Kapitel 7

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Ich strich über das schwarze Jackett, das sich wie angegossen an meine breiten Schultern schmiegte. Wenigstens sah ich aus wie jemand, der Ahnung davon hatte, wie man Leibwächter spielte. Theas dünnen Finger griffen nach meiner Krawatte, die ihr nicht gut genug saß. "Es muss alles perfekt aussehen", erklärte sie und ließ endlich von mir ab. Ich war nervös genug. Ich hörte, wie sie den Koffer zu mir rollte. "Ich habe dir zwei weitere Anzüge eingepackt. Isaac hat so viel davon." Dankbar nickte ich. "Ich bin froh, dass Isaac auf dich aufpasst." Schnaubend rollte sie mit den Augen. "Ich brauche keinen Aufpasser, Evan!" Abwehrend warf ich die Arme in die Luft. "Schon verstanden. Trotzdem beruhigt es mich. Danke, Thea. Du bist die Beste." Ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor ich die Tür öffnete und in den Flur trat. "Pass auf dich auf!", rief sie mir noch ein letztes Mal hinter her.

Der kühle Wind peitschte mir in das Gesicht, als ich die Tür nach draußen öffnete. Sofort roch ich den betörenden Duft von frischem Brot, der von der Bäckerei nur zwei Häuser weiter kam. Ich hatte Lou immer einen frischen Croissant gekauft, bevor ich sie in die Schule bringen musste, obwohl ich lieber ins Kino mit ihr gegangen wäre. Jedoch hatte es schon eine ganze Weile gedauert, bis ich meinen Vater davon abhalten konnte, Lou Zuhause zu unterrichten. Ich wollte, dass sie Freunde fand, die Welt auch mal mit eigenen Augen sah, nicht immer nur die gleichen kahlen Wände und einen verklemmten Lehrer der keinen Sinn für Humor hatte. Wie oft ich mich auch darüber beschwert hatte, nie die Chance auf eine öffentliche Schule bekommen zu haben, konnte ich meinem Vater, jetzt wo er tot war, einfach nicht mehr böse sein. Wie oft hatte ich seine Taten wohl verflucht? Ich konnte mich nicht daran erinnern. An manchen Tagen wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass ich nur noch einmal die Chance dazu bekäme, auf eine langweilige Konferenz mit ihm zu gehen. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Zwanzig vor neun. Ich sollte mir wohl nicht erlauben, an meinem ersten Tag zu spät zu kommen. Wie von selbst streckte ich meine Hand empor und ein gelber Wagen kam vor mir zum Stehen. Ich durfte keine Zeit verlieren.

Ich ignorierte die letzten Worte des Taxifahrers und fixierte das riesige Gebäude vor mir. In meinen Gedanken sah ich, wie es abbrannte, während Wesley persönlich darin frühstückte. Erschrocken von meinen eigenen Gedanken, hob ich meinen Koffer an, um ihn nicht über den steinigen Weg rollen zu müssen. Der große Vorgarten wirkte beinahe schon einschüchternd auf mich und die bunten Pflanzen ließen alles so harmlos wirken. Ich spürte, wie die Anspannung endlich von mir abließ und ich wieder klare Gedanken fassen konnte. Die kleinen Treppenstufen, die zur Haustür führten, waren genauso makellos wie beim letzten Mal. Kein Fußabdruck, kein lästiger Dreck. Ich wischte meine schweißnassen Hände an meiner Hose ab, bevor ich auf den kleinen runden Knopf drückte. In meinen Augen war es ein Wunder, dass sich nicht ein riesiges Tor vor dem Gebäude erstreckte und ich nicht erst einer nervigen Roboterstimme bestätigen musste, wer ich war.

Es war Karen Wesleys Bodyguard, gegen den ich im Zweikampf gewonnen hatte, der mir dir Haustür öffnete und mir zur Begrüßung zunickte. Nach gestern hatte ich erwartet, dass Mrs Wesley ihn feuern würde, aber hier stand er, genauso unsympathisch wie ich ihn in Erinnerung hatte. Mit einer Handbewegung signalisierte er mir, dass ich eintreten sollte. Der breite Flur und der Kronleuchter an der Decke kamen mir heute noch viel gigantischer vor. Lautes Klackern von hohen Schuhen ertönte von Weitem und Mrs Wesley kam zum Vorschein. Prüfend musterte sie mich und nickte anschließend zufrieden.

"Mr. Thomson, Rodger wird Ihnen ihr Zimmer zeigen und ich möchte, dass Sie bitte heute um elf in meinem Büro eintreffen. Dort werde ich Ihnen erklären, wie es weitergeht." Sie wies auf einen Mann, der auf mich wie Mitte fünfzig wirkte, und verschwand mit hastigen Schritten wieder zurück in ihr Büro. Misstrauisch blickte ich ihr hinterher. Dennoch konnte ich ihr schlecht nachgehen, um herauszufinden, was so wichtig war, dass es nicht warten konnte. "Bitte folgen Sie mir." Ich nickte Rodger zu und folgte ihm stillschweigend. Auch das Haus meiner Eltern war groß gewesen, aber im Vergleich hier zu, ähnelte es einem stinknormalen Familienhaus. Familienhaus. Genau das hatte ich mir immer gewünscht.

Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt