43 | Nächtliche Gespräche am Strand

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Die darauffolgenden beiden Tage mit Raphael in Barcelona waren sehr erholsam. Wir konnten endlich mal wieder die Tage rund um die Uhr miteinander verbringen, ohne, dass einer von uns arbeiten musste oder anderweitig Termine und Verpflichtungen hatte. Mir wurde bewusst, wie wichtig diese rare Zeit für uns war, weshalb wir sie in vollen Zügen auskosteten.

Am Montagabend saßen wir zunächst draußen an der Hotelbar, ehe wir uns dazu entschieden, ein letztes Mal vor unserer Heimreise an den Strand zu gehen. Raphael hielt mir seine Hand hin und so schlenderten wir gemütlich in Richtung der Strandpromenade. Wir überquerten die kleine Straße und zogen unsere Schuhe aus, nachdem wir im feinkörnigen, gelben Sand standen.

»Los! Wer schneller beim Wasser ist«, rief Raphael. Das ließ ich mir natürlich nicht zwei Mal sagen und rannte direkt los. Doch ich hatte wohl Raphaels Fitness durch das tägliche Training unterschätzt. Er zog locker an mir vorbei und lief gegen Ende sogar extra langsamer, als er das Wasser erreichte. »Gewonnen!«, triumphierte er. Ich atmete schwer. »Dafür möchte ich aber eine Belohnung«, forderte Raphael. »Du weißt schon, dass das ein bisschen unfair war, oder? Aber na gut, was stellst du dir denn unter der Belohnung vor?«

Ich sah, dass er angestrengt nachdachte, da sich eine steile Falte auf seiner Stirn gebildet hatte. Plötzlich funkelten seine fast schwarzen Augen verräterisch. »Also vorerst würde mir ein Kuss reichen. Den Rest verschieben wir auf später, wenn wir zurück im Hotel sind«, ließ er mich wissen. »Okay abgemacht«, gab ich mich geschlagen, schlang meine Arme um seinen Nacken und verwickelte ihn in einen langen, gefühlvollen Kuss.

Wir ließen uns nebeneinander in den weichen, immer noch leicht warmen Sand fallen. Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander und lauschten dem Meeresrauschen, bis Raphael schließlich die Stille brach.
»Wie hat dir unser kleiner Urlaub gefallen?«, fragte er und sah mich interessiert an. »Es war wirklich toll und definitiv ein unvergesslicher Geburtstag. Die Stadt ist ebenfalls schön und vor allem sehr vielseitig. Die Mischung aus Großstadturlaub, aber gleichzeitig auch die Nähe hier zu Strand und Meer gefällt mir. Schade, dass wir morgen schon zurückfliegen. Sag mal, musst du eigentlich danach wieder nach Wien?«

»Ja, ich werde gleich morgen Nachmittag dorthin fliegen. Ich muss mit meinem Album vorankommen und Wien ist einfach die beste Inspiration für mich. Aber weißt du, was mich traurig macht? Dass wir uns immer so lange nicht sehen können. Der Urlaub mit dir war toll, aber solche Tage sind einfach viel zu rar in unserem Leben. Ich war eigentlich immer der totale Einzelgänger, meistens sogar in Beziehungen, weshalb manche es nicht lange mit mir ausgehalten haben, aber mit dir ist es irgendwie anders, wie so vieles.

Das macht mir auf der einen Seite selbst ein bisschen Angst, denn eigentlich liebe ich es, komplett unabhängig zu sein. Aber auf der anderen Seite genieße ich es, und bin extrem froh, dich zu haben. Es ist einfach ungewohnt. Wenn ich in Wien bin, denke ich dauernd an dich, wie es dir wohl geht und was du so machst und ich vermisse dich. Mir gefällt es gar nicht, dass wir seit Monaten so lange voneinander getrennt sind, aber momentan geht es leider nicht anders. Ich dachte mit der Zeit gewöhnt man sich daran, aber scheinbar doch nicht«, meinte er nachdenklich.

Ich lehnte mich an seine Schulter und er legte einen Arm um mich. »Ich vermisse dich auch wahnsinnig, obwohl ich ebenfalls in den letzten Jahren zum Einzelgänger geworden bin. Aber es macht schließlich auch einen Unterschied, ob man mal ein oder zwei Wochen voneinander getrennt ist oder mehrere Monate.« Seitdem meine vorherige Beziehung in die Brüche gegangen war, war ich eine Weile ziemlich auf Distanz gegangen und habe viel Zeit alleine verbracht. Nur meine beiden engsten Freunde, Alex und Amina, ließ ich nach wie vor so nah an mich heran.

»Ohne Spaß, ich kann das nicht mehr lange. Ich bin echt froh, wenn ich fertig bin mit Zenit. Nicht nur wegen der vielen schlaflosen Nächte und dem ganzen Stress. Ich habe zurzeit eine ziemliche Downphase. Ich komme nicht so voran, wie ich will, bin oft unzufrieden mit meinen Songs und könnte dauernd alles umwerfen. Viel lieber würde wieder bei dir sein oder eben mit dir zusammen in Wien. Natürlich habe ich dort meine ganze Ekipa, meine Familie, aber das ist eben etwas anderes, als die Frau, die man liebt, bei sich zu haben. Im Herbst kommt das Album, nächstes Jahr dann noch ein paar Festivals sowie eine Tour und dann war's das. Ich liebe es, Musik zu machen, auf Bühnen zu stehen und Hallen zu füllen, keine Frage, aber ich merke langsam, dass ich zu alt dafür bin. Es gibt andere Dinge, die mich noch mehr erfüllen würden.«

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt