Kapitel 62

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„Wow, das ist wirklich köstlich Mama."

Ella lächelte selig und sah Karl mit diesem ganz bestimmten Blick voll mütterlicher Zuneigung an. Ich nahm einen weiteren Bissen von meinem Hühnchen, kaute bedächtig und auch ich konnte Karl nur zustimmen. Es schmeckte fabelhaft.

Liam war zwar ziemlich schweigsam in Gegenwart seiner Familie, aber seine Mutter strahlte nur so vor Zuneigung und selbst Karl schien aufzutauen. Nur Liams Vater warte eine gewisse Distanz. Vielleicht hatte Liam seine kühle Art ja von ihm geerbt.

„Wo arbeiten sie Olivia."

Ich nahm einem Schluck Wasser und spülte den letzten Bissen runter, doch Liam setzte schon zu einer Antwort an.

„Gar nicht Vater. Olivia ist doch erst seit kurzen in Paris."

„Das stimmt so nicht ganz."

Liams Vater zog eine Augenbraue nach oben und auch Liams Blick sprach Bände. Nicht ohne Stolz lächelte ich in die Runde.

„Ich hatte heute gewissermaßen ein Vorstellungsgespräch in einem kleinen Restaurant, nah von Liams Haus. Es lief ziemlich gut."

Ella lächelte mich freundlich an. Ich selbst hätte diesen Schritt schon viel früher gehen sollen. Nicht um sonst hatte ich eine Ausbildung absolviert. Ich mochte diesen Beruf, er war vielleicht nicht sonderlich anerkannt, aber es hatte mir schon immer Spaß gemacht bei Ben in der Triskele auszuhelfen.

„Also waren sie auch in Deutschland Kellnerin?"

Ich nickte und nahm trank erneut was. Ein wenig bedauernd blickte ich auf Liams Weinglas.

Warum hatte ich nochmal auf Wasser bestanden gehabt?

Das Gespräch wendete sich und ich sah wie sehr Ella sich Mühe gab uns zu unterhalten.

„Wann wolltest du mir das sagen?"

Liams Stimme glich eher einem Knurren und ich war froh, dass er so nah bei mir saß. Nichts wäre schlimmer gewesen, als ein Streitgespräch vor seiner Familie. Nicht bei unserem ersten Zusammentreffen.

Es lief doch gerade so gut.

Schuldbewusst biss ich auf meine Unterlippe. Ja, ich hätte Liam Bescheid sagen müssen, aber ich hatte mich bewusst dagegen entschieden. Im Schlafzimmer hatte er das sagen, aber nicht, wenn es um mein Leben ging.

Schlimm genug, dass ich für umsonst bei ihm wohnte, aber ich konnte nicht den ganzen Tag Däumchen drehen. Ich zuckte mit den Schultern und starrte auf meinen leeren Teller.

„Das wird Konsequenzen haben. Verlass dich drauf."

„Was tuschelt ihr beiden Turteltäubchen denn da? Liam-Schatz, willst du uns nicht auch ein wenig von der Arbeit erzählen?"

Seufzend stütze sich Liam auf seinen Ellenbogen ab.

Warum nur fiel es ihm so schwer sich vor seiner Familie zu öffnen, so wie Karl es tat? Lag es etwa an mir?

Nach dem Essen half ich Ella in der Küche während die Männer sich mit einer Flasche Bier vor den Kamin setzten und über dies und jenes fachsimpelten.

„Du glaubst nicht wie erleichtert ich bin."

Ich stellte einen weiteren Teller in die Spüle und blickte dann zu Ella, welche das frisch gewaschene Geschirr flink und sorgfältig abtrocknete.

„Weshalb das?"

Sie lächelte matt und fixierte einen Punk in der Luft. Ella wirkte auf mich durchaus wie eine im Leben stehende Frau. Ja, sie war ein wenig überschwänglich, aber das machte sie doch nur noch liebenswerter.

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