Ich rückte mir mein Hemd zurecht, bevor ich klingelte. In mir herrschte eine unglaubliche Anspannung. Ich musste mich zusammenreißen, niemandem die Beschimpfungen an den Kopf zu werfen, die ich schon seit Monaten in mir trug. Ich vernahm, wie sich schnelle Schritte der Haustür näherten, ehe sie geöffnet wurde und eine Frau, in einem engen Kleid und frisierten Haaren, vor mir stand. Es war Karen Wesley. Elenor Wesleys Tante. Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen, auch wenn sich ganz andere Gefühle und Gedanken einen Weg in meinen Kopf bahnten.
Gefühle und Gedanken, die sie nicht erahnen konnte."Mr. Thomson, kommen Sie doch herein." Erst jetzt erkannte ich einen gut gebauten, großen Mann, der sich direkt hinter ihr wie eine Mauer aufgebaut hatte. So wie der Mann aussah, kam das Thema Schutz in Karen Wesleys Haus sicher nicht zu kurz.
Auch ihm schenkte ich das unschuldigste Lächeln, das ich erzwingen konnte und vor dem Spiegel geübt hatte. Obwohl er keine Miene verzog, wusste ich, dass ich in seinen Augen keine Gefahr darstellte. Wie von selbst entfernte er sich ein Stück und folgte uns mit einem gewissen Abstand. So leicht war es also, eine große Lüge aufzutischen. Meine Mutter hatte mir immer gesagt, wie sehr ich die Leute doch mit meiner Ausstrahlung verzaubern und vor allem manipulieren konnte. Nicht nur einmal hatte mein Vater diese Fähigkeit ausgenutzt. Der Gedanke an sie, ließ die angestaute Wut wieder in mir aufkochen.
Mrs. Wesley öffnete die Tür eines Arbeitszimmers und bat mich hineinzutreten. Augenblicklich ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, um keinen potentiellen Hinweis, der meiner Schwester das Leben retten könnte, zu übersehen.
"Nehmen Sie doch Platz." Sie wies auf den Stuhl der ihrem gegenüber stand und nur durch einen großen Tisch einen Sicherheitsabstand zwischen uns brachte. Ich kam mir vor wie ein Profi, als ich mich auf den Stuhl niederließ und ihr mit meinem Pokerface entgegenstrahlte. Sie musste mich wirklich für ganz harmlos halten, und dabei war ich dazu bereit, jedem verdammten Menschen weh zu tun, nur um Lou zu retten. Vielleicht war ich nicht auf dem gleichen Kampfniveau wie der Riese hinter mir, aber auch ihn könnte ich im Notfall bewusstlos schlagen. Meine Denkweise erschreckte mich nicht annähernd so sehr, wie ich erhofft hatte. Wenn es um Lou ging, verschwanden wohl all meine menschlichen Gefühle.
Ich achtete auf meine Haltung. So wie es mir mein Vater immer beigebracht hatte. Mein Rücken war vollkommen durchgestreckt und das nicht nur, weil ich doch eine gewisse Aufregung in mir verspürte, sondern weil ich den bestmöglichen Eindruck hinterlassen wollte. Mein Vater hatte immer gesagt: "Wie du dich präsentierst ist wichtiger als du denkst. Die Menschen müssen dich für jemanden halten, der genug Ahnung und Verstand hat, um etwas Großes zu bewirken." Und hier war ich und spielte jemanden, der ich gar nicht war.
Thea hatte mich nicht umsonst auf diesen Tag vorbereitet und mir gezeigt, dass diese Frau wirklich nur die geeignetsten und vornehmsten Männer für ihre Verteidigung nahm. Ihr war jedes noch so kleinste Detail wichtig.
"Also, Mr. Thomson. Sie sind einundzwanzig Jahre alt und haben eine gute Ausbildung zum Leibwächter genossen. Sie waren mit Abstand der beste aus der gesamten Gruppe."
Auch wenn ich nichts von solch einer Ausbildung genossen hatte, erhielt ich meine Mauer aufrecht und nickte selbstbewusst. Ich war ein guter Kämpfer und das auch ohne Ausbildung. Nicht umsonst hatte mir mein Vater den Umgang mit Waffen beigebracht. Ich war bereit für das hier. Ich musste bereit sein."Wieso haben sie sich für diesen Job entschieden?" Sie nahm den Blick von der Akte und schaute mich nun direkt an. Der Zeitpunkt war gekommen. Jetzt musste ich überzeugend sein.
"Wie Sie schon sagten, war ich der allerbeste in meinem Team. Ich habe den Ehrgeiz und vor allem auch die Fähigkeit jeden zu beschützen, der auf meine Hilfe angewiesen ist. Ich denke, dieser Job wird schnell zeigen, was meine wahre Berufung und Stärken sind. Ich versichere Ihnen, ich kann Ihre Nichte beschützen wie es sonst niemand könnte."
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Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit
Mystery / ThrillerBAND 1 Seine Schwester entführt von dem meist gejagten Verbrecher Amerikas. Seine Eltern vor seinen Augen ermordet. Evan will nur noch eins: Seine Schwester aus den Fängen der Dunkelheit befreien und Rache nehmen. Er hat nur eine Chance. Doch wird e...