56 | not alive

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Capis Sicht:
⏯: K.I.Z-Neuruppin

Das grelle Licht des Raumes macht mich fast wahnsinnig,
dazu stinkt es noch nach diesem beschissenen Desinfektionsgel.
Samra sitzt neben meinem Bett auf einem Stuhl,
sagt nix.
Er sitzt schon seit zehn Minuten so rum.
Vor einer Stunde war mein zuständiger Psychiater hier und hat Visite gemacht, keine Ahnung was er wollte.
Hat mich nur ausgefragt und sowas.
Wie es mir gerade geht,
was ich fühle,
ob ich versucht habe mich selbst zu verletzen und so ein Scheiss.
Und dann musste ich zum gefühlt zehnten Mal erklären was genau passiert war.
Ich war zuhause,
mir gings echt dreckig,
ich war allein.
Irgendwas bewegte mich dazu bewusst die Überdosis zu nehmen,
irgendwas was schon lange in mir war.
Aber ich hatte immer Schiss.
Jetzt nicht.
ich wollte es in dem Moment so krass.
Ich habe sogar einen Zettel hinterlassen,
als Abschied irgendwie.
Falls ich echt draufgehen sollte.
Was ja das Ziel war.
Nix mehr spüren.
Dann war ich weg.
Ich bin erst viel später aufgewacht,
Samra hatte meinen Wohnungsschlüssel,
ist reingekommen.
Fand mich auf dem Flurboden.
Mit dem Zettel.

Samra sieht angespannt aus.
Sagt immer noch nichts,
atmet nur die ganze Zeit schwer.
"Komm mal runter, Bratan"
Murre ich.
Er fährt mich an.
"Ich soll runterkommen?! Ach halt doch deine Fresse, ich hab dir dein Scheiss Leben gerettet!"
Er seufzt tief und vergräbt die Hände im Gesicht.
Beruhigt sich.
Ich weiss nicht was ich sagen soll.
"Sorry, Bruder, ich...ich..."
Ich winke ab.
"Schon gut."
Wir schweigen wieder.
Ich starre auf das abgeranzte Krankenhaus Frühstück welches ich ja eigentlich essen sollte.
"Meinst du deine Mutter kommt nochmal?"
Fragt Samra leise.
Ich seufze.
Sie war gestern da,
hat mitbekommen wie ich eingeliefert wurde.
Ich habe ihr das Herz gebrochen.
Ihr und Layla.
"Nein"
Murmel ich.
Is auch vielleicht besser so.
Ich will ihr meinen Anblick nicht nochmal antun.
Ich hab ihr schon genug wehgetan und so.
Auf einmal klopft es an der weißen Tür.
"Jaa?"
Sage ich hörbar angepisst.
Die Person auf die ich gerade am wenigsten Bock habe steckt ihren Kopf herein.
"Hallo"
Thomas, Mamas Mann, kommt herein.
Mustert mich erschrocken.
Fast schon angeekelt.
Samra grüßt ihn höflich,
ich nicke nur.
Wie er da schon steht,
mit seinem Calvin Klein Anzug,
und dem behinderten Aktenkoffer.
"Deine Mutter hat mir schon erzählt was los ist"
Sagt er und setzt sich zu Samra.
"Ah"
Brumme ich und rühre in dem verranzten Joghurt herum.
"Und was passiert jetzt mit dir?"
Fragt er.
Hört sich so an als wär ich irgendein Gegenstand den man wegschmeißen kann.
Bin ich ja auch offensichtlich für fast alle.
"Sobald meine Blutwerte okay sind komme ich in die  Klapse, für wie lange is noch unklar"
Sage ich,
strecke mich und gähne.
Thomas Augen werden groß.
"In die Klapse? W-Wie meinst du das?"
Er sieht verstört aus,
angewidert.
Klar.
Das passt so gar nicht in seine spießige Banker Welt.
Diese perfekte Alman Welt.
"In die Geschlossene, wenn du es genauer wissen willst, Bratan"
Sage ich provozierend.
Samra wirft mir einen scharfen Blick zu.
Ich weiss auch nicht was mit mir abgeht,
ich könnte jeden Moment losheulen,
andererseits bin ich durch die Medikamente total ruhiggestellt.
Wie ein Zombie.
"Und ich muss nen Entzug machen"
Füge ich hinzu.
Thomas starrt fassungslos in die Ecke.
Ich sehe wie unangenehm es ihm ist.
Ich sehe dass er nur hier ist weil Mama ihn geschickt hat.
Er ekelt sich förmlich vor mir.
Würd ich auch.
Er schaut die ganze Zeit weg,
Samra redet auf ihn ein.
Versucht Positives aus der Situation zu ziehen.
Aber das gibt es nicht.
Nicht mehr.
Ich bin nicht mal mehr wütend,
traurig,
verzweifelt.
Ich habe es sogar geschafft Layla aus meinen Gedanken zu verdrängen.
Auch wenn das praktisch unmöglich war.
Ich fühle gar nichts mehr.

Auf einmal klopft es an der Tür.
"Noch mehr Besuch?"
Fragt Samra irritiert.
Eigentlich hatte ich mit den Ärzten ausgemacht dass ich nur Besuch von meinem engsten Umkreis empfangen will.
Ich rolle mit den Augen,
aber eigentlich ist es mir scheissegal.
Hält sich sowieso keiner dran.
Die Tür wird langsam aufgemacht,
ein großer Mann kommt herein.
Er ist ziemlich dünn,
trägt dunkle Sachen.
Dunkelbraune Haare mit einzelnen grauen Strähnen.
Samra dreht sich fragend zu mir herum.
Ich kann mich nicht bewegen.
Nein.
Das kann nicht sein.
"Privet, Vladislav"
Sagt er leise,
vorsichtig.
Selbst als ich langsam begreife dass mein seit 16 Jahren und 53 Tagen abgehauener Vater hier lebendig vor mir steht,
merke ich dass in mir alles wie taub ist.
Auch wenn ich gerettet wurde,
wirklich leben tue ich nicht mehr.

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