54 | run away

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⏯: Capital Bra-Für Brüder

Einer der schlimmsten Momente meines Lebens war wohl als meine Oma gestorben ist.
Sie hat mit uns hier in Deutschland gewohnt,
einige Zeit sogar hier in der Wohnung.
Sie war immer kerngesund,
motiviert und manchmal ein bisschen dickköpfig.
Gerade mal Mitte 60 und ständig unterwegs.
Ich habe mit ihr als ich klein war viele Tage im Park verbracht,
stundenlang marokkanische Seifenopern geguckt und wenn ich nicht schlafen konnte durfte ich auch zu ihr ins Bett.
Sie war die einzige die wirklich immer an mich geglaubt hat,
die meinte dass ich etwas Besonderes bin.

Es war ein ziemlich schöner Sommertag,
ich war 13 und habe den ganzen Tag draußen verbracht.
Ich erinnere mich genau,
als ich nachhause gekommen bin stand vor der Haustür ein Krankenwagen,
meine Mutter hat die ganze Zeit geweint und mein Vater hat sich um Zainab gekümmert.
Als ich dann den abgedeckten Körper gesehen habe, der von den Sanitätern rausgetragen wurde,
war mir klar was los war.
Keiner sagte was.
Standen nur da.
Es war als hätte jemand das Licht augemacht,
die Sonne hat trotz des tollen Wetters nicht mehr für uns geschienen.
Ich bin einfach losgerannt,
habe nicht mehr nachgedacht.
Oder wollte eher gesagt nicht mehr nachdenken.
Rennen,
einfach weg.
Keine Ahnung wohin.
Oma hat einen Herzinfarkt,
ganz plötzlich.
Total unvorhersehbar,
keiner hätte damit gerechnet.
Sie war auf einmal weg.
Einfach so.
Und ich bin gerannt.
Immer weiter.

Gerade renne ich auch,
durch das Treppenhaus,
ich könnte jeden Moment ausrutschen,
egal.
Ich höre meinen Vater hinter mir schreien,
er jagt mir hinterher.
Zainab ruft ihm schrill etwas zu,
versucht ihn festzuhalten.
Ich stoße die Eingangstür auf und renne weiter,
über die Straße,
immer weiter.
Als ob es um mein Leben ginge.
"LAYLA!"
Höre ich von weitem.
Alles ist gedämpft,
als würde ich träumen.
Irgendwie verschwommen.
Rennen,
Rennen,
immer weiter.
Bis ich irgendwann nach Luft schnappend auf dem Bordstein einsacke,
mein Handy raushole,
anfange zu tippen.

welches krankenhaus

Alex schreibt sofort zurück.
Er nennt mir den Namen,
ich stehe wieder auf.
Schwanke mehr oder weniger Richtung U-Bahn,
alles tut mir weh.
Ich möchte weinen,
schreien,
irgendwas fühlen.
Aber ich kann nicht.
Ich will es einfach nicht wahrhaben.
Alex' Worte schallen mir ununterbrochen durch den Kopf,
ganz wirr.
Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Ich sitze nur da,
warte bis ich meine Station erreiche.
Währenddessen versucht mich die ganze Zeit Baba anzurufen,
ich gehe nicht ran.
Weiss ganz genau wie tief ich dann in der Scheiße stecken werde.
Wie betäubt gehe ich durch die belebten Straßen,
es ist dunkel.
Das Krankenhaus befindet sich in der Nähe,
es ist groß,
hell erleuchtet.
Ich gehe durch den Eingang,
schaue keinen an.
Nur geradeaus.
Als wäre nichts.

Die Frau am Empfang nickt mir zu, ich schaue ihr ebenfalls nicht in die Augen

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Die Frau am Empfang nickt mir zu,
ich schaue ihr ebenfalls nicht in die Augen.
"I-Ich würde gerne Vladislav Balovatsky besuchen, er wurde heute Nachmittag hier eingeliefert. Ich bin seine Freundin"
Das erste Mal sage ich wieder was.
Meine Stimme ist kratzig,
mir fällt es schwer zu reden.
Die Frau seufzt tief,
wahrscheinlich weiß schon jeder im Krankenhaus von dem prominenten Patient.
Sie mustert mich.
"Es tut mir Leid aber momentan hat der Patient noch keine Besuchserlaubnis, abgesehen von seinen Angehörigen"
Nicht mal nach diesen Worten zeige ich eine Reaktion.
Nichts.
Einfach nichts.
Ich stehe nur da,
schweige.
Hinter mir einige Senioren mit Rollator.
Die Frau betrachtet mich nachdenklich,
sie weiss sicher was passiert ist.
Beisst sich auf die Unterlippe.
Anschließend tippt sie auf der Tastatur ihres schicken PC's und seufzt tief aus.
"Gut, da lässt sich etwas einrichten aufgrund der Umstände. Zimmer 54 Etage C"
Zischt sie mir zu,
fast schon mitleidig.
Ich nicke ihr zu,
gehe in den überfüllten Aufzug.
Als ich hinaussteige riecht es überall nach dem ätzenden, künstlichen Geruch von Krankenhaus.
Der Flur ist bis auf ein paar Assistenzärzte leer,
es ist ja schon relativ spät.
Ich merke wie ich zitter,
ich könnte mich jeden Moment übergeben.
Das grelle, weisse Neonlicht und der elektrisierte Linoliumboden macht das ganze auch nicht angenehmer.
Zimmer 54.
Ich bleibe vor der Tür stehen.
Lege meine Stirn auf ihr ab.
Uns trennt nur ein Stück Holz,
habe ich mir genau das nicht die letzten Wochen gewünscht?
Seine Nähe?
Dennoch freue ich mich nicht.
Oder kann es zummindest nicht wahrhaben.
Als ich klopfe,
schmerzt mir jeder einzelne Muskel.
Ich schlucke,
schaue zu Boden.
"Ja?"
Höre ich seine Stimme.
So nah.
Ein kurzes Gefühl der Geborgenheit umgibt mich,
ich drücke die kalte Klinke herunter.

Der Raum ist steril eingerichtet,
als allererstes fällt mir ein hässliches Bild an der Wand auf.
Es besteht aus bunten Farben,
weiss nicht was es darstellen bzw. bewirken soll.
Ich lasse meinen Blick das ebenfalls steril weisse Krankenbett hochwandern.
Seine Arme sind mit Infusionen verbunden,
er trägt ein natürlich ebenfalls weißes Hemd.
Erst ganz zum Schluss traue ich mich ihn direkt anzuschauen.
Er ist nur noch eine kalkbleiche,
hagere Gestalt.
Die Haare hängen ihm ins Gesicht,
seine großen braunen Augen sind leer.
Sie starren mich zwar direkt an,
aber das lebenslustige Glänzen in ihnen ist verschwunden.
Ich erschrecke mich nichtmal mehr bei dem Anblick,
zum Teil erkenne ich mich selbst sogar wieder.
Wir sagen nichts.
Ich stehe vor dem Bett,
schauen uns in die Augen.
"Hallo"
Sage ich leise,
Heiße Tränen füllen meine Augen.
Kurz muss ich lächeln.
Eine Mischung aus Freude und Schmerz.
"H-Hallo, Layla"

hätte gestern eig  dieses kapitel geschrieben aber ich hatte da geburtstag und leider keine zeit😅
btw die story neigt sich langsam dem ende zu, allerdings wird es auf jeden fall einen zweiten "band" geben🙅🏻‍♀️💗

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