48 | sünden

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⏯: Capital Bra-300 Grad

Es ist als wären meine Gedanken ausgeschaltet worden.
Als hätte jemand einen Hebel umgelegt.
Alles steht still.
Auch als ich in knappen, nervösen Sätzen versuche Capi zu erklären was passiert ist und ich danach mit kalten Händen raus in den Schnee renne.
Auch als ich wenige Momente später in der U-Bahn sitze und mit leeren Augen auf den dreckigen Boden schaue.
Selbst als ich bereits vor meiner Haustür stehe und diese sofort von meinem Vater aufgerissen wird, ist es als wäre alles in mir ausgeschaltet.
Wie in einem Traum.
Surreal.
Er packt mich an meinem Handgelenk,
zieht mich rein in die Wohnung.
Er schnauft vor Wut.
Schreit mir auf Arabisch in mein Gesicht.
Wie betäubt starre ich nur gegen die Wand.
Meine Mutter sitzt auf der Couch,
wimmert leise.
Zainab hält sie fest.
Baba schreit noch lauter.
Ich kann nicht reagieren.
Ich möchte irgendwas sagen,
nur irgendwas.
Aber ich weiss das es eh zwecklos ist.
Auf einmal spüre ich einen festen, brennenden Schlag auf meiner Wange.
Es klatscht laut.
Ich schreie kurz auf und sacke ein,
mein Vater ist ein ganzes Stück größer und vor allem stärker als ich.
Mama weint noch lauter,
Zainab ruft etwas.
Ihre Stimme ist schrill.
Ich fasse mir an die höllisch brennende Wange,
heiße Tränen laufen mir über das Gesicht.
Ich wimmere.
Baba rauft sich die Haare,
atmet ein und aus.
Ich sehe dass er ebenfalls mit den Tränen kämpft.
"Wie konntest du sowas tun?!"
Schreit er erneut.
Ich kauere auf dem Fußboden,
schaue weg.
Schnappe unter Tränen nach Luft,
habe Angst.
"Weisst du eigentlich wie weh du mir und deiner Mutter damit tust?!"
Er fährt sich erneut durch die Haare.
"Du nimmst Drogen wegen diesem asozialen Rapper und belügst uns monatelang, hältst geheim dass du ein...ein Verhältnis mit diesem Mann hast!"
Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht.
"B-Baba..."
"Du hast schlimme Sünden begangen, du bist vom richtigen Weg abgekommen..."
Stammelt er und tigert immer noch schnell atmend den Raum auf und ab.
"Wie heisst dieser dreckige Bastard?!"
Faucht er mir ins Gesicht.
Ich zucke wimmernd zusammen.
"Sag mir wie er heisst"
Mama springt auf und hält ihn fest,
sie weint immer noch.
Redet beruhigend auf Arabisch auf ihn ein.
Zainab steht auf einmal hinter mir,
hilft mir hoch.
Baba redet leise,
verschwindet im Nebenzimmer ohne mich nochmal eines Blickes zu würdigen.
Mama, Zainab und ich bleiben im Wohnzimmer zurück.
Es ist still.
"M-Mama, ich..."
"Du sagst nichts."
Zischt sie,
schaut mich ebenfalls nicht an.
Ich schweige,
es macht keinen Sinn mehr wieder alle zu verleugnen.
Dafür ist es eh zu spät,
ich muss jetzt ehrlich sein.
"War es Zoey?"
Krächze ich immer noch unter Tränen hervor, dabei weiß ich die Antwort doch eigentlich schon selbst.
Meine Mutter fährt herum.
"Layla, bitte! Sei einfach still!"
Sie wischt sich übers Gesicht.
"Geh sofort in dein Zimmer, ich will nichts mehr von dir hören!"
Danach flucht sie auf Arabisch und verschwindet zu meinem Vater ins Nebenzimmer.
Wenige Momente später sitze ich mit Zainab auf meinem Bett.
In meinem Zimmer ist es kalt.
Ich war lange nicht mehr so richtig hier.
Habe mir eine ganze Lügenwelt aufgebaut.
Von wegen dass ich jeden Tag bei Zoey schlafe und durch sie auch neue Leute kennengelernt habe.
Ich war einfach schamlos.
Liegt vielleicht daran dass ich seit Monaten immer drauf bin,
vielleicht weil ich so verliebt bin.
Ich weiss es nicht.
Zainab und ich sagen nichts,
sitzen nur nebeneinander und wissen nicht was wir machen sollen.
Ich schaue auf mein Handy,
Capi hat mich bereits fünf Mal versucht anzurufen,
mir zehn Nachrichten geschrieben.
Ich fasse die Situation so knapp wie möglich zusammen und schreibe sie als WhatsApp Nachricht.
Ich habe es nicht übers Herz gebracht ihn anzurufen.
Es ist als wäre meine Stimme total eingesackt.
"Zainab?"
Höre ich meinen Vater aus der Küche rufen.
Zainab schaut mich traurig an,
ich nicke ihr zu und sie geht mit leisen Schritten aus meinem Zimmer hinaus,
schließt dabei hinter sich vorsichtig die Tür.
Wenige Momente später breche ich wieder in Tränen aus.
Es ist das erste Mal seit langem dass ich mich einfach so richtig gehen lassen kann.
Aber es fühlt sich schrecklich an.
Es tut so weh.
So entsetzlich weh.
Inzwischen ist es draußen dunkel geworden.
Es hat aufgehört zu schneien.

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