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⏯: Nirvana-All Apologies

Ich bin immer noch fasziniert von der Tatsache wie schnell sich ein Leben um 180 Grad verändern kann. Als würde Gott, das Universum oder was weiß ich versehentlich irgendwas umstoßen. Ein Glas oder so. Einfach so.

Zack.

Schon ist alles anders, und vielleicht passiert es ja gleich nochmal.
Vielleicht die nächsten Jahre auch nicht, vielleicht bleibt ja dann alles so wie es ist.
Man weiß es eben nicht, keiner weiß das. Ich auch nicht, ich kann es manchmal immer noch nicht so recht begreifen ehrlich gesagt.

Das alles hier meine ich. Dass ich seit fast acht Monaten nicht mehr die hohen Plattenbaus Berlins gesehen habe, dass ich nicht weiß wann ich sie wiedersehen werde und dass ich immer noch Angst habe.

Wurde ich nicht hierhin verfrachtet damit diese Angst weggeht? Damit ich als anständige und stabile Vorzeigetochter wiederkehre die nicht mal im Traum eine Kippe auch nur berühren würde? Damit ich weiß wer ich bin und wiederkomme mit dem urplötzlichen Ziel Medizin oder Jura zu studieren um meine Familie furchtbar stolz zu machen?

Ehrlich gesagt ist (zum Bedauern meiner Eltern wahrscheinlich) noch nichts davon eingetreten.
Klar, mir geht es besser.
Ohne die Drogen fühlt man sich irgendwie lebendiger, ein wenig wie ein kleines Kind. Außerdem war es wirklich gut von der ganzen Scheiße zuhause einmal wegzukommen.
Obwohl es zuerst schwer war.

Ich habe jeden meiner Tage seit der Ankunft hier gezählt, Geld versucht zusammenzukratzen um heimlich wieder zurückzufliegen. Aber irgendwann wurde es dann irgendwie besser, ich habe mich darauf eingelassen. Vielleicht weil mir keine andere Wahl blieb, vielleicht aber auch weil meine Psyche so lange auf sowas gewartet hatte.

Das weiß ich leider auch nicht, genau wie das mit dem Leben. Und das ist auch einer der vielen Dinge die mir Angst bereiten : Das ich nie irgendwas wirklich weiß.

Acht Monate, denke ich mir, kaue auf meiner Unterlippe herum und schaue auf die unzähligen Schlaglöcher welche sich auf der sandigen Straße erkennen lassen. Das kann nicht sein, es sind doch nicht schon acht Monate vergangen?

Andererseits. Klar. Irgendwie könnten es auch 12 Monate sein, wenn nicht sogar Jahre.

Erneut schaue ich aus dem Fenster des Autos, Kurbel langsam die Scheibe runter. Ich sehe von weitem wie Salma und Yassir den Imbiss verlassen und grinsend zwei vollgepackte Tüten bei sich tragen.

Nachdem wir uns eben fast eine Stunde mit Yassir über alles Mögliche unterhalten haben, hatten wir Bock auf irgendwas zu Essen und da jede marokkanische Kleinstadt nur so von Imbissen mit Grillhähnchen überflutet ist, mussten wir diese Chance natürlich nutzen.

Ich grinse den Beiden zurück und rücke etwas unsicher mein Shirt zurecht.

Yassir knallt die Tür auf und lässt sich neben mich auf den Fahrersitz sinken. Sofort duftet es im ganzen Auto nach Hähnchen und Pommes.

"Wollen wir hier essen?" Frage ich.

Yassir nickt sofort und packt fast schon ungeduldig das Essen aus.

"Ey wenn ihr die Sitze hier dreckig macht, boxt euch mein Onkel!"

Ruft er lachend, als er sieht wie einige Pommes von Salma auf die Ledersitze runterfallen.

"Ist das nicht dein Wagen?"

Frage ich etwas irritiert und reiße mir ein Stück vom Hähnchen ab.

Er grinst verunsichert und fährt sich durch das lockige, schwarze Haar.

"Nein, leider. Meiner steht in Berlin bei meinen Eltern. Sind die nicht gut mit deinen?"

Fragt er und mustert mich neugierig. Ich zucke mit den Achseln.

"Kann gut sein, die kennen gefühlt jeden Araber in der ganzen Stadt"

Ich grinse breit und er grinst zurück, Salma sitzt schweigend auf dem Rücksitz und schaut auf ihr Handy.
Ich mustere sie kurz.
Jedes Mal vergesse ich dass sie erst 16 ist, sie kommt mir so viel erwachsener vor.
Zumindest mehr als ich, aber das ist auch nicht schwer.
Allein schon wie sie da nur sitzt,
oft still ist und fast schon traurig aussieht.

Ist sie aber nicht, das weiß ich.
Wirklich glücklich vielleicht auch nicht, aber sie ist zufrieden und weiß was sie braucht.
Genau wie Erwachsene es tun.
So stelle ich es mir zumindest vor.

"Layla?"

Yassirs tiefe Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

"Äh...ja?"

"Hast du mir zugehört?"

"Ja hab ich"

Er kichert kurz und wischt sich die Hände an einer Serviette ab.

"Hast du nicht"

"Ok nein, hab ich nicht. Sorry"

Murmel ich und streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Er schaut mir beim Reden immer direkt in die Augen,
ich mag es wenn Leute das tun.
So wie jetzt.

"Du schweifst öfters ab, was?"

"Ja, kann sein"

Dann schaut er weg und blickt geradeaus auf die Straße, vielleicht genau dahin wo ich eben auch hingestarrt habe.

"Kenne ich gut"

Sagt er schließlich und schaltet den Motor des Autos an.
Irgendwie glaube ich es ihm nicht.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 10, 2020 ⏰

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