Kapitel 37

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"Warum hast du sie hergebracht, Evan? Bist du lebensmüde? Hör zu, ich versteh ja, dass sie ziemlich hübsch ist und du sie gerne magst, aber das ist-"

"Sie weiß es." Thea hielt inne und schaute mich aus vor Schreck geweiteten Augen an. "Was?" Ihr heftiger Schlag gegen meine Schulter kam unerwartet. Theas sonst so ruhige Art verpuffte augenblicklich, und zurück blieb eine aufgewühlte junge Frau, die verzweifelt versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, was mich aus diesem Schlamassel ziehen würde. Neben der Möglichkeit Elenor einzusperren, waren nur noch andere übrig, die mir genauso wenig in meinen verdammten Kram passten. Wenn es überhaupt etwas gab, was gerade gut passte. "O Mann, Evan. Wir sitzen ganz schön in der Scheiße, das weißt du, oder?"

Sie warf einen Blick zurück auf Elenor, die wir ganz alleine im Wohnzimmer zurückgelassen hatten, nachdem mich Thea sofort in die Küche gezerrt hatte.

Elenor hatte auf der Couch Platz genommen. Mit den Händen im Schoß und einer vollkommen verkrampften Haltung, zählte das sicher nicht zu ihren Top Ausflügen. Sie wirkte auf mich wie ein verschrecktes Reh, das kurz davor war, einfach loszurennen. Ich konnte ihr ansehen, dass sie darüber nachdachte. Immer wieder schweifte ihr Blick zur Tür, während sie die Hände aneinander rieb.

"Ich weiß, Thea. Glaub mir, ich weiß. Aber ich hatte keine andere Wahl als sie herzubringen. Ich habe keine Ahnung, wie sie auf diese Internetseite gekommen ist."
"Internetseite?"
"Ja, auf einmal hatte sie diese Webseite geöffnet, und da stand einfach alles was mich verraten kann. Ich weiß verflucht noch mal nicht, wie das passieren konnte. Ich hatte so einen verdammt hohen Betrag an die Presse gezahlt, damit sie nichts veröffentlichen. Ich bin so rasend vor Wut, Thea."
Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte mich bei bestem Willen zu beruhigen.

"Irgendjemand von der Firma meines Vaters hat geplappert, und ich könnte wetten, dass es Jeffrey war. Ich werde ihn erledigen." Ich wusste, Thea wünschte sich, meine Worte wären nur leere Drohungen, aber ich hatte langsam die Nase voll. Ich musste die Sache endlich vollends in meine Hände nehmen und mich nicht von anderen Gefühlen leiten lassen, die nichts mit Lou zu tun hatten, ganz egal wie stark ich auch dagegen ankämpfen müsste.

"Jetzt beunruhige dich erstmal, Evan. Wir müssen jetzt eine Lösung finden. Also, wie sollen wir das jetzt in Ordnung bringen? Wird sie irgendjemanden davon erzählen?"
"Ich weiß es nicht." Ich seufzte verzweifelt. "Ich weiß es nicht."
"Hat sie irgendwie, in irgendeiner Weise angedeutet, was sie jetzt vorhat?"
"Bis auf ihre schreckliche Angst vor mir, hat sie nichts angedeutet", erklärte ich trocken. Ich hörte mich verbitterter an, als ich es beabsichtigt hatte.

Ich raufte mir die Haare und blickte Thea einfach nur an. Ich steckte all meine Hoffnung in sie und ihrem unglaublichem vermögen, die Dinge wieder gerade zu biegen. Aber dieses Mal war sogar sie sprachlos.

"Bevor du etwas sagt. Ich habe auch schon die Charme-Karte ausgespielt. Sie vertraut mir nicht mehr." Ich dachte an unseren Kuss. An unsere Küsse in ihrem Bett, und wie alles danach den Bach runtergegangen war.

Ich konnte immer noch diesen Druck auf meiner Brust spüren, der nur noch stärker wurde, bei dem Verlangen, sie wieder küssen zu wollen, das augenblicklich wieder da war.

Mit einem sanften Schubser, gab Thea wieder die Richtung an. Und diese führte uns geradewegs zu Elenor, die immer noch verloren auf der Couch saß. Ich war erleichtert, dass sie nicht versucht hatte, abzuhauen. Sie gewaltsam wieder einfangen und zurückzerren zu müssen, hätte ihren Hass auf mich nur noch verstärkt.

"Möchtest du einen Kaffee?", bot ihr Thea an. Elenor schüttelte nur den Kopf und würdigte keinen von uns auch nur eines Blickes. Sie war wütend, enttäuscht. Ich hatte keine Ahnung, was sie war. Und das Gefühl, das die Ungewissheit in mir auslöste, war einfach nur schrecklich.

Theas pädagogische Art, wie sie mit Elenor kommunizierte, machte es nicht besser.

"Sie ist kein kleines Kind", wisperte ich Theas ins Ohr und musste wieder daran denken, wie Elenor auf mir gelegen und sich ohne Zögern mir hingegeben hatte. Sie war definitiv kein kleines Kind mehr. Ich öffnete den obersten Knopf meines Hemdes und ließ meine Hände in meiner Hosentasche verschwinden. "Ein Wasser?", versuchte es Thea weiter und bekam dieses Mal nicht mal eine Reaktion von dem Mädchen ihr gegenüber.

Sie befüllte trotzdem eines der Gläser und stellte es vor Elenor auf dem kleinen Beistelltisch ab.

Sie nahm neben ihr Platz und deutete mir, auf der anderen Seite das gleiche zu tun. "Elenor, richtig?" Ein leichtes Nicken von Elenor, entlockte Thea einen zufriedenen Laut. "Ich weiß nicht, was du weißt und was Evan dir erzählt hat, aber wir haben nicht vor, deiner Familie wehzutun." Ein missbilliges Schnauben entwich Elenors Kehle.

Nachdem ich ihr von meiner geplanten Rache an ihrem Vater erzählt hatte, war es kein Wunder, dass sie Thea kein Wort glaubte. So würden wir niemals zu ihr durchdringen. Das Kuscheltier, das ich vor wenigen Tagen Thea überlassen hatte, saß am anderen Ende der Couch, aufrecht und so, als würde Lou gleich aus dem nächsten Zimmer springen, sich neben mich auf die Couch fallen lassen und damit kuscheln. Ich streckte mich und bekam es zu greifen. "Das gehört meiner Schwester", kam es mühsam über meine Lippen. "Sie hat jede Nacht damit gekuschelt. Ich habe es in einem Gebäude gefunden, das ich durch einen Tipp als den Aufenthaltsort meiner Schwester und ihren Entführern, identifizieren konnte." Ich machte eine kurze Pause. Elenor schaute mich nicht an. "Das Zimmer hatte einige Blutflecken auf dem Boden. Schwere Ketten und Handschellen, mit denen sie Lou..." Ich konnte nicht weitersprechen. Die Worte blieben mir im Hals stecken. "Aber meine Schwester war nicht mehr dort.'

Elenor hob ihren Blick. Aus tränengefüllten Augen blickte sie mir entgegen.
"Ich muss sie finden. Sie ist mein ein und alles. Verstehst du? Und ich brauche deine Hilfe."

Elenor suchte nach ihrem Handy und zog es aus ihrer Hosentasche.
"Wie soll ich dir dabei helfen?" Wie von selbst fiel mein Blick auf die Kette, die ihren Körper schmückte. Mit ihren Fingern umgriff sie den wertvoll aussehenden Anhänger.

"Wenn das wirklich wahr ist, was du mir erzählst und mein Vater wirklich" Ihre getippten Wörter hörten auf, bevor sie es auch nur ausschreiben konnte. "Bist du sicher, dass es mein Vater war?" Ich konnte ihren flehenden Blick aufnehmen. Ein Flehen, das ihrem Vater galt.
Dass er kein kleines Mädchen entführt und Leute ermordet hatte. Alles in mir zog sich schmerzhaft zusammen, als ich nickte und der letzte Funken aus ihren Augen erlosch.

"Gibst du uns deine Kette und hilfst uns?", fragte Thea vorsichtig. Elenors Blick schweifte zwischen uns hin und her.
Ihre Finger über dem Display blieben bewegungslos. Dann tippte sie.
"Ich brauche kurz Zeit zum Nachdenken." Völlig aufgelöst, stand sie auf und sprintete aus der Wohnung. Ich ging ihr nicht hinterher. Alles was mir am Herzen lag, lag nun in ihren Händen. Ihre Entscheidung. Und ich wusste, jetzt war der Zeitpunkt gekommen, auch für mich einmal zu schweigen und somit dennoch alles zu geben, was in meiner Macht stand. Und noch außerhalb von dieser.
Ich spürte Theas Hand, die kurz über meinen Oberarm strich.
"Sie wird sich richtig entscheiden. Gib ihr Zeit."

5k!!!! Dankee
Und falls hier auch Leser von meinen Büchern Tattooed Monster und Prisoned M dabei sind, bedanke ich mich für über 200k und 100k! Danke!

Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt