60 | Kein Weg zu weit

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Nachdem ich die Erlaubnis von meinem Chef bekommen hatte, machten Raphael und ich uns daran, Pläne zu erstellen und zu recherchieren, wo wir überall hinwollten. Für meinen Freund war es wichtig, dass es in den Ländern keine großen Spinnen gab und auch ich war nicht scharf darauf, irgendwelchen giftigen Dschungeltieren zu begegnen oder bei lebendigem Leib gefressen zu werden.

Bisher hatten wir uns auf Barcelona, die USA, Marokko, Kuba sowie Thailand geeinigt. Raphael wollte mir zudem unbedingt mal Tokio zeigen und mehr vom Balkan sehen. Auf meiner Liste stand unter anderem noch Island, da ich gerne mal die Nordlichter sehen würde und das Land eine einzigartige Natur haben soll. Zuallererst stand aber seine Wanderung entlang des Jakobswegs an.

Raphael hatte sich bewusst dazu entschieden in der Nebensaison dorthin zu reisen, da dann kaum Touristen unterwegs waren. Fünf Wochen würde er wegbleiben und er wollte tatsächlich sein Smartphone zuhause lassen, damit ihn nichts und niemand ablenken konnte. Nach langem Hin und Her konnte ich ihn schließlich dazu überreden, ein altes Klapphandy mitzunehmen, mit dem man lediglich telefonieren und SMS schreiben konnte. Ob er es nutzen würde, war die andere Frage. Er hatte lediglich zwei Nummern eingespeichert: Die von mir und die von seiner Mutter.

Ich würde ihn sehr vermissen, keine Frage, und er mich auch. Aber wir würden es schaffen. Am Anfang unserer Beziehung waren wir schließlich auch zwischenzeitlich lange getrennt, als Raphael in Wien an seinem Album gearbeitet hatte. Die letzten beiden Tage vor Beginn seiner Reise verbrachten wir rund um die Uhr zusammen und holten einige Dinge nach, für die zuletzt nur wenig Zeit blieb.

Wir hatten uns entschieden, dass wir uns abends schon verabschieden würden, da Raphael am nächsten Tag sehr früh aufbrechen wollte und mir der Abschied so etwas leichter fallen würde. »Ich werde dich so vermissen, tesoro. Bitte melde dich irgendwann zwischendurch mal bei mir, damit ich weiß, ob es dir gut geht und ich einfach deine Stimme hören kann. Okay? Ich wünsche dir viel Spaß, eine schöne Zeit und hoffe, dass du es schaffst, durch die Reise wieder ein Stück zu dir selbst zu finden, wie du es wolltest. Erhole dich gut und komm gesund wieder. Ich liebe dich.«

Mit meinen Händen fuhr ich ihm mehrmals durch seine weichen Haare und kraulte ihn leicht im Nacken. Raphael drehte mich so, dass ich auf ihm lag, sah mir tief in die Augen und verschloss seine Lippen mit meinen. Ich hatte mich mit den Armen links und rechts neben ihm auf der Matratze abgestützt. »Ich liebe dich auch, Sarah. Du wirst mir genauso fehlen, aber ich freue mich auch darauf, alleine unterwegs sein zu können. Ich werde bestimmt mal anrufen, wenn es sich ergibt und ich da unten Netz habe«, antwortete er.

»Und noch etwas. Bitte pass auf dich auf!« Eindringlich sah ich ihn an. »Mach ich immer, Amore.« Er lächelte sanft und ich verlor mich in seinen wunderschönen braunen Augen, die mich liebevoll wie wohlwollend musterten. Ich wollte noch gar nicht daran denken, dass ich morgen früh alleine im Bett aufwachen würde. Doch das war schnell vergessen, als Raphael erneut seine Lippen auf meine drückte, mich immer intensiver und stürmischer küsste und schließlich begann, mir meine Kleidung auszuziehen. Wenig später lag ich etwas erschöpft auf der Matratze neben ihm.

»Ich gehe kurz duschen«, verkündete ich. »Okay, ich komme mit.« Raphael grinste mich an. Nach einer weiteren Runde stieg ich aus der Dusche, trocknete mich ab und zog mir ein T-Shirt über. Als Raphael zurück ins Schlafzimmer kam, kuschelte ich mich an ihn und lehnte meinen Kopf gegen seinen Brustkorb. Sein Atem ging noch immer unkontrolliert und ich spürte, dass sein Herz sehr schnell schlug. Ich lächelte und streichelte ihn beruhigend. Das Letzte, was ich merkte, war, dass er mir einen Kuss auf die Stirn drückte und leise etwas murmelte, ehe ich einschlief.

Es war nicht ungewohnt, dass Raphaels Betthälfte am nächsten Morgen leer war, schließlich war er öfters mal woanders unterwegs. Über so einen langen Zeitraum getrennt waren wir allerdings seit Raphaels Arbeit an Zenit vor rund zwei Jahren nicht mehr gewesen. Aber ich versuchte, es wie immer positiv zu sehen. Für Raphael war die Reise mental wichtig und ich konnte Dinge erledigen, zu denen ich sonst nicht kam. Außerdem würde ich mich mal wieder mit meinen Freunden und meiner Familie aus Hamburg treffen.

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt