"Mary? Konntest du mir folgen?" "Hm? Achso, ja, klar." murmelte Ich leise. Dr Jones nahm neben mir auf dem Stuhl Platz. "Ich weiß das sind ziemlich viel Informationen auf einmal.", sagte sie sanft. Ich konnte nur nicken und starrte auf die ganzen Zettel und Flyer die sie mir diesen Morgen mitgebracht hatte. Alles Sachen, die ich beachten, erledigen, unterschreiben oder was weiß ich mit machen musste. "Hast du eine Ärztin oder einen Arzt wo du normal hingehst und weißt das sie deine Schwangerschaft weiter mit überwachen können?" "Was? Ja, ich... Ich denke schon." antwortete ich völlig überfordert. Dr Jones sah mich etwas mitleidig an. "Was hältst du davon, wenn du weiter bei mir bleibst? Ich gebe dir auf jeden Fall meine offizielle Nummer mit, auf der du mich hier im Krankenhaus erreichen kannst." "Ja... Ich glaube, das wäre gut." nickte ich leicht. "Ich habe dir auch eine Liste mit Hebammen ausgedruckt, die sich auf junge Mütter spezialisiert haben. Aber du solltest auf jeden Fall nochmal überlegen, wie es mit dem Vater aussieht." "Wieso?" "Ich bin ganz ehrlich Mary... Du wirst Hilfe brauchen. Nicht erst, wenn das Baby da ist, sondern auch jetzt schon. Und lange wirst du es auch nicht mehr verstecken können. Du hast bestimmt schon gemerkt das dir deine Hosen langsam zu eng werden, oder?" unwillkürlich musste ich an mir heruntersehen. Ja. Es war mir aufgefallen. "Hast du dir schon Gedanken gemacht was du mit dem Baby machen willst?", fragte sie vorsichtig. "W-was meinen sie?", fragte ich unsicher und sah sie an. "Abtreibung kommt nicht mehr infrage, dafür bist du schon zu weit. Aber es gibt ja auch Alternativen. Eine Adoption beispielsweise. Darüber solltest du dir auch Gedanken machen, wenn es für dich ausgeschlossen ist das Baby zu behalten. Aber dafür hast du noch etwas Zeit." ich nickte leicht. Mein Kopf schmerzte schon wieder höllisch bei all den Informationen. Ich war absolut überfordert mit der Situation und hätte schon wieder anfangen können zu weinen, doch vermutlich hatte ich letzte Nacht mein Tränenkontingent aufgebraucht. Dr Jones packte mir die Flyer und Zettel in eine kleine Mappe und reichte sie mir. "Für dich. Meine Nummer ist auch dabei, also hab keine Angst dich bei Fragen zu melden, ja?" "Ich versuchs." ich nahm die Mappe und steckte sie in meine Tasche. "Hast du sonst noch Fragen?" "Gerade eher nicht." "Dann würde ich sagen du bist hiermit entlassen." sie lächelte mich aufmunternd an. "Du kannst gerne vorne im Eingangsbereich auf deine Eltern warten." "Dankeschön." immer noch erschlagen von dem, was in den letzten Stunden alles passiert war, stand ich auf und schüttelte ihr die Hand. Dann nahm ich meine Tasche und verließ ihr Büro und ging die Flure entlang nach draußen, vor dem Eingang setzte ich mich auf eine Bank und wartete. Ich starrte Löcher in den Boden und versuchte irgendwie meine nächsten Schritte zu planen, doch wie sollte ich das machen? Frustriert sah ich auf mein Handy. Wo blieben Mum oder Dad? Ich hatte ihnen heute Morgen direkt gesagt, wann ich entlassen werden würde und von keinem kam eine Antwort. Ich nahm mir einen der Flyer aus der Mappe von Dr Jones und begann ihn mir durchzulesen. Doch das hätte ich vermutlich lassen sollen, denn bereits nach der ersten Seite hätte ich am liebsten angefangen zu weinen aus Angst und Verunsicherung. Da hielt ein Auto vor mir. Es war weder Mums, noch Dads. Ich steckte den Flyer hastig ein als ich den Fahrer erkannte. Leon. Er stieg aus und kam auf mich zu. Seit der Auseinandersetzung am See, hatten wir kaum bis gar nicht miteinander gesprochen. Umso irritierter war ich, das er nun zu mir kam. "Was machst du hier?", fragte ich und klang feindseliger, als ich wollte. "Ich soll dich abholen. Deine Eltern können nicht." sagte er und wollte schon meine Tasche nehmen, doch ich riss sie an mich, bevor er sie nehmen konnte. "Was soll das heißen sie können nicht?" "Keine Ahnung Mary, deine Mum hat meine Mum angerufen und gefragt, ob ich dich vom Krankenhaus abholen kann, weil sie mit deinem Dad wohl zu einem Termin muss." "Das ist jetzt ein Scherz." Wut stieg in mir hoch. "Ich werde entlassen und sie haben nichts Besseres zu tun, als dich zu schicken?" "Glaub mir ich war auch nicht begeistert.", murmelte er und öffnete die Beifahrertür. "Steig ein dann haben wir es umso schneller hinter uns.", sagte er trocken. Am liebsten wäre ich sitzen geblieben. Doch ich hatte keine Wahl. Amy war mit den Mädels unterwegs und Chase würde erst-. Ich hielt inne. Nein Chase wäre auch keine Option gewesen, selbst wenn er da gewesen wäre. Ich atmete tief durch und stand dann auf und stieg in Leon's Wagen. Er schloss die Tür und ich schnallte mich an. Leon sprach kein Wort, nachdem er eingestiegen war und losfuhr. Mir sollte es nur recht sein. Das letzte, was ich wollte war ein Gespräch mit ihm. Ich starrte aus dem Fenster und spürte, wie ich noch immer müde war. Ich hatte zwar den letzten Nachmittag geschlafen, aber nachdem ich Abends wieder wach wurde, etwas zu essen bekam und dann ständig auf dem Handy sah, wie Chase mich anrief oder mir schrieb, endete ich in dem längsten heulkrampf den ich je hatte. Nach Matt's Tod hatte ich kaum geweint. Ich war eher in mich gekehrt und still. Doch ich habe nicht ständig geweint wie jetzt. Das kam erst irgendwann durch die Therapie das ich mir regelmäßig die Augen aus dem Kopf heulte. Ich sah auf mein Handy, entsperrte es und öffnete Chase und meinen Chat. Er hatte mich gestern Abend zugespamt mit Nachrichten, nachdem ich mehrmals nicht dran gegangen war. Doch selbst da war er nur besorgt und lieb was mich nur noch mehr fertig machte. Er hatte das nicht verdient. Irgendwann hatte ich ihm geschrieben das ich so erledigt war das ich seine Anrufe nicht mitbekommen hatte und aber direkt auch wieder schlafen gehen würde, er sich aber keine Sorgen machen müsste. Das hatte ihn erstmal beruhigt. Bis jetzt. Denn er hatte scheinbar von irgendjemandem die Info bekommen, dass ich um diese Uhrzeit entlassen werden sollte. Ich starrte auf mein klingendes Handy. Leon sah kurz zu mir rüber. "Du solltest vielleicht ran gehen." schlug er vor. "Später.", entgegnete ich und drückte Chase weg. Leon sagte nichts, doch ich wusste das er es genoss, dass ich Chase die kalte Schulter gezeigt hatte. Ich sah erneut aus dem Fenster und fasste mir vorsichtig oberhalb der rechten Augenbraue an die Stirn, wo nun statt dem dicken Verband ein großes pflaster klebte. Dr Jones meinte das, wenn ich Glück hätte, würde, wenn überhaupt nur eine kleine Narbe von meinem Sturz zurückbleiben. Erleichtert stellte ich kurz darauf fest, das Leon bei uns auf die Einfahrt fuhr. Wie schnell solch eine Fahrt doch vorbei war, wenn keine unangenehmen Gespräche geführt werden mussten. Ich schnallte mich ab. "Danke fürs abholen.", sagte ich und stieg dann aus. Ich nahm meine Tasche aus dem Fußraum und schlug die Tür zu ohne auf Leon's Antwort zu warten. Auf dem Weg zur Haustür holte ich meinen Schlüssel raus und schloss dann die Tür auf und ging ins Haus. Wie aufs Stichwort klingelte mein Handy wieder. Frustriert verspürte ich den drang es gegen die nächste Wand zu pfeffern. Doch ich riss mich zusammen. Mum und Dad waren wirklich nicht zu Hause und so ging ich direkt hoch in mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett, und nahm Chase Anruf entgegen. "Endlich. Man Mary du weißt echt, wie man jemanden nervös machen kann." seufzte Chase erleichtert und mir kamen sofort wieder die Tränen beim Klang seiner Stimme. "Tut mir leid." "Schon okay, wie geht's dir denn? Mum hat mir erzählt, was passiert ist. So ein Mist ey, ich dachte, du hattest nachdem du gesund warst keine Probleme mehr mit dem Kreislauf?" "Dachte ich auch..." "Na ja, egal. Hauptsache dir geht's jetzt wieder gut." "Hm alles bestens.", murmelte Ich und versuchte das Zittern meiner Stimme zu unterdrücken. "Mary? Was ist los?" "Nichts, alles gut." "Erzähl doch nichts. Du weinst. Was ist los Baby?" "Mum und Dad haben mich sitzen lassen. Leon hat mich vom Krankenhaus abgeholt." das schien mir die beste Alternative anstatt zu sagen "Ach ich weine nur, weil ich im dritten Monat schwanger bin.". Und Chase kaufte es mir ab. "Ist das dein Ernst? Was soll, die scheißen denn jetzt?" Chase war sofort auf 180. Ich biss mir fest auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Ich war so eine schlechte Freundin. "Ist schon okay... Ich bin ja jetzt zu Hause." "Trotzdem! Ich schwöre dir, wenn ich zurück bin können deine Eltern sich was anhören." "Chase..." "Was?" "Mir geht's noch nicht so prächtig. Ich würde mich erstmal wieder hinlegen, wenn es okay ist? Wir reden morgen vielleicht, ja?" "Natürlich, tut mir leid Baby... Ruh dich aus. Ich bin bald wieder, da dann ist alles entspannter." "Ich weiß." "Machs gut Baby." "Du auch, viel Spaß euch noch." "Danke. Pass auf dich auf. Ich liebe dich." "Mach ich. Ich dich auch." dann legte er auf und ich ließ meinen zurückgehaltenen Tränen freien Lauf. Ich legte mich ins Bett, kauerte mich zusammen und weinte so lange, bis ich nicht mehr weinen konnte und wollte. Nach zwei Stunden schaffte ich es doch noch mich aufzuraffen und ging runter in die Küche, wo ich feststellen musste das wir absolut nichts zum Essen zu Hause hatten.. Frustriert schlüpfte ich ch in meine Schuhe, nahm meine Tasche und machte mich dann zu Fuß eben auf den Weg zum nächsten Supermarkt. Dr Jones hatte gesagt das ich Moment mehr Energie benötigen würde, weil ich nun schon nicht mehr nur für mich alleine aß. Im Supermarkt hatte ich das Gefühl von allen angestarrt zu werden. Ich bildete mir ein das es daran lag, dass ich schwanger war, was aber noch niemand sehen konnte. Vermutlich lag es einfach daran das ich in schwarzen Klamotten und total verheult einfach echt beschissen aussah. Ich kaufte etwas Brot, Aufschnitt, Obst und etwas nerven Nahrung in Form von Schokolade. Erleichtert atmete ich durch, als ich endlich aus dem beklemmenden Supermarkt raus konnte. Auf dem Rückweg sah ich hin und wieder in die Schaufenster einer Läden und hielt irgendwann inne. Es war ein Friseur. Ich sah mein Spiegelbild in der Scheibe. Ich sah so fertig aus. Da kam eine Kundin raus, sie grinste und schien super zufrieden zu sein. Wie sehr ich mir das auch wünschte. Ohne groß zu überlegen, nahm ich die Kapuze vom Kopf und ging rein. Eine halbe Stunde später kam ich mit kurzen Haaren, die etwas kürzer als Schulterlang waren, wieder heraus. Die Frauen waren zu Anfang schockiert gewesen, dass ich so wunderschöne locken einfach abschneiden sollten. Doch als sie mich fragten, ob ich die abgeschnittenen Haare spenden wolle und ich keine Einwände hatte, waren sie etwas beruhigter. Es war erstaunlich wie viele Haare ich immer mit mir rumgeschleppt hatte. Zuvor waren mir meine Locken bis unterhalb meiner Brüste gegangen. Ich zog mir dennoch die Kapuze über und ging wieder nach Hause. Dort angekommen musste ich feststellen das Mum und Dad wieder da waren. Ich ging, ohne mich zu melden ins Haus und in die Küche. Mum und Dad waren im Wohnzimmer. Sofort hörte ich ihre Schritte mir folgen. "Verdammt Mary, wo warst du? Wir haben uns Sorgen gemacht!" polterte Dad los. Ich antwortete nicht, sondern machte mir mit den gekauften Lebensmitteln ein Brot und wusch mir dann einen Apfel ab. "Mary." mum versuchte es auf die sanfte Tour. "Lasst mich in Ruhe.", murmelte ich und wollte an ihnen vorbei und hoch. "Redest du jetzt bitte mit uns!", befahl Dad und hielt mich am Arm fest und riss mir die Kapuze vom Kopf. Mum schnappte überrascht nach Luft. "Wann warst du denn beim Friseur?" "Wen kümmerts? Ich muss euch gar nichts mehr sagen. Ihr meldet euch ja nicht mal zurück, wenn man euch mitteilt das man aus dem Krankenhaus abgeholt werden kann." "Ich habe doch Leon gebeten." "Ja verdammt!" ich wurde laut. "Du hast verdammt nochmal Leon angerufen! Wenn du mir die letzten drei Monate zugehört hättest wüsstest du das ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will!" "Mary nicht in diesem Ton!" Befahl Dad sofort, während mum mich sprachlos anstarrte. "Ich scheiß drauf!" rief ich. "Wenn ihr nach Matts Tod keine Lust mehr auf mich habt, sagt es nur." mit diesen Worten stürmte ich wütend hoch in mein Zimmer und knallte die Tür laut zu. Ich wusste, das meine Worte böse gewählt waren. Doch ich konnte nicht mehr. Ich brauchte meine Eltern nun mal. Mehr als jemals zuvor. Ich schaffte es irgendwie nicht wieder anzufangen zu heulen und stellte mein Essen auf den Nachttisch. Ich schlüpfte aus meiner unbequemen Jeans und ließ sie einfach auf dem Boden liegen. Dann nahm ich mir meine Jogginghose und wollte sie mir gerade anziehen, als mein Blick in meinem Spiegelbild hängen blieb. Ich sah so anders aus mit kurzen Haaren, doch mein Blick wanderte sofort zu meinem Bauch, der versteckt von dem weiten Pulli war. Ich warf die Leggings auf Bett und stellte mich dichter vor den Spiegel. Vorsichtig hob ich den Pulli und das Shirt darunter hoch, bis mein Bauch frei war. Mit einer Hand den Pulli und das Shirt festhaltend, Strich ich mit der anderen vorsichtig über meinen Bauch. Ich atmete zitternd aus, als ich tatsächlich bereits eine leichte Wölbung spürte. Ich drehte mich seitlich zum Spiegel und musste feststellen das man es bereits sehen konnte. Wie war mir das nicht aufgefallen? Es traf mich wie ein Schlag. Mir wurde erst jetzt richtig bewusst, dass ich wirklich schwanger war. Die ganzen Zettel oder auch Bilder hatten mir nicht das Gefühl gegeben schwanger zu sein. Sie hatten mich nur überfordert und mir Angst eingejagt. Doch das hier, zu wissen, dass ich tatsächlich ein kleines Baby in mir trug, löste ein Mischmasch aus Gefühlen in mir aus. Doch überraschenderweise waren es nicht nur negative Gefühle, hauptsächlich zwar schon. Aber zu kleinen Teilen fühlte ich mich auch irgendwie gut. Es war schwer zu beschreiben, wie ich mich fühlte. Langsam ließ ich den Pulli wieder runter und ging zum Bett, wo ich mir meine Leggings anzog. Dann kuschelte ich mich unter die Decke, aß etwas und sah dabei auf dem Tablet einen Film auf Netflix. Irgendwann verschwamm das Geschehen jedoch immer mehr vor meinen Augen und ich schaffte es Hunde müde irgendwie den Laptop runterzufahren, mir meinen BH auszuziehen und mir den Wecker für morgen früh zu stellen. Aber sobald mein Kopf erneut das Kissen berührte und ich meine Augen schloss, war ich auch schon im Land der Träume.
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C'est la vie (Pausiert)
Teen FictionNeues Jahr. Neues Glück? Nach dem Selbstmord ihres großen Bruders kommt Mary nach fast einem Jahr, das durchzogen von Therapie Sitzungen und Selbsthilfegruppen war, zurück an die High School. Der Lebenslust beraubt schleppte sie sich nur schwerfäll...