28 | Frieden?!

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Raphaels Sicht

Ich hatte nicht alles von dem, was Sarah erzählt hatte mitgekriegt, da ich gegen die aufkommende Müdigkeit ankämpfte und der Alkohol mir den Rest gab, sodass ich mich kaum konzentrieren konnte. Aber dieser eine Satz: »Du solltest wissen, dass ich dich über alles liebe«, hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich hatte mich in Sarah verliebt und sie sich scheinbar auch in mich, falls sie dieses Mal die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht würde ja doch noch alles besser werden, auch wenn ich ziemlich skeptisch dem gegenüber war. Sarah würde mir sicherlich nicht so einfach verzeihen und auch sie hatte mich mit ihren Worten verletzt.

Die ganzen nächsten Tage verbrachte ich ausschließlich damit, Musik zu machen. Ich schloss mich für insgesamt sieben Tage im Studio ein, produzierte wie ein Wahnsinniger Beats und ließ meinen Gefühlen in meinen Texten freien Lauf. Das war nach exzessivem Alkohol- und Drogenkonsum die zweite Alternative, wie ich schon häufig versucht hatte, Konflikten aus dem Weg zu gehen und Dinge vergessen zu machen - ich stürzte mich kopfüber in die Arbeit, ohne Rücksicht auf Verluste.

Am folgenden Nachmittag hatte ich mich gerade erst in den Massagesessel gesetzt, den ich mir in mein Studio gestellt hatte, um nach der Arbeit etwas zu entspannen, als mein Handy klingelte. Man hatte hier aber auch keine Minute seine Ruhe! Genervt fischte ich mein Smartphone aus der Hosentasche und ging ran, ohne einen genaueren Blick darauf zu werfen. Hätte ich das mal besser getan.

Am anderen Ende der Leitung dröhnte mir Johns tiefe Stimme entgegen: »Hey Bru-«. Weiter kam er nicht, denn ich schnitt ihm gnadenlos das Wort ab. »Nenn mich nicht Bruder, die Zeiten sind vorbei. Du bist nach der Aktion sicher nicht mehr mein Bruder.« Ich verdrehte die Augen. Auf John hatte ich jetzt absolut keine Lust.

»Ich muss mit dir reden und du hörst mir jetzt zu, Raf. Wag es nicht, mich wegzudrücken, sonst suche ich mir direkt ein neues Management. So kann das nämlich nicht weitergehen.« John klang ungewöhnlich ernst, weshalb ich kurz innehielt. Er nutzte die Gelegenheit, um fortzufahren.

»Du bist mein Bruder, bester Freund und Geschäftspartner. Ich will mich auf keinen Fall mit dir streiten. Fakt ist, wir wissen beide, dass das letztens in Hamburg - nun ja - sagen wir mal, nicht so toll gelaufen ist. Ich verstehe, dass du sauer bist und ich gebe zu, dass das mit dem Kuss auf Sarahs Wange unnötig von mir war. Es hatte aber keinerlei Bedeutung für mich. Ausgehend von dem, was du mitbekommen hast, musste es auf dich ja so wirken, als hätte ich was mit ihr. Aber das stimmt nicht. Es handelt sich nur um ein riesiges Missverständnis. Bruder, warum sollte ich mich an die Frau ranmachen, auf die du stehst? Du weißt, dass ich das niemals tun würde und Sarah genauso wenig.«

»Meinst du das ernst?«, fragte ich zweifelnd. »Ja, Digga. Ist mein voller Ernst. Ich habe es dir zwar noch nicht erzählt, aber vor einer ganzen Weile habe ich selbst eine Frau kennengelernt, die ich toll finde. Wir haben seit Kurzem etwas am Laufen. Sie ist bombe, ich schwöre es dir. Von daher habe ich also gar kein Interesse an Sarah. Wir sind wirklich bloß ganz normale Freunde. Sie gehört dir und ich wäre selber froh, wenn ihr beiden endlich zusammenkommt. Kann man ja nicht mit ansehen, wie ihr immer traurig rumhängt und verzweifelt, weil ihr euch wegen unnötigem Kleinkram in die Haare kriegt, anstatt dass ihr euch aussprecht und euch eure Liebe gesteht.«

Ich erhob mich aus dem Massagesessel und dachte eine Weile über Johns Worte nach. Dann zündete ich mir eine Zigarette an und stützte mich auf der Arbeitsplatte in der Küche neben dem Herd ab. Normalerweise galt für alle, dass im Studio nicht geraucht wurde, aber heute machte ich eine Ausnahme. »John, ich glaube, du hast recht«, sagte ich langsam und bedacht.

»Das, was du gesagt hast, macht Sinn. Ich vertraue dir eigentlich blind und wenn du jetzt sowieso 'ne Chaya an deiner Seite hast, dann willst du offenbar wirklich nichts von Sarah. Glückwunsch an der Stelle, ich wünsche euch beiden alles Gute. Ich habe wohl überreagiert und mich in etwas hineingesteigert, was so nicht stimmt. Es war dumm von mir, dich grundlos zu beschuldigen. Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Frieden?«

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt