Kapitel 39

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Elenors Bedingungen waren so klar wie ein offenes Kartenblatt. Ich schüttelte ihre Hand, ohne wirklich sicher zu sein, ob ich mich daran halten würde. Aber Elenor war zu clever, um es bei meinem Versprechen zu belassen.

"Ich möchte alles erfahren. Ich gehöre ab heute mit zu eurem Team.
1. Wenn wir deine Schwester gefunden haben, verschwindest du und kommst nie wieder zurück. Zwischen uns wird es nicht mehr geben, als diesen Deal.
2. Du gehst ohne Waffe vor, wenn wir wissen wo sich deine Schwester befindet.
3. Du überlässt mir meinen Vater und es ist meine Entscheidung was mit ihm passiert.
4. Meine Tante und niemand anders wird in diese Sache mit hineingezogen.
5. Wenn du meinen Vater töten solltest, sorge ich dafür, dass auch du hinter Gittern landest. Wir wissen beide, dass es genug gibt, was dich belastet."

Einen Blutsschwur ließ Elenor zu meinem Glück aus und ließ mir aber den Zettel da, um mich immer wieder daran zu erinnern, woran ich mich halten musste. Ihre unbekannte dominierende Art, war neu für mich. Elenor war diese Sache, so kam es mir vor, mindestens genauso wichtig wie mir. Die wertvolle Kette ließ sie sachte in meine Hand gleiten und schaute verunsichert, als ich sie sicher verstaute.
"Ich will dabei sein, wenn ihr schaut, was drauf ist."

Das Wetter spielte nicht mit. Der Regen prasselte so laut nieder, dass ich ihn kurz für Hagel hielt. Elenor die keinen Schirm und auch keine Kapuze hatte, suchte Schutz unter den Dächern einiger Gebäude.
"Jetzt stell dich nicht so an", rief ich ihr hinterher. Beinahe als wären wir Fremde, die nicht schon mal im gleichen Bett gelegen hatten und als flüchte sie vor mir, hielt sie wenige Meter Abstand zwischen uns und dem Schirm. Mit wenigen Schritten war ich bei ihr und zog sie ruckartig, sodass sie an mich prallte, unter den Schirm. Sie war schon durchnässt und fror.

Ich spürte, wie sie sich gegen meinen festen Griff wehrte. Wie sie sich dagegen wehrte, dass wir uns nah waren. Vor einigen Tagen hätte es ihr nichts ausgemacht, mit mir unter einem Schirm zu laufen. Doch nicht nachdem was ich ihr erzählt hatte.
Aber wie konnte ich auch verlangen, dass sie sich zwischen mir und ihrem Vater entschied.

Ich hielt es trotzdem für ein anderes Gefühl, als das, welches die Verbindung zu mir und meinem Vater beschrieb. Er war nicht immer der perfekte Vater gewesen, der mit mir zum Boxen ging und mich in allem unterstützte, was mir gefiel, aber er war kein Mörder. Kein Kindesentführer. Ich konnte mir nicht ausmalen, welche Gefühle in Elenor toben mussten. Ihr Leben, ihre ganze Sicht zu ihrem Vater hatte sich in nur wenigen Minuten verändert. Sie musste sich zwischen dem Richtig und dem Falsch entscheiden, ohne zu wissen, was wirklich richtig und was falsch war.

"Hier sind wir." Sie würdigte mich wie auch sonst keines Blickes. Die Treppen bis in den zweiten Stock waren dieses Mal viel schwerer zu bewältigen und ich glaubte nicht, dass Elenor mit mir in dem engen Aufzug hätte stecken wollen. Durch das Hallen im Treppengeschoss entstand wenigstens keine unangenehme Stille, die die Situation noch seltsamer hätte machen können, als sie ohnehin schon war. Es war immer noch ungewohnt, dass ich mein Geheimnis mit jemandem teilte, der nicht Thea oder Isaac hieß. Ich war nun mal nicht der Typ, der gerne im Team spielte. Genau deswegen, hatte mich das Boxen so sehr gereizt. Und jetzt wusste ich nicht, wie man sich verhielt, wenn man doch dieser Typ sein musste.

Thea vertraute Elenors Versprechen nicht wirklich, das war ihr nicht schwer anzusehen. Aber ihr war dennoch klar, dass das wahrscheinlich unsere einzige Chance war. Sie liebte Lou. Nicht so sehr, wie ich sie liebte, aber es kam schon nah dran. Also bewahrte sie den Schein, wie ihr Pokerface im Gericht.

"Isaac sitzt schon am Laptop und wartet auf euch. Wollt ihr was trinken?"
"Nein, danke." Ich war viel zu nervös.

Das junge Computergenie wartete tatsächlich auf uns, saß lässig und tiefenentspannt in seinem Sessel und tippte was Zeug hielt.

"Hier." Ich streckte ihm die Kette ohne Begrüßung entgegen. Zu meiner Verwunderung, machte er keinen großen Aufstand, riss keine Witze, bei denen ich ihn am liebsten aus dem Fenster befördern würde, sondern machte sich gleich daran, sich die Kette genauer anzusehen.
"Ich denke, es befindet sich eine Art Chip im Inneren der Kette. Aber um das herauszufinden, muss ich den Anhänger kaputt machen." Der wertvoll aussehende Stein glänzte im Sonnenlicht und Elenor war anzusehen, dass ihr die Idee kein bisschen gefiel.

Sie senkte den Kopf, so wie sie es immer tat, forderte mich heraus, nur um zu sehen, ob ich wirklich das Arschloch war, für das sie mich hielt. Meine Finger umfassten sanft ihr Kinn und ließen sie aufblicken.
"Bitte." Für einen kurzen Moment verlor ich mich in ihren Augen, erinnerte mich an die letzten Wochen und die Küsse. All das war vorbei, und es wunderte mich, dass es mir etwas ausmachte. Es war mir nicht egal, dass sie mich für einen schlechten Menschen hielt und mir nicht mehr vertraute. Und diese Gefühle waren verdammt neu. Entweder verlor ich sie oder Lou.

Es war nur ein kurzes Nicken ihrerseits und doch hätte ich sie am liebsten geküsst. Es dauerte doch länger, bis Isaac und ich den Stein in zwei Teilen hatten. Und er behielt recht. Ein Chip, nicht einmal so groß wie eine SD-Karte ragte aus dem unteren Teil. Elenor verfolgte jede unserer Bewegungen mit ihren Adleraugen. Sie vertraute mir nicht. Ich zog uns beiden jeweils einen Stuhl neben Isaacs Sessel.
"Für dich." Es war nur ein kleines, nur aus Freundlichkeit, so wie sie es gelernt hatte, Lächeln, denn es erreichte nicht ihre Augen.

Ich nahm direkt neben Isaac Platz und sie auf dem Stuhl neben mir. Thea stand hinter mir, legte ihre Hände auf meine Schultern, so wie sie es immer tat, während Isaac sich daranmachte, den Chip vorzubereiten. Wie erwartet war dieser durch ein Passwort geschützt und es dauerte eine ganze Stunde, in der sich niemand traute, auch nur ein Wort zu verlieren.
"Bin drin." Sofort schossen unsere Köpfe nach vorn. Meine Hände wanderten zu Elenors Stuhl um sie näher zu mir zu ziehen, damit sie den Bildschirm besser sehen konnte. Es passiert einfach, ohne nachzudenken.

Mehrere Dateien wurden sichtbar und Isaac öffnete die erste. Es waren Bilder. Bilder von zwei Männern, die nebeneinanderstanden, den Arm umeinander gelegt. Der erste Mann war Elenors Vater und der zweite war... mein Vater?. Er war noch so jung auf dem Bild, dass es bestimmt schon fast zehn Jahre her sein musste. Was hatte das zu bedeuten? Warum stand mein Vater neben einem der meist gesuchten Verbrecher Amerikas?

Elenor neben mir rührte sich nicht, mit zitternden Fingern streckte sie die Hand aus und zeigt auf den Mann, neben ihrem Vater. Das Zittern ging auf ihren ganzen Körper über, Tränen strömte ihr über die Wange. Ich legte meine Hand auf ihren Oberschenkel, doch sie sprang auf, taumelte nach hinten. Sie war völlig aufgelöst.
"Sie hat eine Panikattacke!", rief Thea. Ich griff nach Elenor, versuchte sie in meine Arme zu ziehen, doch sie schrie, als ich mich ihr näherte.
"Mom! Er hat es getan."

Revenge - Für das Licht in der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt