Misconception

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Abby:

“No warning of such a sad song
Of broken hearts
My dreams of fairytales and fantasies
were torn apart
I lost my peace of mind somewhere along the way
I knew there'd come a time you'd hear me say
I'm sick and tired of always being sick and tired” (Anastacia-Sick and tired)

Die Schwangerschaft dem Partner mitteilen:
Statt dem Partner den vom Morgenurin triefenden Schwangerschaftstest unter die Nase zu halten, kann man sich etwas Besonders einfallen lassen. Ideen wie man die Schwangerschaft auf originelle Weise mitteilen kann, findest Du hier.
1: Erbsengroß
Lass Deinen Partner die Hand ausstrecken und lege eine kleine Erbse hinein, sag dabei: "So groß ist unser Baby nun ungefähr!"...

Wie sagt man seinem Freund am besten, dass man schwanger ist?!
Das ist das erste Ergebnis, das mir Google dazu vorgeschlagen hat (Mal ganz abgesehen von den wenig hilfreichen Gutefrage.net- Suchergebnissen.)

Aber ich glaube, Google checkt einfach nicht, dass es mir nicht um besonders kreative Enthüllungsaktionen, sondern viel mehr darum geht, wie ich es Harry schonend beibringen kann.
Diese Ideen sind eher für mittelalte Paare gedacht, die sich schon Ewigkeiten ein Kind wünschen und bei denen es nun endlich geklappt hat. Es sind Überraschungsvorschläge für Frauen, die nach unendlichem Hoffen nun endlich voller Glückseligkeit sagen können, dass sie das ersehnte Kind bekommen.

Wir hingegen sind Teenager, die zu dumm zum Verhüten waren...
Zudem würde mich Harry vermutlich auslachen, wenn ich ihm eine Erbse in die Hand drücken und dazu mit einem breiten Grinsen: „So gross ist unser Baby jetzt ungefähr.“, sagen würde. Der Satz ist fast so schlimm, wie die Sprüche, die Tine Wittler immer in ihren komischen Einrichtungsserien bringt...

Ich schleiche nun schon seit beinahe zwei Wochen um Harry herum und versuche, ihm zu sagen, dass er Vater wird, aber irgendwie gestaltet es sich schwieriger als erwartet, mit der Wahrheit rauszurücken.

Neulich zum Beispiel, hätte ich es ihm beinahe gesagt. Ich hatte mir die Worte schon ganz genau zurechtgelegt, mir peinlichst genau überlegt, was ich sagen würde.
„Harry, ich weiss, das war nicht wirklich geplant, aber- wir werden Eltern...“

Mit klopfendem Herzen ging ich also in die Küche, in der Harry geschäftig herumwerkelte. Im Türrahmen blieb ich kurz stehen und musterte ihn heimlich. Er wirkte so entspannt, wie er mit dem Rücken zu mir an der Anrichte stand und konzentriert in einer Schüssel rührte.
Er war barfuss, seine dünnen Beine steckten in der gewohnten zerschlissenen Röhrenjeans und um den Kopf trug er ein gemustertes Bandana, das seine wilde Lockenmähne in Zaum hielt. Alles an ihm- sein Aussehen, seine Bewegungen, war mir vertraut.
Ich blieb eine ganze Weile am Türrahmen gelehnt stehen und lauschte seinem leisen Summen. Seine tiefe, dunkle Stimme hatte eine beruhigende Wirkung auf mich und auf einmal verlangsamte sich mein Herzschlag. Ich wurde ruhiger- beinahe ebenfalls entspannt.
Und auf einmal durchströmte mich so eine Zuneigung für meinen Freund, das ich mir sicher war, dass ich es ihm sagen konnte.
Wer weiss, vielleicht würde er sich sogar freuen?

Und mit diesem Gedanken stiess ich mich lächelnd vom Türrahmen ab und ging entschlossen auf ihn zu. „Harry?“, meine Stimme klang rau, aber ich räsuperte mich einfach- entschlossen, endlich reinen Tisch zu machen.
„Mhm?“, sofort drehte er sich zu mir um und musterte mich fragend, obwohl ein klitzkleines Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Ich richtete meinen Blick auf das winzige Grübchen, das sich in seine linke Wange bohrte, als ich weitersprach. „Ich... ich muss dir was sagen.“, presste ich nicht mal mehr halb so selbstbewusst hervor, wie ich es eigentlich geplant hatte. Plötzlich bekam ich wieder Angst davor, es nicht sagen zu können.

„Schiess los.“, Harry lehnte sich abwartend an die Kücheninsel. Sein Blick glitt forschend über mein Gesicht, bohrte sich in meine Augen, aber ich wich ihm aus. Räusperte mich. Und sagte... nichts. Ich sagte nichts.
Ich ruderte einfach wieder zurück. „Ach... ähm, vergiss es...“, nuschelte ich schliesslich und drehte mich schleunigst um, bevor mir die Röte in die Wangen stieg.
Aber er lies mich nicht entkommen. Seine warmen, rauen Finger schlossen sich um mein Handgelenk und er drehte mich wieder zu sich herum.
„Hey, nicht so schnell. Was ist los?“
„Nichts.“, wisperte ich, doch seine Finger schlossen sich sachte um mein Kinn und er zwang mich, ihn anzusehen. „Du wolltest mir doch was sagen?“, er bemühte sich um einen ernsten Tonfall, aber mir entging nicht die leichte Belustigung in seiner Stimme.

„Ich... ähm...“, setzte ich an, aber er unterbrach mich und mit einem mal war die Belustigung aus seiner Stimme verschwunden. Er war ernst: „Du kannst mir alles sagen, Abby.“
Er lehnte seine Stirn an meine und in diesem Moment wusste ich es: Ich konnte es sagen. Es würde in Ordnung sein. Es gab keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen. Meine Finger vergruben sich sachte in seinem Haar, bevor ich erneut ansetzte, sicher, dass alles gut werden würde: „Harry, ich bin...“
„...Wir sind Zuhause!“, ertönte just in diesem Moment Louis Stimme aus der Diele, gefolgt von Zayns und Liams lauten Willkommensrufen und der Moment war vorbei...

„Du solltest es ihm endlich sagen!“, meinte Louis wenige Tage später besorgt, als er mich in der Waschküche abgefangen hatte. „Langsam wird’s kritisch.“, fügte er dann noch mit einem skeptischen Blick auf meinen Bauch hinzu. Empört sah ich an mir herunter. Das tat ich in letzter Zeit ständig- genauso, wie mich andauernd im Spiegel zu betrachten, aber erst heute morgen hatte ich zu meiner eigenen Erleichterung festgestellt, dass man nichts erkennen konnte.

„Ich habe keine Ahnung, was du da redest, Tomlinson. Ich sehe aus wie immer.“, erwiederte ich also barsch und machte mich wieder daran, den Wäschekorb auszuräumen.
„Ja, aber irgendwann wirst du das nicht mehr.“, fauchte er zurück. Erstaunt über seinen Tonfall lies ich Harrys T-shirt auf halbem Weg zur Waschmaschine sinken. „Mir ist klar, das man es irgendwann sehen wird, okay?“, obwohl ich mir wirklich Mühe gab, klang ich immernoch zickig.
Augenverdrehend wendete sich Lou von mir ab: „Die Hormone scheinen ja schon ordentlich verrückt zu spielen. Du verhälst dich wie ein zickiger Teenager. Wenn du nicht immer so zu Harry wärst, hätte er schon längst was merken müssen.“, grummelte er dabei vor sich hin und brachte mich damit gegen meinen Willen zum Lachen.

Ächzend erhob ich mich vom Boden: „Ich brauche eben noch Zeit, Lou.“
„Du hast aber keine Zeit mehr, Abs! Und wofür brauchst du sie denn überhaupt?! Musst du vorher noch ein Ultraschallbild entwickeln lassen, um es ihm schöner zu präsentieren? Die Zeit spielt gegen dich, Mann! “

Ich hatte wirklich keine Ahnung, warum er so einen Druck machte, aber es ging mir auf die Nerven. Schliesslich war es ja nicht sein Problem.
Ich hatte ihn ja auch nur eingeweiht, weil ich mich jemandem anvertrauen musste. Ich hatte es bei Gott nicht getan, um mich permanent bemuttern zu lassen.
Also wendete ich mich einfach ab und ignorierte ihn. Sturr wühlte ich in dem Wäschekorb weiter, aber Louis schien noch nicht fertig mit seiner Ansprache.
„Wovor hast du Angst, Abs?“, seine Stimme klang sanfter, als er das sagte, aber die Entschlossenheit darin war nicht mal ansatzweise verschwunden.

