Kapitel 3

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Ich klingelte Sturm und wippte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Ich musste geistesgestört aussehen, wie ich immer wieder auf den kleinen, runden Knopf drückte. Warum machte sie nicht auf?

"Wer zum Teufel!" Die Tür sprang auf und eine genervte, kleine Frau stand vor mir, die kurz davor schien, mir ihre Meinung zu geigen. Noch im Bademantel gekleidet, zog sie sich diesen fester um den Körper und blickte verdutzt zu mir hoch.

"Evan?" Überrascht fuhr sie sich durch das zerzauste Haar. Entweder hatte ich sie gerade bei etwas extrem Wichtigem oder doch nur beim Duschen gestört.

"Darf ich reinkommen?" Ohne mir zu antworten, öffnete sie die Tür einen Spalt weiter und trat wieder in die Wohnung ein. Ich folgte ihr und ließ mich auf dem kleinen Sofa nieder, auf dem ich schon vor fünf Monaten gesessen hatte.

"Hat dich Rider etwa aus seinem Haus geekelt?", fragte sie und blieb dabei mit ihrem Blick an der Tasche in meiner Hand hängen. "Nein", antworte ich knapp.
"Und was führt dich dann her?" Das laute Geräusch der Kaffeemaschine ertönte. "Willst du auch einen?" Ich nickte und sie stellte eine zweite Tasse darunter.

Die gerade erst dreißig gewordene Frau verschwand in einem Zimmer und kam wenige Minuten später wieder so gekleidet zurück wie ich sie kannte. In Bleistiftrock und Bluse.

"Also, jetzt sag mal, was suchst du hier? Und das so früh am Morgen." Taten hielt ich in diesem Moment wirkungsvoller als Worte. Schweigend zog ich die Mappe aus dem Rucksack, nach der ich schlussendlich doch noch gegriffen hatte, bevor ich Riders Haus endgültig hinter mir gelassen hatte.

Ebenfalls schweigend nahm sie sie entgegen und schob sich die noch etwas feuchten Haare zurück, um das Papier in ihrer Hand nicht nass zu machen. "Er hat es dir also erzählt. Damit habe ich nicht gerechnet."

Ich schluckte die erneute Wut, die drohte sich in mir aufzubauen, einfach herunter und blickte stur geradeaus. Ich musste einen anderen Punkt fixieren, um meine Fassung zu bewahren. Auf Thea loszugehen könnte ich mir nicht verzeihen. "Du wusstest also auch davon?" Erst jetzt bemerkte sie, wie verbittert ich klang. Vielleicht war es auch die Enttäuschung die in meiner Stimme mitschwang und sie schlussendlich aufblicken ließ. "Es tut mir leid, Evan. Ich musste es ihm versprechen, oder soll ich dich an den Tag zurückerinnern, an dem du zum ersten Mal eine Spur hattest und völlig ausgerastet bist, als sie sich als nicht hilfreich erwiesen hatte?"

Ich schnaubte. "Das war doch gar nichts." Empört knallte sie die Mappe auf den Tisch. "Du hast ein Loch in meine Wand geschlagen, Evan! Das nennst du nichts?" Aufgebracht gestikulierte sie wie wild mit den Händen und hörte erst damit auf, als ich mich erhob.

"Tut mir leid. Aber wie ich sehe, konntest du es gut verdecken." Ich wies auf das Bild, das an der besagten Stelle hing. Dabei stand Thea gar nicht auf Kunst.

"Trotzdem, ihr hättet es mir sagen müssen, Thea." Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich bin Anwältin, Evan. Nicht deine Therapeutin. Ich sorge dafür, dass du keine Scheiße baust. Das bin ich deinem Vater schuldig."

Ihre Stimme wurde auf einmal ganz leise. Nur zu gut erinnerte ich mich dran, wie mein Vater sie eingestellt hatte, nachdem sie von ihrem Mann geflohen war.
"Und das schätze ich auch, aber das war einfach nicht fair. Sie ist meine Schwester, Thea." Ich konnte nicht erkennen, woran sie gerade dachte.

"Ich weiß, Evan. Ich kenne Louisiana auch und habe sie in mein Herz geschlossen. Wie könnte man das auch nicht tun, aber diese Aktion könnte dich das Leben kosten und ich habe deinem Vater versprochen, dass das nicht passieren wird." Ich konnte deutlich spüren, wie sie mit sich rang. Sie wusste etwas.

"Bitte, Thea." Flehend blickte ich ihr in die Augen und kam einen Schritt näher. Laut atmete sie aus. "Wehe ich bereue das." Beinahe hätte ich gelächelt, aber dafür war die Situation wohl doch zu heikel.

Sie fing an in einer kleinen Schachtel zu kramen, zog einen Schlüssel hinaus und schloss die Schublade unterhalb ihres Tisches auf. Es dauerte nicht lange, bis sie mir eine braune Akte entgegenstreckte.

Ich öffnete sie und das gleiche Bild wie aus meiner Akte sprang mir förmlich entgegen. "Elenor Wesley. Siebzehn Jahre alt, wohnt seit ihrem zehnten Lebensjahr bei ihrer Tante in New York." Angespannt lauschte ich Theas Worten, während ich die Akte mit meinen Augen scannte. "Nachdem ihre Tante angeschossen wurde, sucht diese einen Bodyguard für ihre Nichte." Ich stoppte und hob den Kopf. "Bodyguard?" Thea schmunzelte. "Ich dachte, dafür könntest du dich bewerben?"

Bodyguard. Konnte ich so etwas überhaupt spielen? "Du glaubst, bei den hundert Bewerbern pro Tag, die diese wohlhabende Familie wohl bekommt, nehmen sie ausgerechnet mich?" Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Thea war doch irre, völlig bescheuert, wenn sie dachte, dass ich das schaffen könnte. "Zu deinem Glück, will diesen Job niemand. Elenor Wesley hat einen Bodyguard nach dem nächsten verjagt. Sagen wir so, sie ist schwierig."

War ja klar. Wieder eine dieser Großstadtzicken die meinte, keinen Beschützer zu brauchen. Thea schaute mich an, als könnte sie deuten, was ich dachte.

"Sie ist nicht eine dieser Großstadtzicken, Evan. Sie ist stumm. Seit dem Tag, an dem ihre Mutter vor ihren Augen ermordet wurde." Ich glaubte Mitgefühl in Theas Stimme mitschwingen zu hören, doch ich verspürte bei dieser Bemerkung nicht weniger Hass für ihre Familie. Auch meine Mutter ist tot.

"Lass mich raten, ihr Vater wohnt nicht bei ihr?" Thea schüttelte den Kopf.
"Nein, aber du hast trotzdem eine gute Chance durch sie an ihn ranzukommen. Wahrscheinlich ist es deine einzige Chance." Es gab nichts, worüber ich noch nachdenken musste.
"Dann schleusen wir mich mal dort hinein."

Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt