47 | Wohnungssuche

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Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als die Tür sich öffnete und Raphael in den Raum trat. Es raschelte und schließlich senkte sich das Bett. Ohne ein Wort zu verlieren, legte er von hinten einen Arm um mich und zog mich an sich heran. Ich spürte seine warme, nackte Haut auf meiner und empfand von einer Sekunde auf die andere dieses angenehme Gefühl von Geborgenheit. Er drückte mich fester an sich und strich ein paar meiner Haarsträhnen zur Seite.

»Es tut mir leid, Amore«, hauchte mir mein Freund reumütig ins Ohr. Seine Stimme klang ungewohnt sanft, aber genauso wunderschön wie immer. Ich schwieg und suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. »Nein, mir tut es leid, was ich gesagt habe. Ich hätte dich nicht so anfahren sollen. Auch das, was ich über deine Ängste und alles andere gesagt habe, war nicht richtig von mir. Ich bin einfach total durcheinander. Der heutige Tag hat mich so fertiggemacht.«

Mit diesen Worten drehte ich mich um und sah Raphael tief in seine warmen, braunen Augen. Er schaute stumm zurück, hob einen Mundwinkel und fuhr mit seiner Hand von meinem Arm über meine Taille bis hin zur Hüfte. Vorsichtig und zärtlich, als hätte er Angst, dass ich ihn wieder wegstoßen würde. Aber das hätte ich nicht gekonnt. Streit hin oder her, er war mein Freund und ich liebte ihn.

Im Gegenteil - ich klammerte mich in diesem Moment geradezu an Raphael, da er mir den nötigen Halt und die Sicherheit gab. Mein Kopf verweilte auf seinem Brustkorb, meine Hand hatte ich rechts daneben, genau über seinem Herzen platziert. Ich vernahm das gleichmäßige Schlagen und seine ruhigen Atemzüge. Umschlossen von seinen muskulösen Armen, seinen Fingern die unablässig über meinen Rücken strichen und mit seinem unverwechselbaren Duft in der Nase, konnte ich langsam wieder zur Ruhe kommen.

»Danke Raphael. Das ist genau das, was ich gerade am meisten brauche.«. In diesem Moment wünschte ich mir sehnlichst, dass er mich nie wieder loslassen würde. Die Angst und Sorgen waren zwar nach wie vor präsent, doch jetzt hatte ich Raphael, der für mich da war. Ich wusste, dass ich mich auf ihn verlassen konnte. Er gab mir den Schutz und den Rückhalt, den ich brauchte. Bald würde ich ihm alles anvertrauen, aber jetzt war ich zu fertig. Langsam fielen mir die Augen zu und ich schlief ein.

Die Tage vergingen und inzwischen hatte ich die Begegnung mit Luca einigermaßen verdrängt. Ich hatte ihn noch ein weiteres Mal auf dem Flur gesehen, aber hatte direkt kehrt gemacht, noch bevor er mich registrieren konnte. Die Tatsache, dass ich bald arbeitslos war und meine Miete nicht mehr zahlen können würde, schlug mir hingegen schwer auf den Magen. Bisher hatte ich mit Raphael nicht darüber geredet. Es hatte sich nicht ergeben. Er hatte noch ein weiteres Mal nachgehakt, was mit mir los war, aber ließ mich schnell damit in Ruhe, als er merkte, dass ich nicht darüber sprechen wollte.

Dieses Jahr feierten wir zum ersten Mal gemeinsam Weihnachten und verbrachten die Feiertage in Wien mit Raphaels Familie. Ich lernte zum ersten Mal Mario Ragucci, Raphaels Opa, kennen, ein oft ernst wirkender, aber im Grunde genommen gutherziger Mann, der sich für sein hohes Alter wirklich sehr gut gehalten hatte. Ich merkte, dass er Raphael sehr viel bedeutete und er zu seinem Opa aufsah. Ich hatte selbst immer eine sehr gute Beziehung zu meiner Mutter und auch zu meinen Großeltern, aber bei Raphael war es noch einmal etwas ganz anderes. Er war ein extremer Familienmensch. Sie stand bei ihm an erster Stelle und er würde ohne zu zögern wirklich alles für die drei tun. Er blühte im Kreis seiner Liebsten regelrecht auf.

Wir blieben über Neujahr in Wien. Silvester hatten wir ruhig verbracht, waren essen gegangen und hatten vom Kahlenberg aus das Feuerwerk angeschaut. Wenige Tage später flogen wir zurück nach Berlin. Wir hatten im Internet bereits einige interessante Wohnungen entdeckt und Besichtigungstermine vereinbart. Heute stand der erste an. Raphael machte im Studio pünktlich Schluss und holte mich von zuhause ab. Wir fuhren nach Charlottenburg, einem etwas wohlhabenderen Stadtteil Berlins, und hielten vor einem mehrstöckigen Altbau.

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt