15. Kapitel

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>>Chase<<

Seufzend schüttelte Mary den Kopf. Man merkte, dass sie zu erschöpft war, um groß mit mir zu diskutieren. Sie zog sich ins Bad zurück, dachte jedoch nicht an den Spiegel, durch den ich alles sehen konnte. Schnell sah ich weg, als sie anfing sich ausziehen. Dass sie wegen der Sache zwischen Sarah und mir eine Panikattacke bekommen hatte, machte mir ein schlechtes Gewissen. Zeitgleich jedoch ließ es mich innerlich jubeln. Das musste doch etwas bedeuten, oder? Ich meine, wenn es bei ihr so eine extreme Reaktion hervorruft, kann ich ihr doch nicht egal sein. Dieses Mädchen war einfach unglaublich. Sie war nicht mal seit einer Woche in meinem Leben, hatte es jedoch gefühlt schon einmal komplett umgekrempelt. Sie war so anders. So zerbrechlich und verletzt. Aber das war nicht richtig. Sie hatte besseres verdient und das wollte ich ihr zeigen. Sie sollte wieder Spaß am Leben haben und nicht mit Selbstmord Gedanken kämpfen müssen. Als das Wasser anging, konnte ich nicht anders. Ich sah durch die halb offen stehende Tür ins Bad. Mary stand mit dem Rücken zum Spiegel. Ihre braunen Locken fielen ihr lang über den nackten Rücken. Wie weich sich ihre Haut wohl anfühlte? Vermutlich genauso gut wie ihre Lippen beim Küssen. Unwillkürlich biss ich mir auf die Unterlippe. Als sie mich gestern Abend einfach hatte stehen lassen, war ich mehr als nur etwas verwirrt. Noch nie hatte mich ein Mädchen einfach so geküsst und war danach gegangen. Die ganze verdammte Nacht hatte ich wach gelegen und war beinahe durchgedreht. Sie hatte mich eiskalt erwischt mit ihrer besonderen Art. "Du wolltest doch mit mir reden, oder nicht?" Sie riss mich aus meinen Gedanken "Eh ja..." worüber wollte ich denn mit ihr reden? Ach ja... Sarah... "Das mit Sarah ja... Also das war nichts ernstes ehrlich... Nur nen One-Night-Stand auf einer Party... Wir waren beide betrunken. Keine Ahnung sie hat wohl gedacht das das irgendwas bedeutet... Ich habe ihr erklärt, dass es ne einmalige Sache war was sie nicht so geil fand." Ich seufzte leise und bereute es ausnahmsweise mal das ich die Hose nicht anlassen konnte. Ich hoffte das Mary irgendwas sagte. Doch sie blieb still. Ich wartete. Wollte sie nicht stressen. Nach einigen Minuten ging das Wasser aus. Sie stieg aus der Dusche und ich sah weg. "Muss ich von noch irgendeiner Freundin wissen, mit der du im Bett warst und weshalb ich mir dumme Sprüche anhören muss?", fragte sie leise und stand plötzlich in der Tür. Ihr zarter Körper war umhüllt von einem großen Handtuch, was sie an der Brust leicht verkrampft festhielt. Ihre Haare tropfen noch leicht und ich konnte nicht anders als starren. Sie war so wunderschön. "Nein... Sonst keine, die du kennst..." "Gut." ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie in ihr Zimmer. Ich stand auf und folgte ihr langsam, blieb im Türrahmen jedoch stehen und lehnte mich mit dem Rücken dagegen und starrte auf den Boden. Ich hörte, wie sie Schubladen aufzog und wieder schloss. Nach einigen Minuten kam ein zaghaftes "Kannst reinkommen." ihrerseits und ich riss den Blick vom Boden los und stieß mich vom Türrahmen ab. Ich ging in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Da stand sie. In einem viel zu großem T-Shirt, das ihr gerade so über den Hintern ging und dazu eine viel zu knappe Schlafshorts. Sie stand vor ihrem Spiegel und knotete sich ihre Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammen. Dann drehte sie sich zu mir um. Ihre Wangen noch leicht von der heißen Dusche gerötet. Sie wirkte plötzlich schrecklich müde, als sei sie um fünf Jahre gealtert. Ich ging einige Schritte auf sie zu, um den Raum zwischen uns zu schließen. "Du solltest dich etwas hinlegen. Du siehst fertig aus." sie sah zu mir hoch. Sah mich mit ihren braunen Teddybär Augen an. Ich hatte das Bedürfnis mich einfach zu ihr runter zu beugen und sie zu küssen. Ihre Lippen waren einfach perfekt dafür. Ihr Blick wanderte auf meine Lippen. Scheinbar hatte sie den gleichen Gedanken gehabt wie ich. Doch es wäre falsch gewesen sie jetzt zu küssen. Auch der Kuss heute in der Schule war falsch gewesen. Sie war zwar eine verdammt gute Küsserin, aber momentan nicht in der richtigen Verfassung für all das. Vorsichtig strich ich ihre eine Strähne aus dem Gesicht. "Na komm...", sagte ich leise und schob sie sanft zu ihrem Bett. Ohne Protest legte sie sich hinkuschelte sich in ihre gefühlt tausend Kissen und zog die Decke bis hoch unter ihr Kinn. Ich zog mir ihren Schreibtischstuhl ans Bett und machte es mir darauf bequem. "Fahr nach Hause Chase." sagte sie leise. "Du musst nicht hier bleiben, vor allem nicht, wenn meine Eltern nachher wieder kommen." "Schon okay. Mir ist es egal was deine Eltern sagen. Ich habe nur auf dich aufgepasst. Das können sie mir nicht vorwerfen." sie lächelte schwach. Dann schob sie ihre Hand unter der Decke hervor, griff zaghaft nach meiner und zog sie mehr zu sich. Etwas überrascht sah ich sie an, doch sie hatte bereits die Augen geschlossen und ihr Gesicht leicht an meinen Handrücken geschmiegt. Ich hatte erwartet, dass sie friedlich aussehen würde, so wie normale Menschen, wenn sie schlafen. Doch noch immer sah Mary einfach erledigt und gequält aus. Sie tat mir schrecklich leid. Am liebsten hätte ich sie mit zu mir nach Hause genommen und mich mit ihr in mein Bett gekuschelt. Doch dann bekam ich vermutlich nur noch mehr Ärger mit ihren Eltern.

Ich musste wohl ebenfalls eingeschlafen sein, denn ich schreckte leicht zusammen, als ein Klingeln an mein Ohr drang. Leicht benommen fischte ich mein Handy aus der Hosentasche und ging schnell ran. "Hallo?" vorsichtig stand ich auf und verließ leise Marys Zimmer um sie nicht zu wecken. "Hallo Chase, ich bins Nicole. Marys Therapeutin." "Ja? Was kann ich für Sie tun?" wie war sie wohl an meine Nummer gekommen? "Hast du für mich ein Auge auf Mary? Sie vertraut dir. Vermutlich mehr als mir und ich weiß, dass du ihr ganz guttust. Ich habe mich gegen ihre Eltern durchsetzen können damit sie weiter zur Schule gehen kann. Ihre Eltern werden einige Sitzungen bei mir besuchen damit sie lernen Mary nicht noch mehr zu belasten.""Ehm okay... Ja klar sollte gehen..." durfte sie mir das überhaupt alles erzählen? "Super danke Chase, du kannst jetzt übrigens nach Hause fahren. Marys Eltern werden bald zu Hause auftauchen und ich denke, es ist erstmal besser, wenn ihr nicht aufeinander trefft." "Ja verständlich. Okay dann mache ich mich jetzt auf den weg." "Sehr gut. Dann mach es gut Chase." "Ciao." und dann legten wir beide auf. Ich atmete erstmal tief durch. Mir gefiel es nicht jetzt einfach fahren zu müssen. Ich ging zurück in Marys Zimmer und weckte sie sanft. Es tat mir in der Seele weh sie wecken zu müssen. Sie seufzte leise, streckte sich etwas und öffnete dann blinzelnd die Augen. "Was ist los...?", murmelte sie verschlafen. "Ich muss nach Hause, deine Eltern kommen gleich von der Schule zurück da sollte ich wahrscheinlich nicht hier sein..." ich konnte nicht anders als lächeln. Sie sah so süß aus beim wach werden. "Okay...", murmelte sie leise und hatte Mühe die Augen offenzuhalten. "Schlaf weiter, wir sehen uns morgen." Ich drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und ging dann. Als ich gerade weg fuhr, sah ich noch im Rückspiegel das Marys Eltern nach Hause kamen. Also war ich keine Sekunde zu spät gegangen. Ich atmete tief durch und ging auf dem Heimweg alles nochmal langsam durch. Wie war, es möglich innerhalb so kurzer Zeit jemanden so stark beschützen zu wollen?

Zu Hause angekommen merkte ich erst, wie spät es mittlerweile schon war. Ich war den ganzen Nachmittag bei Mary gewesen. Die Haustür fiel gerade hinter mir zu, da kam Amy auch schon aus dem Wohnzimmer auf mich zu geschossen. "Wie geht es ihr? Ist alles okay gewesen?" plapperte sie sofort los. "Amy lass ihn erstmal nach Hause kommen.", rief Mum vom Sofa aus. "Es geht ihr soweit gut... Denke ich zumindest..." ich ging erschöpft ins Wohnzimmer und ließ mich neben Mum aufs Sofa fallen. "Amy hat mir alles erzählt." Ich nickte leicht. "Sie hatte eine Panikattacke, weil ich mit Sarah geschlafen habe..." ich schüttelte leicht den Kopf. "Echt? Das ist ja krass süß!" Amy setzte sich zu uns und erntete sofort einen warnenden Blick von mir. "Das ist nicht süß Amy. Das arme Mädchen." Mum schüttelte leicht den Kopf. Ich sah sie fragend an. "Na sie hat ein ganzes Jahr Pause gemacht. In einem Jahr kann sich viel verändern, vor allem bei euch Pubertären Teenagern. Sie kennt ihr Freunde alle anders. Und dann kommt sie wieder und plötzlich geht es nur noch um Sex, Alkohol, Partys und all das. Sie war vermutlich einfach überfordert." verwirrt sah ich Mum an. Amy sah genauso verdutzt aus der Wäsche. So hatte ich das alles noch gar nicht gesehen. "Naja und der Punkt, das sie dich mag ist vermutlich auch nicht ganz irrelevant." Mum klopfte mir leicht auf die Schulter und stand dann auf. "Auch denkt ihr bitte an die Party am Freitag?" "Am Freitag wollten wir doch an den See." protestierte Amy sofort bevor ich überhaupt Luft holen konnte. "Ja da könnt ihr anschließend hinfahren. Ihr müsst ja auch nicht lange bleiben aber wenigstens zwei Stunden. Mary kann natürlich auch gerne kommen, wenn sie möchte." Mum zwinkerte mir zu und ging dann nach oben. Und ich freute mich vermutlich das erste Mal auf eine dieser öden Partys.

C'est la vie (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt