26 | Was jetzt?

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»Sorry, ich wollte echt nicht, dass ihr euch wegen sowas streitet. Ich hätte das vielleicht nicht tun sollen. Das war unbedacht und dumm von mir«, druckste John schuldbewusst herum. Da hatte er recht. John und ich waren uns immerhin beide einig, dass wir nur Freunde waren und nie mehr laufen würde. Nur Raphael hatte das bedauerlicherweise anders aufgefasst.

»St-Stimmt das, was Raphael gesagt hat wirklich? Dass ich ihm nichts bedeute und nur ein Zeitvertreib war, während er vielleicht was mit irgendwelchen Groupies hatte?«, flüsterte ich schon fast. »Nein, es stimmt natürlich nicht. Du weißt genauso gut wie ich, dass er diese Frauen hauptsächlich mir zuliebe und ein bisschen auch fürs Rapper-Image in unseren Videos dabei hat. Ich finde das halt cool. Raf hat aber nie auch nur eine von ihnen angefasst, weil sie ihn nicht interessieren. Er will nur dich.«

»Wirklich?«, fragte ich unsicher nach. Ein wenig Hoffnung schwang in meiner Stimme mit. Ich hatte die Videos natürlich auch gesehen und wusste daher, dass John zumindest diesbezüglich die Wahrheit sagte. Ernst sah er mich an.

»Ja, wirklich. Ihr hattet Streit und es sind auf beiden Seiten viele unschöne Worte gefallen, viele Aussagen die nicht stimmen. Das ist normal. Raf meint das nicht so. Er hat manchmal leider ein sehr aufbrausendes Temperament. Denkst du, er hätte so wütend und verletzt reagiert, wenn du ihm egal wärst? Ich hab ihn in den letzten Jahren nie so glücklich erlebt, wie seitdem er dich kennengelernt hat. Du tust ihm gut. Er ist mein Bruder, von daher weiß ich um seine Gefühle für dich. Und ich kann dir sagen, du hast ihm ordentlich den Kopf verdreht. Der Junge liebt dich von ganzem Herzen. Bitte macht euch das nicht kaputt. Das ist das Letzte, was ich will.«

Ich ließ seine Worte auf mich einwirken. Es wäre so schön, wenn er recht hätte, aber langsam wusste ich nicht mehr, wem ich was noch glauben sollte. Ich stand auf und schaute aus dem Fenster. Kein Raphael weit und breit zu sehen. »Liebst du ihn denn auch?«, wollte John neugierig wissen. Ich seufzte. »Ja«, antwortete ich knapp. Und zwar schon seit längerer Zeit. Ich war mir nur immer unsicher, wie es um Raphaels Gefühle zu mir stand.

Ich war froh, dass John es mir erzählt hatte, obwohl ich es lieber von Raphael persönlich erfahren hätte. Mit einer Sache lag er auf jeden Fall richtig. Wenn ich ihm nichts bedeuten würde, dann wäre Raphael nicht so ausgerastet. »Und jetzt?«, fragte ich eher an mich selbst gerichtet. »Gib ihm ein wenig Zeit und dann redet miteinander. Egal, wer auf wen zugeht. Anders geht es nicht«, empfahl mir John.

»Hoffentlich lässt er sich überhaupt auf ein weiteres Gespräch ein. Das klang vorhin nämlich nicht so. Ich werde mich dann mal auf den Heimweg machen. Ich muss einfach hier weg und brauche etwas Abstand«, verkündete ich. »Kein Problem. Falls du in irgendeiner Form Hilfe brauchen solltest, kannst du dich auf mich und meine Jungs verlassen. Raf wird einige Zeit brauchen, bis er sich abgeregt hat. Ich hoffe nur, er macht jetzt nichts Dummes. Mir tut das wirklich sehr leid, dass ihr euch meinetwegen gestritten habt. Das wollte ich nicht. Ich drück euch die Daumen, aber das wird schon wieder.«

»Danke John. Was meinst du damit, dass er etwas Dummes tun könnte?«, hakte ich nach. »Keine Ahnung. Sich unnötig mit Alkohol volllaufen lassen, wieder anfangen irgendwelche Drogen nehmen oder so was in der Art«, murmelte John nachdenklich und zuckte mit den Schultern. Oh je, hoffentlich nicht. Ich machte mir nach Johns Worten ehrlich gesagt ein bisschen Sorgen um Raphael, auch wenn mich seine harten Worte ziemlich getroffen hatten.

Als ich kurz darauf auf die Straße trat, blieb ich erst mal stehen, sammelte mich und atmete tief die angenehm kühle, klare Winterluft ein. Ich brauchte ein wenig Zeit, um meine Gedanken zu sortieren, während ich mit der U-Bahn zurück zum Hotel fuhr. Zu meinem Entsetzen fand ich dort das gemeinsame Zimmer mit Raphael leer vor. Lediglich einzelne Kleidungsstücke von mir lagen noch in der Suite verteilt herum, ebenso ein T-Shirt von Raphael, welches er scheinbar vergessen hatte. Hastig lief ich die Treppen nach unten zur Rezeption.

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt