Kapitel 32

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Von F.

Es gab nur eine Person, von der dieses Paket stammen könnte. Ich schloss die Tür hinter mir ab und setzte mich bequem aufs Bett. Meine Schultern waren verspannt. Und das nicht davon, dass ich Elenor den halben Nachmittag auf dem Fahrrad geschoben hatte.

Unvorsichtig riss ich das Paket auf und der Inhalt fiel mir einladend auf den Schoß. Der schwarze Stick fiel mir als erstes ins Auge.
Dennoch griff ich als erstes nach dem weißen Briefumschlag, der ebenfalls mit einem großen F. beschriftet worden war.
Rasch und unvorsichtig, riss ich beinahe den Umschlag entzwei. Ich hatte zum Glück doch nur die rechte obere Ecke vom Papier mit abgerissen.

Die Zeilen in schwarzer Tinte sahen für mich erst aus wie ein großes Labyrinth aus Buchstaben, bis sie sich langsam aber sicher ordneten und ich nur noch einmal die Augen fest zusammenkniff und wieder öffnete, bevor ich es lesen konnte.

Ich schicke dir dieses Paket zu, im Falle, dass sich meine Befürchtung bestätigt. Wesley vertraut mir nicht mehr, da bin ich mir ganz sicher. Seine Männer verhalten sich seltsam mir gegenüber und ich weiß, dass sie den Befehl haben, sich um mich zu kümmern. Ich werde mich nicht verstecken, denn ich weiß, dass es nichts nützt. Trotzdem muss ich versuchen, noch das eine richtig in meinem Leben zu machen. Ich weiß nicht genau, was sich auf diesem Stick befindet, aber ich bin mir sicher, dass Wesley schon längst weiß, dass ich ihn aus seinem Büro entwendet habe. Die Adresse findest du auf der Rückseite des Papiers. Sie wird dir aber dennoch nichts bringen. Wesley und seine Männer sind wieder umgezogen und mir wurde, wie du dir vielleicht denken kannst, nicht mitgeteilt, wohin. Du wirst dort nichts mehr auffinden, denn Wesley hinterlässt keine Spuren.
Der Stick muss für Wesley wertvoll gewesen sein und er hat etwas mit dir zu tun, da bin ich mir ganz sicher.
In all den Jahren, in denen ich für Wesley gearbeitet habe, konnte ich ein paar Gespräche über Elenor und eine Kette belauschen. Jedes Mal kam auch dein Familienname Standlers vor. Was das genau bedeutet, das musst du wohl selbst herausfinden. Mehr hat er nämlich nie gesagt. Und mehr Informationen habe ich nicht.
Ich hoffe inständig, du findest deine Schwester.
Viel Glück.
F.

Francais hatte es geahnt. Und er hatte sich nicht verkrochen und mich im Stich gelassen. Wie hoch ich ihm das anrechnete, könnte ich ihm wohl nicht mehr sagen. "Verdammt", fluchte ich, als ich realisierte, dass ich keinen Laptop hier hatte. Elenors zu benutzen, wäre zu riskant. Ich musste also erneut an einem Arbeitstag verschwinden. Nur gut, dass Mrs Wesley nicht da war. Ich könnte ungesehen verschwinden und wiederkommen, ohne dass überhaupt jemand bemerken würde, dass ich weg war.

Ich ließ den Stick in meiner Hosentasche, und den gefalteten Brief in meiner anderen, verschwinden und eilte nach draußen auf den Flur.
Genau dort verpuffte das Adrenalin, das mich Sekunden zuvor noch angetrieben hatte, auf der Stelle.

"Es tut mir leid, Elenor. Dominic hat gerade angerufen. Deine Tante wurde ins Krankenhaus eingeliefert."
Elenor wich die Farbe aus dem Gesicht und sie taumelte in Richtung Tina, als könnte sie sich kaum auf den Beinen halten. Es war erschreckend, wie sehr dieses Mädchen mich an mich selbst erinnerte, als ich in Lous Zimmer gestürmt war und wusste, dass sie weg war. Die Ungewissheit, wie es ihr ging, hatte mich schon in diesem Moment aufgefressen. Es hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen.

Elenor fiel in Tinas Arme und ließ sich von ihr nach draußen begleiten. "Louis wird dich und mich ins Krankenhaus fahren. Ich bin mir sicher, es geht ihr gut." Elenor nickte benommen. Sie nahm mich am anderen Ende des Flurs gar nicht wahr.
Tina schon. Sie fragte mich jedoch nicht, ob ich sie begleiten wollte. Das war nicht meine Familie und ich würde nur stören. Und so schrecklich es sich auch ankörte, ich war erleichtert darüber, nicht länger das angsterfüllte Gesicht von Elenor zu sehen. Viel zu sehr erinnerte es mich an das, was noch immer ganz tief schmerzvoll in mir brannte.

Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt