48 | Neuer Job

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»Und dann hat sie mir gekündigt. Jetzt stehe ich da, ohne Arbeit und bald auch ohne Wohnung, weil ich mir die Miete nicht mehr leisten kann«, beendete Sarah ihre Erzählung und starrte frustriert aus dem Fenster. Sie tat mir leid. Ich habe früher auch schon in der Lage gesteckt und musste mich mit dämlichen Aushilfsjobs über Wasser halten, weil ich an der Musik nicht viel verdiente.

Nun verstand ich auch ihre seltsame Reaktion auf unseren Kaufvertrag und weshalb sie in letzter Zeit häufiger so schlecht gelaunt war. Mir wäre es in dieser Situation nicht anders ergangen. »Hey, Sarah! Schau mich an«, bat ich sie und legte zwei Finger unter ihr Kinn. »Mach dir keine Sorgen. Wir kriegen das hin. Aber bitte rede das nächste Mal gleich offen und ehrlich mit mir darüber. Das erspart uns beiden Drama. Bis wir unsere eigene Wohnung haben, ziehst du zu mir. Deine Miete teilen wir auf, einen Monat du und einen Monat ich, dann ist der Vertrag sowieso ausgelaufen. Den Rest sparst du. Und einen neuen Job finden wir auch noch für dich.«

»Es war mir einfach unangenehm. Ich will mich nicht so von dir abhängig machen, allerdings sehe ich wirklich keine andere Möglichkeit. Aber wo soll ich denn auf die Schnelle etwas finden? Ich suche doch schon ewig«, fragte sie verzweifelt. »Wie gesagt, mein Angebot, dass du zu Indipendenza kommen kannst, steht weiterhin.«

»Raphael, ich halte das für keine gute Idee, dass wir beim selben Label arbeiten. Wir leben bald zusammen, wir müssen nicht auch noch bei der gleichen Firma arbeiten. Trotz Beziehung sollten wir uns auch Freiräume lassen«, argumentierte sie. Ich dachte eine Weile nach. »Du hast recht«, sagte sie schließlich, »aber ich kann dich auch woanders unterbringen, bei Universal zum Beispiel. Oder du gehst zu Sony Music. Joshi ist da auch unter Vertrag, du könntest dich um sein Management kümmern. Dann kannst du dein Masterstudium endlich abbrechen und hast einen richtigen Job, bei dem du gut verdienst.«

»Das klingt fantastisch. Würdest du das wirklich für mich tun?« Ihr Blick wechselte von besorgt zu freudig. »Denkst du, ich mache Witze? So wahr ich Raphael Ragucci heiße, werde ich das tun. Ich höre mich mal für dich um«, schwor ich ihr. »Danke«, antwortete sie erleichtert. Ich würde also in den nächsten Tagen ein paar Telefonate mit Sony und meinen Jungs führen und versuchen, Sarah einen Job zu vermitteln.

Wenn man bereits Kontakte in der Musikindustrie hatte, war es deutlich leichter an einen Job zu gelangen und in diesem Business Fuß zu fassen. Ich fand es gut, dass Sarah eigene Ziele hatte, anstatt sich auszuruhen, weil ich schon genug Geld für uns beide verdiente. Sie wollte selbst etwas erreichen und sich nicht von mir abhängig machen. Deshalb wollte ich sie dabei auch so gut wie möglich unterstützen.

Etwa eine Woche später konnte ich Sarah endlich gute Nachrichten übermitteln. Sie war gerade dabei ein paar Sachen zusammenzupacken, als ich sie anrief. »Hey, Amore. Alles klar bei dir?« »Na, alles okay und bei dir?«, fragte sie fröhlich. »Passt soweit. Ich habe mich bei einigen Labels umgehört. Es war gar nicht so leicht etwas zu finden, aber Sony Music hat großes Interesse gezeigt. Sie würden dich gerne mal zu einem Gespräch einladen«, teilte ich meiner Freundin mit.

»Super, vielen Dank. Du weißt gar nicht, wie froh ich darüber bin.« »Es gibt nur einen kleinen Haken.« Ich räusperte mich. »Und welchen?«, fragte Sarah misstrauisch nach. »Sie können dir erst ab Mai eine Stelle anbieten - so lange solltest du dann wohl oder übel weiter studieren.« Ein Seufzen ertönte am anderen Ende der Leitung. Wir besprachen noch ein paar weitere Dinge, da Sarah, wenn alles gut lief, am Ende des Monats vorübergehend in meine Wohnung ziehen würde und legten auf. Dann machte ich mich fertig und fuhr ins Studio.

Sarahs Sicht

Wieder mal hatte ich einen langen Tag an der Uni hinter mich gebracht. Zwei Vorlesungen und ein Seminar am Stück empfand ich als sehr anstrengend. Ich war froh, dass Raphael seine Kontakte genutzt hatte und für mich nach einem richtigen Job Ausschau hielt. Ich kannte mich im Musikbusiness zwar kaum aus, aber ich hatte Ahnung von Management und würde dort eingelernt werden. Manchmal fragte ich mich, warum ich vorher selbst nie auf die Idee gekommen war, in dieser Branche einzusteigen.

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt