Zitternd stehe ich am Straßenrand, es ist arschkalt. Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel, sammeln sich auf meinen schwarze Haaren an. "Wo bleibst du?" Zische ich in den Hörer meines Handys, schaue mich nervös um. Auf dem Parkplatz des kleinen Aldis ist nicht viel los, es ist spät. "Ich sehe dich, bleib da wo du bist" Ich lege auf, reibe meine Hände aneinander. Auf einmal spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich lächel gequält. Alpay nickt mir zu. Mal wieder fällt mir auf wie klein er eigentlich ist, etwas kräftig. Ganz in schwarz, die Nike Cap hängt ihm tief ins Gesicht. Er sieht aus wie alles, aber nicht wie einer der gefragtesten Dealer in ganz Berlin. Capi bekommt seinen Stoff schon seit mehr als 4 Jahren von ihm, Alpay verdient gut an ihm. Dafür ist das Zeug immer hochwertig und nicht gestreckt oder so. Ich halte ihm mit zittrigen Fingern einige Scheine hin. Das Geld habe ich zuvor noch aus meiner alten Spardose herausgekratzt, es war jahrelang zusammengespart. "S-So war der Deal, ich geb nicht mehr." Murmel ich mit leiser Stimme, schaue mich wieder ängstlich um. Auf der anderen Seite des Ladens sitzt meine Mutter im Auto und denkt ich wäre im Aldi einkaufen. Sie lässt mich inzwischen nicht mehr alleine raus. "Alles gut, Kleine." Leicht beeindruckt betrachtet er die beachtliche Summe an Geld die ich ihm gegeben habe. Er riecht nach starkem Männerparfüm und kramt in seiner Bauchtasche herum. Er weiss von Capi und mir, die zwei haben ein relativ gutes Verhältnis. Er hat auch von meiner momentanen Situation mitbekommen. Ich nehme gierig die kleinen Tütchen, stecke sie in meinen BH. Ein Glücksgefühl überkommt mich kurz. "Danke" Ich will mich umdrehen. Er räuspert sich. "Eh, Kleine" Ich schaue zu ihm. "Lass den Scheiss, du hast noch alles vor dir, weisst du" Er zündet sich eine Kippe an. Sein Blick ist ernst, er schaut mich an als wäre ich ein kleiner verletzter Welpe. "Musst du gerade sagen" Ich drehe mich um und haue ab. Quer über den Parkplatz, einmal durch den Laden bis vorne zum Eingang. Als ich dort hinaustrete, springe ich zu Mama ins Auto. Sie sitzt am Steuer, sagt nichts. Kontrolliert nur was ich gekauft habe, fährt schweigend los. Ich denke währenddessen über Alpays Worte nach. Er hat Recht, das weiss ich auch selbst. Aber wenns so einfach wäre da rauszukommen würde ich es sofort machen. "Wann hat Zoey eigentlich alles erzählt?" Frage ich auf einmal kühl. Meine Mutter wirkt angespannt. Seit dem Tag an dem alles rauskam ist inzwischen schon eine Woche vergangen. "Ich habe es selbst gesehen" Murmelt sie auf einmal. Verwundert fahre ich herum. "Es war früh morgens, ich habe eine Bekannte besucht die gegenüber einer Shishabar wohnt. Ich saß auf dem Balkon und habe auf einmal dich gesehen wie du auf der Straße standest, halbnackt. Du hast einfach nach vorne gestarrt" Mama atmet schwer. "Und danach bist du zu diesem Kerl ins Auto gestiegen und weggefahren. Ich war total unter Schock. Bin sofort runtergerannt, auf einmal kam Zoey auch aus der Bar und ich habe sie darauf angesprochen. Sie hat mir erst dann alles erzählt." Ich schaue weg. Es war also mehr oder weniger Schicksal.
Wieder zuhause kommt es zu der inzwischen bekannten Kontrolle. Mein Vater durchsucht meine Handychats, Suchverläufe und Kontakte. Alpay habe ich selbstverständlich unter einem Mädchennamen eingespeichert. Logischerweise hat Baba Capis Nummer und die von seinen Freunden als Erstes gelöscht. Ihn auf Insta anzuschreiben bringt aufgrund der ganzen Kontrollen auch nix. Das Gleiche läuft auch mit meinem Laptop ab. Erst dann lässt er mich in mein Zimmer, sagt jedoch nichts. Die ersten Tage herrschte bei meinen Eltern Wut, Fassungslosigkeit. Jetzt ist nur noch diese riesige Enttäuschung da, dieses unendliche Schweigen. Ich bin die verdorbene Tochter, die die vom richtigen Weg abgekommen ist. Die die früher jeden Freitag immer brav mit zur Moschee gekommen ist und jetzt auf einmal ihre Ehre verloren hat. Zainab ist die ganze Zeit mitten drin. Für sie ist es auch hart. Sie steht klar auf meiner Seite, versucht meinen Eltern zu erklären dass das zwischen mir und Capi was Ernstes ist. Das er ein anständiger Mann ist, er hat zwar Probleme aber er ist ein guter Mensch. Aber sie verstehen es nicht. Warum auch. Sein Ruf eilt ihm voraus. Und sie sehen doch auch selber was aus mir geworden ist. Ich bin nicht mehr Layla. Ich weiss nicht wer ich bin.
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