Kapitel 26

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Ich hatte Glück. Louis, der soeben noch Elenor und mich zur Schule gefahren hatte, erklärte mir, dass er noch einmal in Mrs Wesleys Auftrag losmusste und mir keine Gesellschaft leisten konnte. Damit war mein Plan, wie ich in der Zeit, während Elenor in der Schule saß, zu Francais und Thea kommen sollte, ohne dass Louis misstrauisch wurde, Nebensache geworden.

Ich wippte ungeduldig mit dem Fuß im Taxi. Das Warten hatte mich beinahe meinen Verstand gekostet. Ich wollte endlich wissen wo Lou war. Ich musste sie nach Hause holen.

"Stimmt so!" Ich drückte dem Taxifahrer das Geld in die Hand und er bedankte sich für das großzügige Trinkgeld, von dem ich nicht einmal selbst wusste, wie viel es war. Ich war schon längst ausgestiegen, joggte die wenigen Stufen hoch und klingelte. Auch nach dem vierten Mal, rührte sich nichts. Warum verdammt, machte er mir nicht auf? Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe. Ich hielt diese Anspannung in mir nicht mehr länger aus. Immer wieder war da dieses unangenehme Kribbeln, das meinen Arm hochschoss. Ich hämmerte gegen die Tür. Immer und immer wieder. Wenn Francais weg war und mich nur verarscht hatte, konnte er was erleben! Sein Name nahm in diesem Moment einen Platz auf meiner Racheliste ein.
Ich ließ mich auf die oberste Treppenstufe sinken und vergrub meine Hände in meinem Haar. So ein Mist! Er hatte mir gesagt, ich sollte wiederkommen. Also wo zum Teufel war er?

Ein Taxi hielt am Straßenrand und eine ältere Dame stieg aus. Sie stieg die Treppen hinauf, richtete ihre Brille und erschreckte sich, als sie mich entdeckte. "Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?" Sie war so klein, dass wir sogar fast auf Augenhöhe waren, obwohl ich saß. Durch ihre freundlichen Augen schaute sie mich an. Das war meine Chance. "Ich bin hier neu bei meinem Kumpel eingezogen. Ich habe meinen Schlüssel stecken lassen und mich somit ausgesperrt. Ich muss nur irgendwie in meine Etage kommen." Ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. "Das ist mir auch schon mal passiert. Keine Sorge, ich habe einen Schlüssel."
"Vielen Dank! Kommen Sie, ich nehme Ihnen die Tüte ab", sagte ich und trug ihre Einkaufstüte bis zu ihrer Wohnung. "Vielen Dank, junger Mann", bedankte sie sich. Ich hingegen, konnte mein Glück kaum fassen.

Ich nahm die Treppe bis zu Francais Wohnung, in dessen Schloss natürlich kein Schlüssel steckte. Nein, es war sogar noch leichter. Die Tür zu seiner Wohnung stand einen Spalt weit offen. Misstrauisch und kampfbereit, trat ich ein und entdeckte sofort die Blutspuren auf dem Laminat. Eine Vermutung machte sich in mir breit. Ich folgte den unübersehbaren Blutspuren vom Flur bis ins Schlafzimmer und zögerte kurz, bevor ich die Tür öffnete. Der metallische Geruch stieg mir sofort in die Nase, und als ich Francais in seiner eigenen Blutlache liegend auf dem Boden, mit weit geöffneten Augen und einer Schussverletzung im Bauch entdeckte, trat ich fluchend gegen die Kommode. Ich war zu spät! Sie hatten ihm nichts verraten wollen. Sie hatten ihn einfach kaltblütig ermordet! Und Francais war darauf hereingefallen. Vielleicht, hatte er es schon geahnt. Aber es hatte nichts daran geändert, dass er tot war. Der einzige Mensch, der mir verraten hätte können, wo meine Schwester war, war tot.

"Verdammt! Verdammt! Verdammt!" Es waren nicht die einzigen und nicht ansatzweise die schlimmsten Flüche die meinen Mund verließen.
Keine Panik, Evan. Denk nach.
Ich hatte noch die Chance auf diese Akte, von der Elenor gesprochen hatte. Ich war nicht wieder am Anfang. Ich hatte wenigstens etwas, an dem ich festhalten konnte.
Francais hatte mir helfen wollen. Er hatte bis zur letzten Sekunde versucht, etwas Gutes zu tun. Auch wenn ich ihn nicht wirklich gekannt hatte, tat mir seine Familie, die wahrscheinlich nichts von seinen Verbrechen wusste, leid. Wie konnte man auf so etwas vorbereitet werden? Darauf, dass ein Mensch nicht der war, der er vorgab zu sein. Seine Familie verdiente es zu wissen, was er für mich getan hatte, aber sie würden es vermutlich nie erfahren.
Ich kniete mich zu ihm hinunter und schloss seine Augen mit meinen Fingern. So sollten sie ihn nicht sehen. Denn ich wusste wie es war, in die leblosen Augen der Menschen zu sehen, die man liebte.

Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt