the morning after

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Evy:

Fahrig greifen meine klammen Finger nach der Kaffeetasse. Geniesserisch schliesse ich die Augen, als mir der vertraute Geruch des herrlichen Getränks in die Nase steigt und die Tasse meine Fingerspitzen wärmt. Es fühlt sich so vertraut und warm an, dass ich beinahe die eisige Stimmung vergesse, die über dem Frühstückstisch liegt. Aber leider eben nur beinahe, denn ich kann einfach unmöglich das genervte Stöhnen ignorieren, dass einer der anderen im Sekundentakt von sich gibt. Und ebendso wenig kann ich leider die stechenden Kopfschmerzen ignorieren, die gepaart mit dem ekelhaften Geschmack in meinem Mund, meine morgendliche Überraschung und Erinnerung an gestern Abend sind. Gestern Abend...
Oh bitte, lass mich an etwas anderes denken. Bei dem Gedanken an den Champagner wird mir kotzübel und leider ist das nicht die einzige weniger gute Erinnerung.

Wiederstrebend öffne ich die Augen und greife nach dem Brötchenkrob, aus dem ich mir ein trockenes Kaiserbrötchen angele, in der Hoffnung, dass es meinen Magen etwas beruhigt. Leider kann ich nicht umhin, dabei einen Blick auf die Anderen zu werfen. Sie sehen genauso fertig aus, wie ich mich fühle, aber gleichzeitig geht eine seltene Gereiztheit von ihnen aus. Zayn sitzt mit angewinkelten Beinen auf einem Hocker und starrt mit leerem Gesichtsausdruck in seine Tasse. Liam, der daneben sitzt, blättert desinteressiert in der Tageszeitung, Niall schiebt angewiedert das Brötchen von sich, das er vor ein paar Sekunden fingerdick mit Nutella bestrichen hat, Lou steht mit verschränkten Armen an den Kühlschrank gelehnt und Abby und Harry... Von den Beiden will ich gar nicht erst anfangen. Voller Feindseligkeit starrt Abby ihren Freund an, während sie sich löffelweise Zucker in den Kaffee kippt.

Leider ist es im Hinblick auf die Beiden gestern auf eine ganz andere Art ausgeartet. Denn es war nicht etwa eine widerlich riechende, durchsichtige Flüssigkeit Namens Vodka, die ihnen den Abend zerstört hat, sondern viel mehr eine schlanke, dunkelhaarige Schönheit, die gegen zwei Uhr auf einmal vor unserer Haustür auftauchte. Und statt sie einfach wieder wegzuschicken, hat Zayn ausgerechnet Harry gerufen, als Kendall, seine Sexbombe von Exfreundin, plötzlich vor der Tür stand. Man muss nicht sonderlich kreativ sein, um sich Abbys Gesichtsausdruck vorzustellen, als Kenadll an ihrem knappen Ausschnitt herumnestelte, Harry in eine feste Umarmung zog und säuselte: „Harry, Baby, lass dich drücken! Warum hast du mir nicht erzählt, dass du ne Party schmeisst?! Wir haben uns Ewigkeiten nicht gesehen.“ Und statt sie freundlich, aber bestimmt fortzuschicken, oder ihr wenigstens Abby vorzustellen, hat Harry sie nur ziemlich verwirrt angeglotzt und ihr dabei zugesehen, wie sie sich erst auf seiner Chouch breitgemacht und dann seinen Whiskey getrunken hat. Von Liam weiss ich, dass Harry die Nacht in der Badewanne verbringen musste...
Seufzend reisse ich kleine Stückchen von meinem Brötchen ab, stecke sie mir in den Mund und spüle die Masse dann mit einer Portion Kaffee hinunter.

„Seht euch das an.“, murmelt Liam auf einmal und schiebt die Tageszeitung in die Mitte des grossen Holztisches, so dass jeder den Artikel sehen kann, auf den er deutet. Aber bevor ich einen Blick auf die Schlagzeile werfen kann, schnappt Niall sich das Klatschblatt, legt es sich auf die Knie und streicht es glatt, bevor er zu lesen beginnt. Interessiert beuge ich mich über seine Schulter, um ebenfalls einen Blick darauf erhaschen zu können. „Saufgelage im Hause Tomlinson und Styles. Lest hier über die wilde Partynacht.“ Shit! Wegen meiner Willkommensparty bekommen die Jungs jetzt auch noch Probleme mit der Presse, was wahrscheinlich dazu führen wird, dass sie auch Probleme mit ihrem Management bekommen... Als ob es nicht schon genug ist, dass Harry und Abby Stress wegen mir haben...

Zerknirscht wende ich mich an die Anderen: „Leute... es, es tut mir wirklich Leid.“, wispere ich schuldbewusst und mustere meine Fingernägel. Das Orange blättert bereits ab. „Was? Ach was!“, unterbricht Abby mich und ich gucke vorsichtig nach oben. „Das ist nicht das erste Mal, dass sowas in der Zeitung steht. Entspann dich.“, sie schenkt mir ein dünnes, aber bestimmtes Lächeln. Sie versucht, mich aufzumuntern, obwohl ich ihr deutlich ansehe, wie genervt sie ist. Schuldbewusst wende ich mich an Liam, von dem ich weiss, dass er das mit der Presse um einiges ernster nimmt, als die Anderen, aber auch Liam lächelt mich beruhigend an und zwinkert mir zu: „Abby hat recht, Evy. Es ist wirklich nicht das erste Mal. Damit werden wir schon fertig.“ Und Harry fügt hinzu: „So ist das eben. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nichts in der Zeitung steht. Gewöhn dich schon mal dran, dass das Leben mit uns nicht so ruhig ist.“, auch er lächelt mich an und obwohl ich immer noch ein schlechtes Gewissen habe, bin ich dennoch erleichtert, dass die Anderen nicht böse sind oder mir irgendwie Vorwürfe machen. Ich weiss, dass es lächerlich ist, das zu glauben, aber trotzdem...

„Natürlich muss sie sich keine Sorgen machen, es war ja auch jemand anderes, der es verbockt hat.“, faucht Abby in dem Moment wütend und wendet sich an Harry. „Was?! Sag mal, bist du immernoch sauer deswegen?“, giftet er zurück. „Ich kann doch auch nichts dafür, dass Kendall aus heiterem Himmel hier auftaucht. Was hätte ich denn machen sollen? Sie rausschmeissen?“, fragt er genervt. Ich spüre seine Wut, die er mühsam zu unterdrücken versucht, aber auch Abby ist auf hunderachtzig: „Zum Beispiel! Es ist dein Haus, verdammt!“
„Genauso ist es deins! Du hättest sie doch auch rausschmeissen können, wenns dich so gestört hat.“ Abby antwortet mit einem spitzen, kalten Lachen, bei dem mein Kopf beinahe explodiert. Naja, bei dem Geschrei, das die Beiden vollkommen ungeniert vor uns allen austragen, fühlt sich mein Kopf sowieso an, wie eine tickende Zeitbombe.

„Gott, heul doch, Tompson.“, schnaubt Harry daraufhin und verdreht genervt die Augen. „Was soll das jetzt wieder, he? Mit dir kann man sich nicht mal richtig streiten, du Arschloch!“ „Wer hat hier keine Argumente?! Ich hab dir doch gesagt, dass du sie hättest rausschmeissen können. Tu nicht immer so, als ob immer alles meine Schuld ist.“
Verstohlen mustere ich den Rest der Jungs. Niall und Zayn verfolgen den Schlagabtausch der Beiden, als wären sie Teil einer verdammt spannenden Sitcom, während Liam und Louis sie weitestgehend ignorieren und sich lieber ihren dampfenden Kaffeetassen widmen.

„Natürlich ist es deine Schuld. Jetzt behaupte bloss nicht, dass es meine ist, wenn DEINE Exfreundin vor DEINER Tür steht.“, kreischt Abby gerade. „Gott, halt doch einfach die Klappe, verdammte Scheisse.“, zischt Harry wütend und springt vom Tisch auf. Auch Abby springt auf: „Halt. Du haust jetzt nicht ab.“, faucht sie. „Und wenn?“ Wütend stehen sich die Beiden gegenüber und funkeln einander an.

Die Luft in der grossen Küche ist zum zerreisen gespannt. Und ich zucke so sehr zusammen, als auf einmal Louis aufgebrachte Stimme hinter mir ertönt, dass ich die Hälfte meines Kaffees auf meinem Nachthemd verschütte. „Wie wärs, wenn ihr Beide mal eure Klappe halten könntet? Ich hab die Schnauze so voll von eurem ewigen Rumgezicke.“ Und damit hat er innerhalb von einer Nanosekunde unserer aller Aufmerksamkeit. Wütend knallt er seinen Becher auf die Kücheninsel und verlässt schnaubend das Zimmer, nicht ohne die Tür hinter sich zuzuknallen. Wow...

Seufzend legt Liam die Zeitung zusammen und drückt Niall, der gerade aufstehen will, wieder zurück auf seinen Platz. „Bleib Niall, ich geh schon.“, murmelt er und verlässt ebenfalls die Küche.
„Ganz toll.“, zischt Abby, die Liam hinterhersieht. „Jetzt guck mich nicht schon wieder so an, als ob das alles meine Schuld ist.“, knurrt Harry aufgebracht zurück, als sie ihn erneut anfunkelt. Und dann macht Abby etwas, was ich ihr niemals zugetraut hätte. Die greift nach Liams Wasserglas und ohne zu zögern schüttet sie es ihm ins Gesicht. „Vielleicht bleibst du nächstes mal einfach nüchtern genug, Styles.“, sagt sie kalt. Mit offenem Mund starre ich sie an, genauso wie Harry, der sie anblinzelt wie ein begossener Pudel. Wenn er nicht so gucken würde, als ob er jeden Moment jemanden umbringen würde, wäre es vielleicht sogar lustig gewesen. Vielleicht...

Voller Wut stürmt er auf die Küchentür zu, aber Abby überholt ihn auf halbem Weg und ruiniert ihm seinen Abgang, in dem sie selbst einen filmreifen Abgang hinlegt. Die Tür knallt hinter ihr so laut ins Schloss, dass ich schmerzhaft zusammenzucke. Und ein paar Sekunden später nochmal- nach dem auch Harry die Tür hinter sich zugeknallt hat. Wow, wie oft passiert das in diesem Haus? Vielleicht sollten sie sich mal überlegen, die Türen einfach raszunehmen, das würde einiges an Lärm sparen. Mist Vardammter- mein Schädel explodiert gleich!

Mit einem enorm schlechten Gewissen sehe ich mich in der leeren Küche um und mein Blick bleibt an dem Einzigen hängen, der noch übrig ist.
Niall sitzt in sich zusammengsunken da und starrt auf die Tischplatte vor sich, bevor er seufzend Luft holt und mir ein schiefes Grinsen schenkt: „Willkommen Zuhause.“, versucht er müde zu scherzen. Aber ich habe keine Lust auf Witze.

„Sag mal, ist das Normalzustand bei euch oder soll ich mir Sorgen machen?“, frage ich und vergrabe das Gesicht in den Händen. Niall lacht: „Keine Angst, die sind mehr oder weniger immer so.“ „Immer? Ach du heilige Scheisse.“ Niall zuckt mit den Schultern, er sieht beinahe Entschuldigend aus: „Sie sind eben sehr... temperamentvoll. Vor allem Harry und Abby. Wir sind solche Ausbrüche schon gewohnt.“
Ja, dass die Beiden eine höchst explosive Mischung sind, ist mir auch schon aufgefallen. Trotzdem ärgert es mich, dass Niall mich darüber aufklären muss, was hier normal ist und was nicht. Abby ist meine beste Freundin und eigentlich sollte ich genau wissen, wie es hier abläuft. Aber leider tue ich das nicht und mit einem Mal fühle ich mich unglaublich fremd hier.
Ich habe keine Ahnung, was hier eigentlich abläuft.

Und ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen. Wenn sie keine Überraschungsparty für mich geplant hätten, wäre das alles hier gar nicht erst passiert. Weder der Artikel, noch die Sache mit Harrys Ex. Und was mit Louis los ist, weiss ich sowieso nicht.

Niall sitzt neben mir und seine blauen Augen mustern mich besorgt. „Hey, alles okay bei dir?“, fragt er irgendwann vorsichtig, doch ich habe keine Lust, meine Ängste mit ihm zu teilen. Ich will nicht zugeben, dass ich mich schuldig fühle. „Was soll sein?“, keife ich ihn also an und sogleich tut es mir leid. Ich hasse es, mich zu streiten. Das tue ich wirklich. Aber gerade bin ich dabei, mich genauso zu verhalten, wie alle anderen.

Wütend über mich selbst, lasse ich den Kopf auf die Tischplatte sinken und vergrabe ihn in meinen Armen. Das angenehme Kühl des Holzes wirkt beruhigend auf die Hitze meiner Wangen. Ich versuche, gleichmässig zu atmen, während ich darauf warte, dass Niall eine ebenfalls wütende Bemerkung von sich gibt.
Aber alles, was ich höre ist, wie sein Stuhl über die Fliessen schrammt.

Na toll, jetzt habe ich es geschafft, ihn auch noch zu vergraulen. Toller Neuanfang ist das...
Ich will wieder Nachhause, denke ich schwach und ich will eigentlich gar nicht schwach sein, aber ich kann nichts machen. Auf einmal sehne ich mich so unglaublich nach LAs Sonne, die meine Haut und mein Gemüt erwärmt. Ebendso wie nach meiner Familie. Ich sehne mich nach den Armen meiner Mutter. Ich hätte niemals gedacht, dass es mir so gehen würde und schon gar nicht, dass dieses Gefühl mich bereits nach meinem ersten Tag in London beschleichen würde. So war das alles nicht geplant. Ganz und gar nicht...

Auf einmal spüre ich, wie etwas Festes, Warmes an meine Fingerspitzen stösst. Es ist eine leichte, behutsame Berührung. Vorsichtig hebe ich den Kopf von meinen Armen, um etwas zu sehen. Und ich muss lächeln, als ich sehe, was es ist.

Niall hat mir eine neue Kaffeetasse hingestellt, denn mein alter Kaffee ist ja zur Hälfte auf meinem Nachthemd gelandet und die andere Hälfte ist während Harrys und Abbys Auseinandersetzung kalt geworden... Aber jetzt steht eine neue Tasse vor mir. Eine grüne Tasse, mit einem gelben, breit lächelnden Smiley darauf. Und darunter hat Niall eine kleine Notiz geklemmt.

„Hey. Mach dir keinen Kopf. Heute ist heute. Und auch, wenn heute nicht so gut ist- denk dran: es gibt noch viele andere Tage.

Es ist schön, dass du da bist, vergiss das nicht...“

Dankbar streiche ich über den kleinen Zettel und ich drehe mich zu ihm um, aber er zieht bereits leise die Küchentür hinter sich zu.

Und ich sitze da, vollkommen allein in der viel zu grossen Küche und Londons Regen klebt an den Fensterscheiben, wie ein Vorhang und trotz alledem muss ich auf einmal lächeln.

Der Kaffee wärmt mich von innen auf.

Und obwohl ich die dunkle Flüssigkeit wirklich schätze, weiss ich, dass es im Grunde nicht nur der Kaffee ist, der dieses Lächeln verursacht.

Teasing is a Sign of LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt