56 | Show must go on

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Raphael musste insgesamt zehn Tage im Krankenhaus bleiben und ich hatte ihn in dieser Zeit täglich besucht. Heute durfte er endlich nach Hause. Er hatte seine Sachen bereits gestern gepackt und musste nun nur noch die letzten wichtigen Unterlagen, wie den Befund des Arztes, abholen. Dann war er offiziell entlassen.

Ich kam ihn zur Überraschung im Ferrari abholen. Es war das erste Mal, dass ich den teuren Schlitten alleine gefahren war, und ich hatte es souverän gemeistert. Raphael begann automatisch zu strahlen, als er mit seiner Sporttasche über der Schulter durch die Drehtür des Krankenhauses nach draußen trat und mich erblickte, wie ich mit den Händen in den Hosentaschen an seinen Ferrari gelehnt dastand.

»Das geilste Auto und die schönste Frau der Welt. Sexy. Ich hab's vermisst.« Er breitete seine Arme aus und ich kam auf ihn zu. Nach der Begrüßung wollte Raphael sich ans Steuer setzen, doch ich kam ihm zuvor. »Nix da. Du musst dich schonen. Ab auf die andere Seite«, kommandierte ich. Nach einer kurzen Diskussion fügte er sich schließlich und nahm, wenn auch grummelnd, auf dem Beifahrersitz Platz.

Zuhause fühlte sich Raphael wieder müde und legte sich ins Bett, während ich seine Sachen aufräumte und Mittagessen machte. »Kommst du, tesoro? Essen ist fertig«, rief ich ihn. Kurz darauf schlurfte er ins Wohnzimmer und ließ sich auf einen der Stühle fallen. Er sah übermüdet und schlapp aus. So wirklich gesund war er nicht.

»Hast du noch starke Schmerzen?«, fragte ich mitfühlend. Raphael schüttelte den Kopf. »Geht schon. Ich muss aber bis zum Wochenende wieder fit sein«, erklärte er. »Warum das denn?« Überrascht sah ich ihn an. »Weil ich am Samstagabend auf einem Festival spiele«, nuschelte er mit vollem Mund. »Raphael, du weißt, was der Arzt gesagt hat. Du sollst dich ausruhen und musst dich schonen. Und nicht vor 20.000 Leuten auf der Bühne stehen. Das ist absolut unverantwortlich«, belehrte ich ihn.

»Weißt du, was in meinen Augen unverantwortlich wäre? Meine Fans zu enttäuschen. Es ist das letzte Mal, dass ich auf Festivals auftrete. Das letzte Mal, für alle Zeiten. Ich würde so viele Menschen traurig machen, die sich darauf gefreut haben, mich noch einmal live zu sehen und das würde ich nicht übers Herz bringen. Sie bekommen danach vielleicht nie wieder die Chance und auch ich will diesen Moment noch ein paar Mal erleben, bevor es endgültig vorbei ist.«

Ich schwieg betroffen. Einerseits hatte ich Respekt vor seinem Willen und seiner Disziplin, andererseits war das, was er vorhatte, schlichtweg unvernünftig und er konnte seinem Körper damit mehr Schaden anrichten, als dass es ihm guttat. Ich wusste aber auch, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, ihn davon abbringen zu wollen.

»Aber nur unter zwei Bedingungen. Erstens, du bleibst bis Samstag im Bett, erholst dich und stehst nur im Notfall auf. Zweitens, ich begleite dich zum Festival und wenn etwas ist oder es dir nicht gut geht, brichst du die Show ab.« Raphael nörgelte zwar erst an meinem Vorschlag herum, stimmte aber schließlich doch zu und ging nach dem Essen zurück ins Bett, wo er den restlichen Tag blieb.

Am Samstag ging es Raphael tatsächlich schon deutlich besser. Er war munter und hatte kaum noch Schmerzen. Früh am Morgen fuhren wir los. Das Festivalgelände war gute zweieinhalb Autostunden von Berlin entfernt irgendwo in der Pampa gelegen. Vor Ort checkten wir ins Hotel ein und fuhren nach einer kurzen Pause mit Raphaels Jungs zum Gelände. Dort machten wir uns im Backstage breit.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen stand der Soundcheck an, ehe am späten Nachmittag das Festival offiziell eröffnet wurde. Raphael hatte sich zurückgezogen und entspannte vor der Show auf einem Sofa. Als er das Zeichen bekam, dass sein Auftritt gleich beginnen würde, stellten wir uns alle seitlich hinter die Bühne, sodass wir von den Fans nicht gesehen werden konnten, aber gleichzeitig einen guten Überblick über alles hatten.

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt