Ich hatte doch wirklich die ersten paar Stunden überstanden. Zwar hatte ich das Gefühl die ganze Zeit mindestens fünf Augenpaare auf mir ruhend zu haben und das alle Lehrer versuchten mich zu fragen wie es mir ging, aber versuchten dabei bloß nicht meinen Bruder zu erwähnen. Zum Glück war jetzt Mittagspause und ich sah mich suchend nach einem freien Platz um. Am liebsten hätte ich irgendwo alleine in einer Ecke gesessen. Doch als ich so durch die Tischreihen ging, hörte ich plötzlich jemanden meinen Namen rufen. "Mary! Hey Mary komm her du kannst dich zu uns setzen!" suchend sah ich mich nach der mir nur allzu bekannten Stimme um. Sarah stand an einem Tisch und winkte mir zu. Widerwillig sah ich mich um. In der Hoffnung, doch noch einen Platz für mich ganz alleine zu haben. Doch ich wusste das Mum mir den Kopf dafür abreißen würde, also seufzte ich ergebend und ging zu meinen ehemaligen besten Freundinnen an den Tisch. Sarah umarmte mich kurz aber fest zur Begrüßung. "Ich bin so froh, das du wieder zurück bist.", sagte sie und ließ mich wieder los. "Ja. Ich auch. Mehr oder weniger." gab ich zu und wir setzten uns. Die drei hatten sich auf ganz unterschiedliche Weise jede für sich ein Stück verändert. Außer Sarah natürlich. Wer schon hübsch ist, muss sich ja nicht verändern, um noch hübscher zu werden. Sie hatte ihre Haare mal wieder in einem leuchtenden blau gefärbt, welches perfekt zu ihren blauen strahlenden Augen passte. Sie war eh eines von diesen Mädchen, die mit gefärbten Haaren nie seltsam aussahen. Man kennt, das ja, wenn die Farbe sich langsam raus wäscht oder der Ansatz wieder zu stark durch kommt oder es einfach unnatürlich aussieht. Bei Sarah hätte man denken können das sie mit gefärbten Haaren auf die Welt gekommen ist. Sie sah einfach verdammt hübsch so aus. Julie und Maxime hatten sich nur teilweise verändert. Julie trug jetzt ihre blonden Haare beispielsweise in Dreadlocks und war stärker geschminkt als noch vor einem Jahr. Maxime hingegen hatte sich vom aussehen her null verändert, wirkte allerdings reifer und erwachsener als noch vor einem Jahr. "Wie geht es dir?", fragte Julie sofort, nachdem ich saß. "Juls jetzt lass sie doch erstmal etwas durch Atmen." seufzte Maxime sofort die schon immer sehr allergisch auf Julies plumpe und hyperaktive Art angesprochen hatte. Ich stocherte etwas in meinem Salat rum und überlegte, was ich sagen sollte. Die Standard Antwort 'alles bestens' würde bei den dreien nicht ziehen. Dafür kannten sie mich zu gut. "Es geht so... Ist alle doch etwas viel auf einmal..." gab ich zu, den Blick weiter auf meinen Salat gerichtet. "Glaub ich dir.", sagte Sarah leise und nickte leicht. Für sie war Matt ebenfalls wie ein Bruder. Ihre Eltern hatten sich vor drei Jahren Scheiden lassen und Sarah hatte eine Zeit lang bei uns zu Hause gewohnt, weil sie es bei ihren Eltern nicht mehr aushielt. Ich sah sie kurz von der Seite an und war erstaunt, als ich sah, wie sie schnell einige Tränen weg blinzelte. Aber was hatte ich erwartet? Ich war nicht die einzige, die ihn gut gekannt hatte und ihn schrecklich vermisste. "Es tut mir leid, dass ich irgendwann nicht mehr auf eure Nachrichten reagiert habe..." entschuldigte ich mich und hoffte, dass das etwas bewirkte. Ich an ihrer Stelle hätte mir nicht mal angeboten mich dazu zu setzen. "Dafür musst du dich nicht entschuldigen süße... Wir haben verstanden, dass wir dir Raum zum durch Atmen hätten geben müssen." Maxime lächelte mich mit ihrem typisch aufmunternden lächeln an und ich war wirklich erleichtert, dass die drei mir nicht böse waren. Nach dem Mittagessen, welches für mich eher etwas spärlich ausfiel, machte ich mich mit den Mädels auf in Richtung Kunst- und Musikflur. "Uhh seht euch das an." grinste Julie und gab einen Schnurrenden laut von sich. Wir folgten ihrem Blick und mussten feststellen, dass das Lacrosse Team wohl Training in der Pause gehabt haben musste, denn uns kam eine Gruppe von mindestens zehn Jungs entgegen. Alle ziemlich durchtrainiert, alle etwas verschwitzt und alle ziemlich heiß. Einige von ihnen hatten ihre Ausrüstung wie den Schläger oder den Helm noch dabei und genossen eindeutig die Reaktionen die ihr Auftritt hervorrief. Es bildete sich ein Kloß in meinem Hals, als ich begriff das Matthew, wenn er noch leben würde jetzt auch bei der Gruppe der Jungs dabei wäre. Er hat es geliebt Lacrosse zu spielen. Mum wollte seine Ausrüstung kurz nach seiner Beerdigung schon wegschmeißen, doch ich bin ausgerastet und habe es ihr verboten. Sie durfte Matts Sachen nicht so einfach wegschmeißen! "Seht euch diese Sahneschnittchen an." grinste Julie und leckte sich über die Lippen. "Oh man Juls du bist so notgeil." seufzte Maxime sofort genervt und verdrehte die Augen. "Halt, die Klappe du hast wenigstens regelmäßig mit deinem Lover Sex. Ich muss immer bis zu den dämlichen Partys warten." meckerte Juls sofort zurück. Überrascht sah ich zu den beiden. Sex? Seit wann hatten die beiden bitte Sex?! Deprimiert musste ich feststellen das sich doch mehr verändert hatte als ich dachte. Mir fehlte etwas mehr als ein Jahr an Erfahrung im Gegensatz zu Sarah, Julie und Maxime. Ein Jahr ohne Partys, ohne Schule, ohne Jungs, ohne eine Beziehung oder Sex. Ich fühlte mich plötzlich seltsam außen vor, obwohl die drei mit mir umgingen, als wäre ich nie weg gewesen. Völlig in Gedanken auf den Boden starrend, nur geführt von Juls und Maximes Streit rechts von mir gingen wir weiter den Flur entlang. An die Gruppe von Lacrosse Spielern, dachte ich erst wieder, als ich mir einen von ihnen zusammen stieß. Er hatte mich scheinbar auch erst zu spät gesehen, da er in ein Gespräch vertieft sein musste, denn ein Spieler rief nur noch: "Vorsicht Leon!" doch da war es schon zu spät. Durch den Zusammenstoß mit diesem Berg von Kerl etwas zurücktaumelnd verlor ich fast das Gleichgewicht, als mich ein Paar Hände fest hielt und mich so vor dem Sturz bewahrte. "Oh Mist sorry ich war in Gedanken." stotterte ich sofort los und sah zu meinem gegenüber auf. "Das ist ja nichts Neues." schmunzelte der gut aussehende blonde Junge und seine blauen Augen lachten mich praktisch an. "Leon?!", fragte ich verdattert und ging einen Schritt zurück um ihn besser in Augenschein nehmen zu können. "Was zur Hölle ist bitte mit dir passiert?" entgeistert sah ich den besten Freund meines toten Bruders an der jetzt nicht mehr dünn und schlaksig aussah, sondern mindestens einen halben Meter in die Höhe gegangen ist und das letzte Jahr im Fitnessstudio verbracht zu haben schien. Durch Meinen scheinbar sehr irritierten Blick lachte er leise auf. "Das nennt man Pubertät und Training süße, aber was machst du überhaupt hier, ich dachte du gehst jetzt nicht mehr hier auf die Schule?", fragend legte er den Kopf leicht schräg und musterte mich deutlich mit seinen blauen Augen. "Ehm ne ich gehe wieder hier zur Schule... Ich wollte nicht eine Klasse wiederholen." "Du kleiner Streber schaffst das doch eh. "Leon grinste breit und zeigte mir seine weißen Zähne, dann wurde sein Blick besorgter. "Wie geht es dir denn im Moment Mary?", fragte er und senkte seine Stimme etwas. Ich musste seinem Blick ausweichen und zuckte leicht die Schultern. "Wie soll es mir gehen?", murmelte ich leise. Leon nickte leicht und schien schmerzlich an diesen auch für ihn schrecklichen Tag zurückerinnert zu werden. "Es tut mir so leid... Wenn ich gewusst hätte-" "Nein Leon bitte... Woher hättest du das denn wissen sollen?" fiel ich ihm sofort ins Wort. Es reichte schließlich das ich mir jeden Tag Vorwürfe machte. Er seufzte und erst als Sarah meinen Namen rief, fiel mir auf das wir mit den drei Mädels fast die letzten auf dem Flur waren. "Du, wir sehen uns morgen, ja? Ich schreibe dir aber heute Abend versprochen." Leon umarmte mich Freundschaftlich und ich erschrak erneut bei dem Gefühl seiner muskulösen Arme, die sich um mich legten. "Bis morgen." ich zwang mich ihm ein Lächeln zu schenken und stellte fest, dass es schon deutlich einfacher ging als heute Morgen.
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C'est la vie (Pausiert)
Teen FictionNeues Jahr. Neues Glück? Nach dem Selbstmord ihres großen Bruders kommt Mary nach fast einem Jahr, das durchzogen von Therapie Sitzungen und Selbsthilfegruppen war, zurück an die High School. Der Lebenslust beraubt schleppte sie sich nur schwerfäll...