„Ich weiss es nicht. Ich... habe einfach ein schlechtes Gefühl. Ich kann es nicht mal genau erklären. Es ist einfach... komisch.“ Und das war es tatsächlich. Es war seltsam, dass ich Angst hatte, mit Harry zu reden. Immerhin waren wir ein Paar und wir liebten einander... „Das sind sicherlich auch die Hormone.“, Louis grinste mich an und nach kurzem Zögern erwiederte ich sein Lächeln. „Komm schon, Liebes. Sag es ihm einfach!“, ermutigte er mich nochmals und diesmal nickte ich ergeben. „Okay.“
„Wann?“
„Bald.“
„Morgen!“
Ich seufzte ergeben: „Na schön. Morgen.“

Also habe ich den ganzen Tag damit verbracht, sämtliche Internetseiten zu durchforsten und Erfahrungsberichte junger Mütter zu lesen, aber ich fühle mich immernoch genauso schlau wie vorher. Und irgendwann dachte ich, dass Gesten sowieso viel überzeugender seien, als Worte.
Also hatte ich mich mit Harry auf dem Sofa breit gemacht und vor seinen Augen so viel Eiscreme in mich hineingestopft, bis mir beinahe schlecht wurde.
Als er dies nur mit einem Lächeln und einem Kopfschütteln kommentierte, begann ich über Rückenschmerzen zu klagen und streichelte sogar kurz über meinen Bauch, aber auch das lies er unkommentiert...

Als der Abend langsam hereinbricht und blassrose Streifen über den Himmel ziehen, erscheint auf einmal Louis im Türrahmen.
Harry dreht sich nicht zu ihm um, sondern blickt nur weiterhin starr auf den Bildschirm. Ich spüre sein leises Lachen, als er sich über einen Witz von Barney Stinson amüsiert, aber mein Blick liegt auf Lou.
Dieser nickt ungeduldig in Harrys Richtung und verschränkt streng die Arme vor der Brust, während er auf seine imaginäre Armbanduhr tippt. "Es ist Zeit, Abigail.", lautet seine stumme Aufforderung an mich. Aber ich kann ihm nur einen leidenden Blick zuwerfen.
Dann geht er einfach und macht demonstrativ die Tür hinter sich zu. Es ist ein ganz klares Symbol. Ein Zeichen für mich. Mein Einsatz.
Er zieht sich ganz offensichtlich zurück und gewährt uns damit die nötige Privatsphäre. Er wird dafür sorgen, dass uns keiner stört.

Ich atme tief durch- sammele mich für meinen Angriff. Jetzt werde ich es ihm endlich sagen.
Entschlossen greife ich nach der Fernbedienung und schalte den Fernseher aus. „Hey! Was soll das?“; begehrt Harry sofort auf und angelt besitzergreifend nach der Fernbedienung, aber ich enziehe sie ihm unbarmherzig und stehe auf, um sie auf das Bücherregal ausser Reichweite zu legen.
„Was machst du da? Ich will das sehen!“, schnaubt er frustriert und funkelt mich böse an. „Harry.“, ich gehe erst gar nicht auf sein kindisches Verhalten ein. „Wir müssen reden.“
„Na schön, aber muss das jetzt sein?“
Genervt verdrehe ich die Augen: „Du bist so ein Kind, Harry.“, werfe ich ihm an den Kopf und endlich schweigt er. „Na gut, lass uns reden.“, sagt er dann und verschränkt ebenfalls genervt die Arme vor der Brust.

Erneut atme ich tief ein. Abby, ganz ruhig bleiben jetzt!
Ich sehe ihm tief in seine grassgrünen Augen, die Worte liegen mir auf der Zunge- bereit, endlich ausgesrochen zu werden. Zittrig atme ich aus. Komm schon Abigail! Du musst es ihm endlich sagen!
„Harry, ich... ich muss dir was sagen.“, presse ich schliesslich irgendwie hervor.
Er verlagert sein Gewicht ein wenig und blickt mich dabei unverwandt an: „Okay.“
„Also...“, setze ich an. Wartend zieht er die Augenbrauen nach oben. „Was ist?“, mit einem Mal ist er wieder ernst. Gespannt.

Er lächelt mich an, so dass sich seine wunderbaren Grübchen auf seinem Gesicht abzeichnen. Sein Gesichtsausdruck ist voller Liebe. Er wird es schon einigermassen gut aufnehmen, denke ich. Er wird bestimmt für mich da sein, oder? Auch, wenn er vielleicht nicht unbedingt begeistert ist, wird er für mich da sein. Er hat selbst gesagt, dass er immer für mich da ist. Dass ich ihm alles sagen kann.

„Harry, du hast doch gesagt... also, du hast doch gesagt, dass ich dir alles sagen kann?“, frage ich leise und beisse mir dabei auf die Lippe. Ich bin so furchtbar nervös...
„Ja?“, er sieht mich erwartungsvoll an. „Ich... also...“, murmele ich wieder und spüre deutlich, wie mein Mut sinkt.
Wie soll ich ihm nur erklären, dass er Vater wird? Mit 21?! Er wird mich hassen... Jeder junge Mann, dem so eine Verpflichtung aufgezwungen wird, würde nicht begeistert sein. Vor allem nicht, wenn er zu der bekanntesten Boyband der Welt gehört, die oft monatelang in der Weltgeschichte herumtourt. Es wird nicht einfach werden, das ist mir mehr als bewusst...

„Also was ist? Spucks schon aus, Tompson, so schlimm kanns wohl kaum sein.“, sagt Harry, der jetzt ein bisschen ungeduldig klingt. Naja, wie schlimm es ist, ist ja wohl Ansichtssache, denke ich, aber ich gebe mir einen Ruck. Ich kann es nicht ewig vor ihm geheim halten. Irgendwann wird er es sowieso sehen. Sehr bald sogar, wenn ich länger warte...

„Harry, ich... ich bin schwanger...“, sage ich deshalb schnell und senke dann den Blick. Keine Floskeln, keine Beschönigungen. Ich sage einfach die Wahrheit, bevor ich kneifen kann oder nochmal etwas anderes dazwischenkommt.
Ich habe es gesagt. Ich habe es tatsächlich gesagt! Eine seltsame Erleichterung durchströmt mich.
Aber Harry antwortet nicht. Kein Wort. Nichts.

Ich weiss nicht genau, wie ich mir seine Reaktion vorgestellt habe. Was ich von ihm erwartet habe, aber mit so einer eisigen Stille, wie sie uns jetzt umgibt, hätte ich irgendwie nicht gerechnet. Freudenschreie hätte ich auch nicht gerade erwartet, aber...
Sag doch was, denke ich verzweifelt. Irgendwas. Schrei mich notfalls an, aber sag was...
Und ich riskiere es einfach, den Blick zu heben und in sein Gesicht zu sehen. Ich muss wenigstens seinen Gesichtsausdruck sehen, um irgendeine Rückmeldung seinerseits auf diese Nachricht zu bekommen.

Fassungslos starrt er mich an. Sein Blick wandert über meinen Körper und bleibt an meinem Bauch hängen: „Du bist... was!?“, flüstert er dann ungläubig. Aber ich kann die Worte unmöglich ein zweites Mal wiederholen. Zu gross ist der Klos in meinem Hals- also nicke ich einfach.
Harry, sag bitte endlich was! Ich will es ihm ins Gesicht schreien, ihn schütteln, aber sein Gesichtsausdruck hält mich davon ab. Er sieht immer noch geschockt aus von meinem Geständnis, aber langsam scheint er zu verstehen. Ein dunkler Schatten liegt auf seinen Zügen, das Lächeln von vorher ist wie weggewischt.

Und ich stehe da, stehe vor dem Mann, den ich über alles liebe und dessen Kind ich unter dem Herzen trage und ich weiss nicht, was ich tun soll. Ich stehe da und schlucke gegen den Klos in meiner Kehle an, der immer grösser zu werden scheint und mir das Gefühl gibt, zu ersticken. Ich will einfach nur hören, dass er für mich da ist und mich nicht alleinlässt. Ich habe Angst davor, das alles alleine meistern zu müssen.
Das ist der wahre Grund, warum ich gezögert habe. Weil ich Angst davor habe, allein zu sein. Ich kann das nicht alleine schaffen. Ich brauche Harry!
Ich erwarte nicht, dass er sich freut, ich will bloss ein bisschen Verständnis. Immerhin ist es ja auch irgendwie seine Schuld, dass wir jetzt Eltern werden. Wenn man das überhaupt als Schuld bezeichnen kann...

Aber er sieht immer noch so geschockt aus, dass es mir beinahe das Herz bricht: „Haz... es tut mir leid.“, wispere ich schliesslich einfach und strecke vorsichtig die Hände nach ihm aus.
Keine Ahnung, was mir leid tut. Die Art und Weise, wie ich es gesagt habe, oder die Tatsache an sich...

Harry scheint bei meinen Worten urplötzlich wieder aus seiner Starre zu erwachen, denn er steht auf und weicht dann ein paar Schritte vor mir zurück. Bringt Abstand zwischen uns.

„Das- das muss es nicht“, sagt er dann. Erleichtert will ich ausatmen. Es muss mir nicht leidtun, weil... weil es ihm auch nicht leidtut? Weil es okay ist? Er hat verstanden. Es war nur der kurze Schock, den er verdauen musste.
Er ist für mich da. Er akzeptiert meine Schwangerschaft. Er akzeptiert unser Kind.

Ich will auf ihn zulaufen und meine Arme um seine Hüfte schlingen, aber er weicht noch einen weiteren Schritt zurück, als ich näher komme. Sein Gesicht ist eine Maske aus Feindseligkeit und... Schmerz? Was zum...? Aber ich komme nicht dazu, darüber nachzudenken, was los ist.

„Glückwunsch.“, sagt Harry mit einer solchen Kälte in der Stimme, dass ich vor ihm zurückzucke. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Er stösst mich mit seinen Worten voller Wucht von sich.
Glückwunsch? Er gratuliert mir zu unserem ungeborenen Kind, so als hätte er überhaupt nichts damit zu tun. So als wäre es vollkommen egal, dass es auch ein Teil von ihm ist. Er will das Kind nicht haben, denke ich fassungslos. Verwirrt und mit tränenverschleiertem Blick starre ich ihn an, aber er starrt nur zurück, mit glitzernden Augen. Kalt und fremd wirkt sein Blick. Kein Stück Wärme oder Zuneigung findet sich darin. Und auf einmal werde ich wütend. Er hat versprochen, für mich da zu sein, aber kaum wird es ein bisschen ernst, schon zieht er den Schwanz ein.

„Ich habe nicht erwartet, dass du in Begeisterungsjubel ausbrechen würdest, aber ich habe trotzdem irgendwie auf deine Unterstützung gehofft...“, fauche ich ihn an, aber das scheint ihn nur noch wütender zu machen.
„Begeisterung?“, er spuckt mir das Wort beinahe ins Gesicht. „Gib mir einen Grund, wieso ich begeistert sein sollte?“
Wir stehen einander gegenüber, schwer atmend und er funkelt mich an, während ich dastehe und ihn fassungslos anblinzele. Ich hätte niemals erwartet, dass er mich derart von sich stossen würde. Dass er so kalt und gefühllos sein könnte. Diese Feststellung tut so weh, dass ich die Tränen kaum zurückhalten kann. Schützend halte ich die Hände vor meinen Bauch.

Mit einem Mal ergreift ein seltsames Gefühl Besitz von mir, das ich bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht kannte. Auf einmal habe ich das starke Bedürfnis, das Kind, das in mir heranwächst zu beschützen. Das Gefühl lodert in mir auf, Flammen züngeln in meiner Bauchdecke, Hitze schiesst in meinen Kopf.
Erst durch seine Reaktion verstehe ich endlich- Verstehe das, was ich in unzähligen dieser Berichte gelesen habe.
Eine Empfindung, die sich in einem regt, wenn man feststellt, dass ein neues Leben in einem heranwächst. Eine Feststellung so untrüglich und so alt, wie das Leben selbst. Ich empfinde dieses Gefühl zum allerersten Mal in meinem Leben und zuerst verstehe ich es nicht ganz.
Aber dann wird mir plötzlich bewusst, was es bedeutet: Liebe.
Die mütterliche, zärtliche Liebe für mein ungeborenes Kind.
Ich habe das Gefühl, es mit aller Macht beschützen zu müssen. Vor allem Bösen auf dieser Welt. Vor jeder Gefahr, jedem Menschen, der es ablehnt.
Mein Kind.

Verächtlich schnaubt Harry auf, als er sieht, wie ich behutsam die Hände auf meinen Unterleib lege, bevor er mir entschieden den Rücken zukehrt. Er wird gehen und es gibt nichts, was ihn daran hindern könnte. Und mit einem mal verraucht das seltsame Glücksgefühl wieder. Die Schwerelosigkeit des Moments, in dem ich zum ersten Mal etwas für unser Kind empfunden habe- das alles verschwindet. Verpufft in der warmen Heizungsluft, wie ein Traum. Zerplazt, wie eine Seifenblase.
So vergänglich ist mein Glück. Es ist von so kurzer Dauer.

Glück.
Unser ganzes Leben lang sind wir auf der Suche danach.
Was bedeutet Glück?
Wir warten unser ganzes Leben lang auf nichts anderes, als dieses Gefühl.
Wir suchen es überall. In der Liebe, im Beruf...
Wir warten darauf, wie auf eine Erlösung.

Warten jede Woche auf den Freitag, jedes Jahr auf den Sommer.
Aber es gibt keine Wärme, kein Glück, keine Erlösung.
Es gibt nichts mehr, was ich fühlen kann.

Ein letztes Mal strecke ich die Finger nach ihm aus. Bitte verlass mich nicht. Mit der Hand auf der Türklinke dreht sich Harry noch einmal um: „Hast du es Louis schon gesagt?“, fragt er dann und klingt dabei noch eisiger, als noch vor einer Minute.

Louis? Wieso denn auf einmal Louis? Das ist doch jetzt vollkommen egal! Es spielt keine Rolle.
Aber ich bin so perplex, die Gedanken wirbeln unaufhaltsam in meinem Kopf, dass ich einfach wahrheitsgemäss antworte, ohne weiter darüber nachzudenken.

„Es tut mir leid... ich musste es ihm einfach erzählen.“, schniefe ich schliesslich entschuldigend. „Ich...“, setze ich an, aber er unterbricht mich. Seine Stimme ist hart und wie ein weiterer Peitschenhieb ins Gesicht: „Nein, ich verstehe schon.“, sagt er.

„Dann hast du ja genug Unterstützung.“

Und mit diesen Worten verlässt er mich. Er knallt die Tür hinter sich zu und lässt mich alleine in dem eiskalten Zimmer. Er lässt mich allein mit meinem Schmerz, meinen Ängsten und mit seinem Kind in meinem Bauch, das er nicht haben will. Er will mich nicht. Diese Erkenntnis trifft mich so hart, dass ich auf die Knie sinke.

Ich habe immer gedacht, dass ich stark bin. Mein ganzes Leben lang dachte ich, ich sei stark.
Ich habe es selbst dann noch gedacht, als meine eigenen Beine mich nicht mehr zu tragen vermochten.
Ich habe es gedacht, als die Ohnmacht mir mein Blickfeld und das Fieber mir meine Sinne nahm. Ich habe es gedacht, als Evy auszog und als ich die Schlagzeile über Harry und Kendall in der Zeitung las.

Es gab nur einen Augenblick, an dem ich tatsächlich dachte, ich sei schwach und das war an dem Tag, an dem wir in der Konzerthalle standen und ich glaubte, ihn für immer verloren zu haben.

Aber das stimmt nicht. Ich war damals immer noch stark, als sich Alex Finger um meine Kehle legten.
Ich strozte nahezu vor Kraft und Leben.

Es waren nicht die vielen Schläge, die ich einstecken musste, die mich schwächten, das weiss ich jetzt. Ich war nie wirklich schwach, weil ich doch immer wusste, dass ich wieder würde aufstehen können.
Ich bin aufgestanden. Immer wieder.
Ich bin aufgestanden, nach dem ich beinahe von meinem Exfreund vergewaltigt wurde und er mich verfolgt und mir meine ganze Existenz geraubt hat. Ich bin aufgestanden, als Harry mein Herz gebrochen hat und ich bin aufgestanden, als ich die unzähligen Hassnachrichten auf Twitter lesen musste.

Aber jetzt.
Der Schmerz betäubt mich beinahe und mein Herz bricht in tausend Teile, während ich schluchzend am Boden liege und meine Finger sich haltsuchend in den Teppichboden graben.

Und zum ersten Mal in meinem Leben bin ich nicht sicher, ob ich wieder aufstehen kann.

Also bleibe ich einfach liegen...

Teasing is a Sign of LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt