Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit

Kapitel 31

Elenor

Ich schreckte auf. Gejagt in meinen Träumen und verschwitzt zurück in meinem Bett. Das T-Shirt das ich trug, war durchnässt und klebte unangenehm an mir. Rasch zog ich es mir über den Kopf und spürte, wie ein leichter Luftzug meinen nackten Oberkörper umhüllte, wie eine kalte Decke, die Tagelang draußen gelegen hatte.

Müde rieb ich mir über die Augen und warf einen Blick aus dem Fenster. Dort war nichts, bis auf die Dunkelheit, die mich nicht einmal erkennen ließ, ob das laute Autotürklatschen von Evan kam, der gerade von seinem freien Tag zurückkehrte.
Ich traute mich nicht, aufzustehen und das Licht anzumachen, wollte aber auch nicht wieder einschlafen und meinen Alpträumen ausgeliefert sein.

Es war lange her, dass ich so lebhaft von meiner Mutter geträumt hatte. Dass ich von dem Tag geträumt hatte, an dem meine Familie in zwei Teile brach. Zwei Teile, die nie wieder zueinanderfinden würden, ganz egal wie sehr sich ein kleines Mädchen auch darum bemühte.

Ganz automatisch, berührte ich die kleine Narbe auf meiner Nase und glaubte, wieder die Hände zu spüren, die mich zu Boden geschubst und den tiefen Schnitt verursacht hatten. Tief atmete ich ein und wieder aus und versuchte die wenigen Erinnerungen, die mir von diesem Tag noch geblieben waren, zu verdrängen.
Ich wollte nicht wieder denselben Schmerz spüren. Und auch nicht diese Furcht.

Hellwach wartete ich darauf, dass die Sonne aufging. Die hellen Strahlen die mich sonst weckten, blendeten mich heute und sorgten dafür, dass ich schneller aus dem Bett kam, als sonst.
Frisch geduscht und angezogen, beeilte ich mich, um Louis nicht warten zu lassen. Ich hatte mir Zeit gelassen und die Uhrzeit vergessen.

Ich war überrascht, als ich Louis sah, der mich schnell zu sich winkte. Er war in Eile.
Es war seltsam, dass Evan nicht bereits im Wagen auf mich wartete. Der Platz neben mir war leer.

"Evan ist noch nicht da. Entschuldige für die Eile, Elenor. Ich wollte nur nicht, dass deine Tante davon Wind bekommt."
Evan war nicht da und Louis deckte ihm den Rücken? Hatte ich etwas verpasst?
Viel wichtiger war aber die Frage, warum Evan noch nicht da war. Er war sonst immer pünktlich und wirkte auf mich, als könnte er es sich nicht leisten, diesen Job zu verlieren. Wo war er also?

Hatte er sich in irgendeiner Bar die Kante gegeben und wusste jetzt immer noch nicht, wo links und rechts war? Ich schämte mich ein weinig für meine Gedanken. Es könnte auch eine familiäre Angelegenheit sein. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, er hätte einfach Abstand von dem stummen Mädchen gebraucht, das ich nun einmal war. Und ich wusste auch nicht ganz, warum mich das so störte. Es wäre nichts Neues. Und auch schon lange nichts mehr, über das ich mir den Kopf zerbrach.

Die anderen Bodyguards hatten sich schließlich auch für nichts mehr als ihren Job interessiert. Nur seit dem Kuss, hatte Evan etwas anderes als die Bodyguards zuvor bekommen. Noch nie war ich einem von ihnen zuvor so nah gekommen.

Bella war aufgedrehter als sonst. Aufgeregt erzählte sie mir von ihrem Date mit einem Sportler aus unserer Parallelklasse. Er hatte sie sogar schon für den Abschlussball gefragt. Ich freute mich wirklich für sie, konnte mich dennoch aber kaum auf ihre Worte konzentrieren.

"Und? Mit wem willst du hingehen?" Ich zuckte mit den Schultern.
Ich kannte bisher noch nicht viele. Außerdem wusste ich nicht mal, ob mir meine Tante überhaupt erlauben würde, zu diesem Abschlussball zu gehen. Ich würde dafür kämpfen, auch wenn ich mich am liebsten selbst unter meiner Bettdecke verkriechen würde, weil ich nicht glaubte, dass mich irgendjemand fragen würde.
Sicherlich dürfte ich auch nicht ohne Evan gehen, und ich fände es seltsam, wenn er die ganze Zeit neben mir und einem Typen Wache halten würde.
Der Tag wurde auch nicht besser, als uns die Lehrerin mitteilte, dass wir auf einen Ausflug gehen würden. Alle freuten sich, nur ich nicht. Und das hatte einen Grund, der viel tiefer ging als der meine Stummheit.