08 | Durchkreuzte Pläne

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Raphaels Sicht

Nachdem ich am Vormittag zwei Stunden im Fitnessstudio trainiert hatte, befand ich mich auf dem Heimweg. Unterwegs holte ich mir eine Lunchbox to go mit gebratenem Reis, Gemüse, Hähnchen und Frühlingsrollen beim Asiaten. Ich hatte keine Lust heute selbst etwas zu kochen. Ich konnte es zwar ziemlich gut, aber die Zeit war zu knapp bemessen. Schließlich wollte ich später ins Studio fahren, um an neuen Beats und Songtexten zu arbeiten.

Als ich wieder zuhause war, schnappte ich meinen Laptop und ließ mich am Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer nieder. Dort hörte ich einige, zum Teil fertig produzierte, Beats an und aß nebenbei. Genüsslich schob ich mir die letzte Gabel voll Reis in den Mund und legte dann das Besteck zur Seite.

Auf einmal schreckte ich hoch, da mein Handy angefangen hatte zu klingeln. Ich pausierte den Beat. »Raphael Ragucci. Guten Tag!«, meldete ich mich. Am anderen Ende der Leitung hörte ich eine junge Frauenstimme. »Nike Store Mall of Berlin. Hallo Herr Ragucci. Für sie ist ein Paket angekommen. Da sie zum Zeitpunkt der Auslieferung nicht zuhause waren, wurde es hier abgegeben. Bitte kommen sie im Laufe des Tages vorbei, um es abzuholen.«

Ich stöhnte. Da wird man schon von Nike gesponsert und kaum einer bekommt es fertig, die Pakete bei mir persönlich abzuliefern. Hätte man die Sachen nicht wenigstens beim Nachbarn abgeben können? Wobei, eigentlich konnte die Firma selbst nichts dafür, sondern nur die Paketzusteller. Aber trotzdem nervte es mich extrem.

»Okay, danke für die Info. Ich komme in etwa einer halben Stunde vorbei und hole die Sachen ab. Tschüss.« »Auf Wiedersehen«, antwortete die Verkäuferin freundlich und legte auf. Das war jetzt schon das dritte Mal in diesem Monat, dass ich extra zur Mall of Berlin fahren musste, um meine Klamotten und Sneaker dort abzuholen!

Das Studio musste also erst mal warten. Ich gab kurz den Produzenten, die auf mich warteten, Bescheid und verließ zehn Minuten später erneut meine Wohnung. Mit meinem Audi A7 fuhr ich zum Parkhaus der Mall und legte die letzten Meter zu Fuß zurück. Ausnahmsweise wurde ich nur zwei Mal von Fans nach Fotos und Autogrammen gefragt, die ich ihnen bereitwillig gab.

Aus den versprochenen 30 Minuten waren inzwischen fast 50 geworden, als ich endlich den Laden erreichte. Ich war sowieso nie der Pünktlichste. Ich trat ein, schaute mich kurz um und ging zielstrebig auf die Kasse zu. Die beiden Verkäuferinnen waren so in ein Gespräch vertieft, dass sie mich zunächst gar nicht bemerkten. Da ich es eilig hatte und nicht zu viel Zeit verlieren wollte, räusperte ich mich leise, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Die beiden drehten fast synchron ihren Kopf in meine Richtung und sahen mich an.

Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf! Vor mir stand die Frau von Alex Geburtstagsparty, mit der ich mich so lange unterhalten hatte. Was machte sie hier? Und vor allem, seit wann ist sie in Berlin? Ich dachte, sie wohnt in Hamburg. »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte mich die andere Verkäuferin in der Zwischenzeit und unterbrach meine Gedanken. Ich war immer noch so perplex, dass ich nicht richtig zuhörte und zunächst gar nichts sagte.

›S. Brändtlein, Verkäuferin‹ stand auf dem Namensschild ihrer Kollegin, die gerade zum Telefonhörer griff. »Ähm ...«, begann ich, als ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte, und kratzte mich nachdenklich am Hinterkopf, »ich wurde angerufen, da ein Paket für mich angekommen ist und ich es abholen soll.« »Ach ja genau. Wir hatten vorhin telefoniert. Wie war noch mal ihr Name?« »Raphael Ragucci«, antwortete ich mit Seitenblick auf die brünette Frau neben ihr. Ihrem Gesichtsausdruck zufolge war sie ebenso überrascht mich anzutreffen.

»Ihren Ausweis bitte.« Ich zog meinen Personalausweis aus dem Geldbeutel und übergab ihn an die Verkäuferin. »Okay, das passt«, meinte sie nach einem kurzen Abgleich. »Einen kleinen Moment bitte.« Sie drehte sich um und verschwand in einem Raum, der vermutlich als Lager diente.

Ich betrachtete derweil die Frau von Alex' Party aus der Nähe und zum ersten Mal im Tageslicht. Sie war mindestens eineinhalb Köpfe kleiner als ich und sah echt verdammt gut aus. Mittlerweile hatte sie ihr Telefonat beendet. »Was machst du hier?«, fragte ich wenig einfallsreich und könnte mir im gleichen Moment selbst eine reinhauen für diese dämliche Frage.

»Siehst du doch. Arbeiten. Das Gleiche könnte ich dich übrigens auch fragen«, gab sie zurück. »Ich werde von Nike gesponsert und soll wie gesagt ein paar Teile abholen. Die Klamotten hätten eigentlich bei mir zuhause landen sollen, aber ich war nicht da, um sie entgegenzunehmen. Also musste ich jetzt extra hierherkommen, obwohl ich kaum Zeit habe.« Er machte eine Pause.

»Ich bin übrigens Raphael, wie du vielleicht gerade mitbekommen hast, und wie heißt du?« »Sarah.« »Sehr schöner Name«, kommentierte ich. »Danke, deiner gefällt mir auch.« Es herrschte kurz eine peinliche Stille. »Ich fand unser Gespräch letztens auf Alex' Dachterrasse übrigens echt nett und ...«, begann ich erneut.

In jenem Augenblick kam die andere Verkäuferin mit einem großen Paket und zwei vollen Tüten zurück. »Hier bitte schön. Das stand so hinten im Lager und war mit ihrem Namen versehen.« »Danke«, sagte ich und nahm meine Sachen entgegen. »Vielen Dank für Ihren Besuch. Auf Wiedersehen.« »Ciao«, murmelte ich, warf einen letzten Blick auf Sarah und verließ den Laden.

Ich war schon fast an der Rolltreppe zum Parkhaus angelangt, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte. Ich erkannte die Stimme sofort wieder, drehte mich um und war gespannt, was die Person, die eben auf mich zugelaufen kam, von mir wollte.

Heute mal ein Kapitel aus Rafs Sicht. Die beiden haben sich zwar endlich wieder gesehen, aber hatten kaum die Möglichkeit miteinander zu reden. Was denkt ihr, was noch passieren wird?

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt