41 | Blaues Auge

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Ich ging ins Badezimmer, um zu duschen. Mein Kopf dröhnte und fühlte sich an, als würde er jeden Augenblick zerspringen. Als ich einen kurzen Blick in den Spiegel warf, erschrak ich. An meinem Hals befanden sich mehrere Kratzer und Druckstellen, ich hatte ein blaues, dick angeschwollenes Auge, das höllisch wehtat und meine rechte Wange war voller roter Striemen.

Entsetzt wand ich mich ab, stieg in die Dusche und ließ warmes Wasser auf meine Haut prasseln. Was ich am schlimmsten fand, war die Tatsache, dass ich keinerlei Erinnerungen an die letzte Nacht, geschweige denn an eine mögliche Schlägerei hatte. Ich wusste nicht, was genau passiert war und das bereitete mir Sorgen. Wer um Himmels Willen hatte mich so zugerichtet?

Da ich nicht in meiner eigenen Wohnung war und somit keine Wechselklamotten dabeihatte, musste ich mir welche von Raphael borgen. Ich machte mich nur in einem kuscheligen weißen Handtuch bekleidet auf, um mir Kleidung herauszusuchen. Im Flur stand ich vor seinem Schrank und wollte gerade die Tür öffnen, als ich plötzlich ein raschelndes Geräusch vernahm. »Musst du nicht zu deinem Meeting?«, hakte ich irritiert nach, nachdem ich ins Wohnzimmer gegangen war, wo ich meinen Freund vor seinem Laptop sitzend vorfand. Raphael hatte mir doch erzählt, dass er deswegen extra früher zurück nach Berlin geflogen war.

»Das war heute früh. Ich habe mich nur mit meinem Geschäftspartner Ronny getroffen und da ich dich nicht komplett alleine lassen wollte, habe ich ihn spontan hierher eingeladen.« Mein Blick fiel auf den Esstisch, auf dem zwei leere Kaffeetassen standen. »Was ich dich eigentlich noch fragen wollte; könntest du mir vielleicht irgendwelche Klamotten von dir geben? Ich habe nichts dabei außer das Kleid von letzter Nacht«, bat ich ihn. Ich wollte nur ungern wieder zurück in das Kleid, welches gestern etwas schmutzig geworden und zudem verschwitzt war, steigen.

»Da trifft es sich ja gut, dass Ronny vorhin ein paar Exemplare der nächsten Cørbo Kollektion vorbeigebracht hat. Da finden wir bestimmt was für dich und du kannst die Sachen auch behalten«, erklärte Raphael bereitwillig. Er stand auf, ging zu einem großen Karton und wühlte darin herum. Schließlich zog er eine weiße Hose und ein schwarzes T-Shirt in meiner Größe heraus und drückte mir die Sachen in die Hand. Ich verschwand wieder im Bad, um mich anzuziehen, und kehrte danach zu Raphael zurück. Er saß inzwischen auf seinem schwarzen Ledersofa.

Ich ging auf ihn zu, ließ mich auf seinem Schoß nieder, die Beine über die Armlehne gelegt und kuschelte mich an ihn. Raphael streichelte mir sanft über die Wange, drehte meinen Kopf zu sich, sodass ich ihn ansah und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, den ich sofort erwiderte. Dann sah er mir tief in die Augen. Sein Blick war ernst.

»Amore, du hast letzte Nacht echt Glück im Unglück gehabt. Das hätte deutlich schlimmer ausgehen können. Momo hat mir alles erzählt. Aber das an deinem Auge sieht gar nicht gut aus. Du solltest dringend zum Arzt gehen. Ich bringe dich auch hin«, machte er mir deutlich. »Muss das sein?«, murrte ich. Ich hasste es, immer stundenlang im Wartezimmer hocken zu müssen, um dann gerade mal fünf bis zehn Minuten behandelt zu werden. In der Wartezeit hätte ich auch schon anfangen können, selbst Medizin zu studieren.

»Ja, das muss sein. Keine Widerrede. Lass das bitte untersuchen. Nicht, dass es doch etwas Schlimmeres als ein bloßer blauer Fleck ist und wir das nicht bemerken. »Ja okay. Du hast recht«, seufzte ich. Ausnahmsweise verkniff sich Raphael diesmal einen Kommentar à la »ich habe immer recht«, sondern nickte nur zustimmend. Ich telefonierte kurz mit meinem Hausarzt und hatte sogar die Möglichkeit direkt zu einer Untersuchung vorbeizukommen. Also fuhr Raphael mich dort hin. »Sag Bescheid, wenn du fertig bist, dann hole ich dich ab. Ich gehe solange einkaufen.«

Nach einer Dreiviertelstunde stand ich wieder vor der Praxis und kontaktierte Raphael. Es dauerte nicht lange, bis er im Maserati um die Ecke bog. »Na, was hat der Arzt gesagt?«, fragte er zur Begrüßung. »Die Verletzung ist nur halb so schlimm, wie sie aussieht. Ich soll das Auge regelmäßig kühlen und er hat mir noch eine Salbe verschrieben. Trotzdem habe ich ziemlich heftige Schmerzen. Hinzu kommt, dass ich eine leichte Gehirnerschütterung erlitten habe. Das bedeutet viel Ruhe und Erholung.« Wir machten einen kurzen Zwischenstopp bei der Apotheke, um die Salbe sowie Schmerztabletten zu kaufen, und fuhren anschließend zurück zu Raphaels Wohnung.

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt