Die Scherben auf dem Boden waren wie eine schreckliche Erinnerung. Sie hielt mich gefangen, während ich nachdachte. Ich versuchte jede Erinnerung durchzugehen, die mir von meinem Vater geblieben war, ob er sich verändert hatte. Er war nicht der liebevolle Vater gewesen, der zu jedem Boxkampf gekommen war, aber ein Mörder? Ich konnte mich nicht erinnern, ob er von einem Tag auf den anderen ein anderer gewesen war. Jemand zu ermorden konnte nicht spurlos an einem vorbeigehen. Hatte es meine Mutter gewusst? Ich war wütend auf meinen Vater, aber sollte ich nicht zu ihm halten? Wer wusste schon, ob sich Elenor nicht doch irrte. Aber Thea hatte recht, Elenor hatte jahrelang nicht gewusst, wie der Mörder ihrer Mutter aussah, weil sie so traumatisiert gewesen war. Und das Foto meines Vaters, hatte ihre Erinnerungen zurückgebracht. Das konnte kein Zufall sein.
Die Ermordung meiner Eltern und die Ermordung von Elenors Mutter musste einen Zusammenhang haben. Und hier war er.
"Evan?" Thea streckte mir ein Glas entgegen und ich leerte es in einem Zug. Mein Mund fühlte sich staubtrocken an und zum ersten konnte ich verstehen, wie sich Elenor fühlte. Ich bekam keinen Ton heraus. Ich rappelte mich auf. Ich musste stark sein, für Lou. Sie brauchte mich und ich hatte schon zu lange gewartet.Ich taumelte einen Schritt nach vorne, konnte mich geradeso auf den Beinen halten und bekam das Szenario nicht aus dem Kopf, wie mein Vater kaltblütig eine Frau ermordete. Wofür? Warum hatte er es getan, wenn sich Todd und er doch so gut gekannt hatten? Das alles machte doch gar keinen Sinn. Ich musste herausfinden, wie das alles hatte passieren können. Ich wollte auf etwas einschlagen, denn das Boxen fehlte mir. Dort konnte ich meinen Ärger rauslassen, jede noch so Schlimme Sache, einfach fortschlagen. Aber ich bezweifelte, dass das dieses Mal helfen würde.
Ich griff nach Theas Handy, das einladend auf dem Tisch lag. Sie beschwerte sich nicht, ließ mich einfach machen. Ich durchsuchte ihre Bilder, bis ich eines fand, dass gleichzeitig drohte, mir das Herz herauszureißen und mich auch unglaublich wütend machte. Mit schnellen Schritten war ich bei Elenor, die immer doch wie festgefroren vor der Tür stand.
"Ist er das?" Zögerlich betrachtete sie das Foto und ich konnte sehen, wie sich ihre Augen vor Angst weiteten. Ihre Finger bebten, als sie nickte.
"Hör auf, Evan", sagte Thea scharf, aber ich nahm das Handy nicht aus Elenors Sichtfeld. Elenor sah meinen Vater an, als wäre er ein Monster. Und vielleicht war er das auch gewesen."Hör auf", wiederholte Thea und riss mir das Handy aus der Hand. Ich wollte es mir zurückholen, doch Isaac ging dazwischen.
"Ich habe einen Code gefunden. Er ist verschlüsselt. Ich rufe dich an, sobald ich ihn entschlüsselt habe. Mehr ist auf dem Chip nicht drauf. Tut mir leid, Evan. Ich denke, ihr beide solltet jetzt gehen. Wenn ich bis morgen nichts habe, können wir auf Plan B zurückgreifen." Es war keine Bitte und zum ersten Mal hörte ich auf Isaac. Ich brauchte meine Ruhe, musste nachdenken. Ich wollte Elenor mit mir ziehen, doch sie wich aus und lief alleine voraus, ohne auf mich zu warten."Evan!"
Ich schreckte auf. Schon wieder vollkommen verschwitzt. Ich zog mir das Shirt über den Kopf und trat ans Fenster um es zu öffnen. Man konnte nur leicht einen Blick auf die Lichter der Häuser hinter dem Wald erhaschen. Hier war man vollkommen abgeschottet, wahrscheinlich war es Absicht gewesen. Hier konnte man die Presse schon von Weitem hören und die Tore schlossen sich in Sekunden.Irgendwo da draußen war Lou. Sie musste irgendwo dort sein, versteckt, verängstigt. Und es brachte mich um den Verstand, sie in den Klauen dieses Kerls zu wissen. Es war nicht Elenors schuld, dass ihr Vater nun einmal ihr Vater war. Genauso wenig wie auch ich mir meinen Vater hatte aussuchen können. Ich konnte ihre plötzliche Distanz nachvollziehen. Schon oft hatte ich gehört, dass ich meinem Vater ähnlich sah. Jedenfalls wenn man länger hinschaute. Selbst ich hatte Vorurteile gehabt, als ich Elenor das erste Mal gesehen hatte. Ich hatte den gleichen Hass verspürt, den ich auch bei ihrem Vater verspürt hatte. Doch Elenor war kein bisschen wie ihr Vater. Sie war die unschuldigste Person, die ich kannte. Und ich wollte, dass das so blieb. Niemals sollte sie so werden, wie ihr Vater. Und ich sollte, so wie es schien, lieber auch nicht so werden, wie meiner.
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Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit
Mystery / ThrillerBAND 1 Seine Schwester entführt von dem meist gejagten Verbrecher Amerikas. Seine Eltern vor seinen Augen ermordet. Evan will nur noch eins: Seine Schwester aus den Fängen der Dunkelheit befreien und Rache nehmen. Er hat nur eine Chance. Doch wird e...