochmodernen Empfangstresen aus Granit und Glas.

Liam war vor nun mehr zwei Stunden aufgebrochen, nach einer kurzen Erklärung, er müsse was auf Arbeit regeln. Ich hatte ja versucht die Zeit totzuschlagen, aber ich langweilte mich mit all den geschlossenen Türen zu Tode und jetzt war ich halt hier.

Die Adresse hatte ich aus dem Internet und weitere Planung war bis jetzt nicht nötig gewesen. Ich lächelte die Blondine hinter dem Tresen an und versuchte möglichst professionell zu wirken.

„Ich möchte bitte zu Herrn Black."

Ihre perfekt gezupfte Augenbraue schoss in die Höhe und sie begutachtete mich, als könnte ich eine Bombe an meinem Körper tragen. Ich schaute möglichst unverdächtig zurück, was echt nicht leicht war.

„Zu welchem?"

Ihre Stimme triefte nur so vor Abwertung und mir wurde kalt. Gott, was hatte ich dieser Frau getan?

„Liam Black."

„Nein."

Ihre stumpfe Antwort verärgerte mich und ich fuhr meine Krallen aus. Was bildete sie sich den auch ein? Ich setzte mein Pokerface auf und lehnte mich über den Tresen.

Ich hasste diese Art von Menschen und leider hatte ich bis jetzt schon viel zu oft mit ihnen klar kommen müssen. Mit meiner süßesten Engelsstimme hauchte ich ihr so leise etwas zu, was nur sie verstehen konnte und sie wurde bleich.

Wie nah scheinbar starke Menschen doch am Wasser gebaut waren. Ihre Unterlippe bebte und ihre Hände krampften sich zu Fäusten, wobei ihre langen künstlichen Nägel sich in ihr Fleisch bohrten.

Ich lächelte sie süffisant an und wiederholte nochmal mit ruhiger Stimme meine Bitte.

„Ich möchte bitte zu Herrn Black. Jetzt."

Sie blinzelte und ihr Blick fokussierte sich auf etwas hinter mir, doch bevor ich nachsehen konnte, was sie so abgelenkt hatte, hörte ich eine schallende Männerstimme.

„Und wie kann ich ihnen helfen junges Fräulein."

Ich wirbelte herum und starrte meinen Gegenüber an. Ein Mann mit hellen Augen und nach hinten gekämmten Haaren. Es brauchte einen Moment, bis es Klick machte, doch dann erkannte ich ihn. Vor mir stand Karl Black. Liams Bruder.

Ich griff nach seiner ausgestreckten Hand und schüttelte sie, wobei er mich eher gleichgültig als interessiert musterte. Etwas an seinem Auftreten ließ ein unbehagliches Gefühl in mir stetig wachsen und sein kaltes Lächeln bereitete mir eine Gänsehaut.

„Also was wollen Sie."

Ein genervter Tonfall und trotzdem lächelte er weiterhin auf diese unangenehme Art, als würde er mich belächeln.

„Eigentlich wollte ich zu ihrem Bruder."

Ein düsterer Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus und er unterzog mich diesmal einer keinesfalls gleichgültigen Musterung. Fest fixierte mich sein Blick.

„Im welchem Verhältnis stehen sie zu ihm?"

Ich blinzelte verwirrt nicht nur weil sich diese Frage nicht gehörte, sondern auch weil ich es nicht in Worte fassen konnte.

„Ahhm. Ich bin gewissermaßen seine Freundin."

Karls Lächeln wurde noch breiter und er lehnte sich nach vorne. Ein beißender Duft von einem abscheulichem Männerparfum schoss in meine Nase und ich wollte zurück weichen, doch hinter mir war der Tresen.

„Also seine Sub. Glauben Sie ernsthaft ich wüsste nichts von seinen kranken Neigungen?"

Ich wollte etwas erwidern. Dies war nicht nur ein Angriff gegen Liam, sondern auch gegen mich selbst. Es waren auch meine Neigungen, die er da verurteilte. Wie konnte man nur so hart über etwas urteilen. Sicherlich hatte er keinerlei Erfahrungen mit dieser Szene, was auch besser so war. Solche Menschen waren furchtbare Doms.

Und ich wollte ihn in seine Schranken weisen, doch dies war kein scheinbar Starker Mensch, der verletzbar war. Nein, er war bereits verletzt worden und deshalb stärker als jeder andere.

RosegoldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt