43. Kapitel

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>>Chase<<

Mary wirkte etwas wie das Reh im Scheinwerferlicht, als sie zu mir auf den Laufsteg kam. Ich spielte kurz die ersten paar Noten, um zu hören, ob die Gitarre noch immer richtig gestimmt war. Doch Mary war nervös. Das konnte jeder blinde sehen. Shallow hatten wir mehrmals geübt, doch immer hatte sie sich schwergetan mit dem langen hohen Part und war danach super frustriert gewesen. Ich hoffte das sie durch ihre erste Performance etwas Mut getankt hatte, doch sie machte nicht den Eindruck. Ich sah sie fragend an und sie nickte leicht. Nervös schob sie sich eine Strähne hinter das Ohr, die jedoch sofort wieder nach vorne rutschte. Ich gab dem Techniker ein Zeichen, das es losgehen konnte, denn ich würde nur zu Beginn die Gitarre spielen, der Rest würde eingespielt werden. Ich begann zu spielen und ging wieder näher an das Mikrofon und sang meinen Part.

Tell me somethin', girl
Are you happy in this modern world?
Or do you need more?
Is there somethin' else you're searchin' for?

I'm falling
In all the good times I find myself
Longin' for change
And in the bad times I fear myself

Ich sah zu Mary, welche leicht im Takt nickte und die Augen geschlossen hatte, während das erste Model uns in einem pompösen Kleid erreichte. Mary hob das Mikro an die Lippen und begann mit geschlossenen Augen zu singen. Jeder Ton saß perfekt.

Tell me something, boy
Aren't you tired tryin' to fill that void?
Or do you need more?
Ain't it hard keeping it so hardcore?

I'm falling
In all the good times I find myself
Longing for change
And in the bad times I fear myself

Ich hielt die Luft an. Gespannt wie Mary den ersten Refrain meistern würde. Sie hatte die Augenbrauen leicht zusammengezogen, als würde sie etwas stören, die linke Hand über dem Bauch ruhend, so wie viele Sänger es Taten. Dann holte sie tief Luft und hämmerte den Refrain mit solch einer Perfektion und Sicherheit raus, das ich nicht anders konnte, als sie überrascht anzusehen und mir ein ungläubiges Lachen zu verkneifen.

I'm off the deep end, watch as I dive in
I'll never meet the ground
Crash through the surface, where they can't hurt us
We're far from the shallow now

In the shallow, shallow
In the shallow, shallow
In the shallow, shallow
We're far from the shallow now

Beinahe hätte ich meinen Einsatz verpasst. Doch ich freute mich viel zu sehr auf das, was nun kam. Mary holte tief Luft und begann den freien Part zu singen. Ihre Stimme wurde stärker und stärker. Jeder Ton saß perfekt und dann kam der Moment der mir Gänsehaut verpasste. Die Stimme der kleinen Person neben mir, schien zu explodieren. Mary nahm jeden einzelnen Zuschauer mit und sie bemerkte es nicht mal.

Oh, oh, oh, oh
Whoah!

I'm off the deep end, watch as I dive in
I'll never meet the ground
Crash through the surface, where they can't hurt us
We're far from the shallow now

In the shallow, shallow
In the shallow, shallow
In the shallow, shallow
We're far from the shallow now

Ich war froh, dass sie die ganze Zeit die Augen geschlossen hatte. Denn so musste sie nicht mit ansehen, wie ihre Eltern kurz vor Ende des Liedes aufstanden und einfach gingen. Wut packte mich, doch ich musste sie schnell beiseiteschieben, den nun brach der Applaus über uns herein. Mary ließ erleichtert das Mikro sinken. "Geht doch." grinste ich stolz und legte den Arm um sie und zog sie an mich. Ich küsste ihren und genoss es das das verdatterte Mädchen ihre Arme um mich schlang. Doch da wir für Mum Platz machen mussten, ließ sie mich leider wieder viel zu schnell los. "Mary McAvan Ladies and Gentleman!" rief ich ins Mikro und deutete auf Mary, die schon über den Laufsteg nach hinten wollte. Sie wurde sofort rot als Pfiffe und Jubel rufe auf meine Ansage folgten. Grinsend ging ich zu ihr und nahm ihre Hand. Gemeinsam ging wir nach hinten und schoben uns vorbei an den Models in den hinteren Bereich, wo nicht mehr so viel los war. Ich legte die Gitarre beiseite, als Mary quietschend begann auf und abzuspringen und mir plötzlich auf den arm sprang. Überrascht hielt sich sie fest und sah sie belustigt an. "Hast du uns gehört?", fragte sie mit einer Mischung aus Begeisterung und Ungläubigkeit. "Ob du es glaubst oder nicht ich habe nichts anderes von dir erwartet." grinste ich und ließ sie langsam wieder runter. "Jaja schon klar." sie verdrehte grinsend die Augen, zog mich zu sich runter und küsste mich einfach. Überrascht legte ich meine Hand an ihre Wange und erwiderten den Kuss sofort mit derselben Leidenschaft. Ich zog sie enger an mich und genoss es das sie meine Nähe so suchte. Die letzte Woche war absolut gar nichts gelaufen, das höchste der Gefühle war mal etwas knutschen gewesen, aber ich nahm es ihr nicht übel, sie hatte sich wegen heute ziemlich unter Druck gesetzt. Dennoch hatte ich halt gewisse Bedürfnisse und sie ständig so nah bei mir zu haben war ein wahrer Akt der Selbstbeherrschung geworden. Doch ich hatte mir vorgenommen sie nicht zu drängen, wir gingen das Ganze in ihrem Tempo an. Ich löste mich langsam von ihr, als ich Mums Ansage hörte, in der sie Mary, Amy und mir dankte. "Bereit nochmal deinen Applaus abzuholen?", fragte ich grinsend und sah in ihr wunderschönes Gesicht. Ihre Augen leuchteten durch das dunkle Make-up geradezu und ließ sie so ungewohnt erwachsen aussehen. Nicht das sie sich nicht erwachsen benahm, mir gefiel diese Unschuld die sie an sich hatte. Sie freute sich über Kleinigkeiten oft wie ein kleines Kind und schätzte jede noch so kleine Aufmerksamkeit. Sie war einfach bezaubernd. "Du meinst unseren Applaus?" schmunzelte Sie und sah zu mir hoch. Zum Glück hatte Mum ihr keine hohen Schuhe abgedreht, ich mochte es wenn sie kleiner, als ich war. Ich musste grinsen. "Du warst deutlich besser Madame." "Stimmt nicht." sie streckte mir ihre Zunge raus und nahm dann meine Hand. Gemeinsam gingen wir zurück ins Scheinwerferlicht. Die Models standen alle aufgereiht rechts und links und hatten zuvor ihren Applaus abgeholt. Doch nun waren wir dran. Ich verschränkte meine Finger mit Marys und ging mit ihr zu Mum. Der Beifall war grandiose und galt definitiv mehr Mary als mir. Bei Mum angekommen, umarmte sie uns beide fest. "Lass dieses Mädchen bloß nicht mehr weg Chase.", flüsterte sie mir ins Ohr. Ich musste schmunzeln. Mary hatte es doch tatsächlich geschafft meine Familie, die, durchaus was feste Freundinnen oder Freunde, in Amys Fall, angeht sehr kritisch sein konnte, innerhalb von kürzester Zeit um den Finger gewickelt. Ich beobachtete wie Mum Mary umarmte. Sie die Erleichterung und den Stolz in Marys Gesicht. Ich hatte sie in diese Situation überhaupt erst reingeritten. Während andere vermutlich sofort abgelehnt hätten, hatte sie sich nicht mal wirklich beschwert und jeden Tag der letzten Woche geopfert und bis zum Umfallen geübt. Ich liebte dieses Mädchen einfach abgöttisch, das stand mal fest.

C'est la vie (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt