Elenor
Zum ersten Mal sah ich, wie Evan weinte. In all den Wochen, die ich ihn jetzt kannte, hatte ich ihn niemals so erlebt. Und dass er so für seine Schwester weinte, ließ auch mich sentimental werden. Sie sah ihm ähnlich und ich wünschte, ich könnte auch so glücklich darüber sein, meinen Vater nach langer Zeit endlich wiedergefunden zu haben. Aber das hatte ich nicht. Ich hatte ihn verloren.
Und ich konnte ihm nicht verzeihen, was er Evans Familie angetan hatte.Trotzdem war es eine Art Befreiung, endlich die ganze Wahrheit zu wissen. Dieses Ungewisse hatte mir vor vielen Jahren die Stimme geraubt und die Fähigkeit mehr als Enttäuschung und Trauer zu verspüren. Evan so mit seiner Schwester zu sehen, löste jedoch ganz andere Gefühle in mir aus. Ich war glücklich, weil er glücklich war. Und ich wünschte ihm, dass er es auch immer bleiben würde. Aber auch wollte ich selbst glücklich werden, denn ich hatte ebenfalls eine Familie, für die ich dankbar sein sollte. Und das war ich. Natürlich schmerzte es in meiner Brust, wenn ich an meinen Vater dachte, der all diese Schlimmen Dinge getan hatte. Aber ich war bereit, alles dafür zu geben, um nicht die gleichen Fehler zu begehen.
Ich war noch jung, sagte ich mir immer wieder. Ich würde irgendwann mit dem Schmerz umgehen können, auch wenn ich nicht schon morgen aufhören würde, darüber nachzudenken, das meine Mutter für ihre Güte gestorben war. Nur, weil sie das richtige tun wollte.
Mein Vater kam tatsächlich ins Gefängnis. Natürlich gab es noch einen Prozess, aber zu gewinnen, war selbst für den besten Anwalt nicht möglich. Meine Tante war entsetzt, als wir an diesem Morgen zurückkehrten, mit einem Mädchen auf Evans Armen und einer Geschichte, die selbst sie zu Tränen rührte. Natürlich wollte sie ihren Bruder immer noch nicht aufgeben, doch sie war Evan gegenüber fair. Nicht nur das, sie schüttelte ihm die Hand, mit einer Entschuldung, die nicht echter hätte sein können.
Sie weinte, doch sie war auch erleichtert, als sie mich in die Arme schloss und ich die ersten Worte seit Jahren zu ihr sagte. Ich weinte mit ihr. Ich dankte ihr. Denn das hatte ich viel zu selten getan.
Sie hatte mich aufgezogen wie eine Mutter.Evan
Ich war überwältigt. Einen Tag waren Lou und ich noch bei der Familie Wesley geblieben, doch es wurde Zeit, zu gehen.
Die kühle Brise draußen war angenehm auf der Haut. Ich trug keinen Anzug, sondern nur eine Jeans mit einem Shirt. Lou hatte etwas von Elenor bekommen, dass sie schon ewig nicht mehr getragen hatte und Lou dennoch viel zu groß war.
Ich war so überglücklich, spürte, wie ich endlich wieder atmen konnte.
Thea parkte das Auto und stieg mit offenen Armen aus.
"Ich bin so froh, dass es euch gut geht", sagte sie und schloss mich in ihre Arme, ehe sie den blick nicht von dem kleinen Mädchen nehmen konnte. "Lou", wisperte sie mit Tränen in den Augen und schloss sie so fest in die Arme, dass meine Schwester nicht vor Schmerz, sondern vor Glück weinte. Und es tat mir immer noch weh, sie so aufgelöst zu sehen. Die Nacht war nicht gewesen, wie die anderen, die wir gemeinsam verbracht hatten, um die Sterne anzusehen. Aber ich hatte auch kein Auge zugemacht, um mich zu vergewissern, dass Lou auch noch am Morgen bei mir sein würde. Und um für sie da zu sein, denn nicht nur eine Träne war geflossen."Danke, Thea. Für deine Hilfe." Sie strich mir durch die Haare.
"Wehe ihr kommt mich nicht besuchen", schniefte sie.
"Komm du uns dann aber auch besuchen", sagte ich und tätschelte sanft ihre Schulter.Dominik trat humpelt, noch geschafft vom gestrigen Tag, wenn auch verarztet, zu uns hinaus. Elenors Tante hatte nichts davon gewusst, dass er nebenbei auch noch für ihren Bruder arbeitete, aber sie hatte ihn wegen seiner guten Dienste nicht an die Polizei verraten, wenn er auch seinen Job los war.
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Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit
Misteri / ThrillerBAND 1 Seine Schwester entführt von dem meist gejagten Verbrecher Amerikas. Seine Eltern vor seinen Augen ermordet. Evan will nur noch eins: Seine Schwester aus den Fängen der Dunkelheit befreien und Rache nehmen. Er hat nur eine Chance. Doch wird e...