51 | Vergangenheit

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Raphaels Sicht

Ich vernahm einen gellenden Schrei und sah alarmiert auf. Das war eindeutig Sarahs Stimme. »Ich muss Schluss machen, Ronny. Sarah braucht mich. Da ist irgendwas passiert«, erklärte ich meinem Geschäftspartner hastig, drückte auf den roten Button zum Auflegen und rannte los. Nebenbei stopfte ich mir irgendwie mein Handy in die Hosentasche. Ich konnte meine Freundin nirgendwo entdecken und blickte mich suchend um. Sarah war wie vom Erdboden verschluckt.

»Hmm-mh.« Das Geräusch kam ganz aus der Nähe. Ich betrat die Grünfläche und entdeckte sie im Schutze eines Busches zusammen mit einem fremden Mann, der sie festhielt. Mit einer Hand hielt er Sarah den Mund zu und mit der anderen hatte er ihre Arme auf den Rücken gedreht. Ich zögerte keine Sekunde und ging dazwischen. Ich nutzte den Überraschungsmoment und traf den fremden Mann mit der Faust, woraufhin er Sarah losließ, nach hinten taumelte und stürzte.

»Bleib hinter mir, Sarah, und halte Abstand!«, befahl ich ihr, baute mich über dem Angreifer meiner Freundin auf und platzierte mich so, dass er nicht aufstehen konnte. Ich drückte ihn auf den Boden. Aus dem Augenwinkel vernahm ich, dass Sarah wie angewurzelt an Ort und Stelle stehen geblieben war. »Ist dieser wildgewordene Kampfhund da über mir etwa dein Freund?«, fragte der junge Mann spöttisch an Sarah gewandt. Sie antwortete nicht.

»Ja, ich bin ihr Freund. Problem? Was willst du kleiner piç hier?«, fuhr ich ihn an. »Was denkst du, wer du bist? Sarah gehört zu mir. Sie ist meine Freundin und ich nehme mir nur, was mir zusteht. Aber ey, ich kenne dich irgendwoher. Bist du nicht einer von diesen abgehobenen Rappern? Sarah, seit wann umgibst du dich mit solchen Junkie-Opfern?« Mir platzte bald der Kragen und ich war kurz davor die Beherrschung zu verlieren.

»Ein Scheiß steht dir zu. Vielleicht ein Schlag in die Fresse, den hättest du verdient«, blaffte ich und fixierte ihn mit wütendem Blick. »Wer auch immer du bist, Sarah ist glücklich vergeben und hat kein Interesse an dir. Du hast keinerlei Ansprüche zu stellen und kein Recht, diese Beziehung zu zerstören. Du hast sie gegen ihren Willen begrapscht und festgehalten. Hast du gar keine Ehre, du piç? Und ob ich Rapper bin oder nicht, tut nichts zur Sache. Wenn du sie noch einmal anfasst, dann gnade dir Gott. Wenn ich will, kann ich herausfinden lassen, wo du wohnst, und ich habe kein Problem damit, dir mal ein paar Leute von mir vorbeizuschicken. Das sind Jungs von der Straße, die machen kurzen Prozess mit dir.« Verächtlich spuckte ich neben ihn auf die Wiese.

Unter meinem hasserfüllten, kalten neapolitanischen Blick würde er eh in Kürze den Schwanz einziehen – falls dieses schmächtige, ungepflegte Bürschchen zu meinen Füßen überhaupt einen besaß. Woher er die Kraft hatte, Sarah festzuhalten, war mir ein Rätsel. »Ach, wenn sie so glücklich wäre, warum ist sie mir dann heute in die Arme gerannt und trifft sich heimlich mit mir in der Uni?« Ich hielt kurz irritiert inne. Was erzählte er da? Als ob sich Sarah heimlich hinter meinem Rücken mit einem anderen Mann treffen würde. Die Aussage klang zwar einigermaßen glaubwürdig, aber widersprach völlig der Tatsache, dass er Sarah festgehalten und sie nach Hilfe gerufen hatte.

»Du lügst«, behauptete ich treffsicher. »Und jetzt ein allerletztes Mal: Du lässt ab sofort deine dreckigen Finger von meiner Freundin, sonst hacke ich sie dir ab! Sarah ist tabu für dich. Du schaust sie zukünftig nicht mal mehr mit dem Arsch an, verstanden? Sonst ramme ich ihn dir so tief in den Boden, dass man ihn als Fahrradständer verwenden kann. Also, wenn mir noch mal ein Sterbenswörtchen zu Ohren kommt, kannst du dich auf was gefasst machen. Dann vergesse ich mich. Verpiss dich und lass dich nie wieder in Sarahs Nähe blicken!«, redete ich mich in Rage. Ich ließ von ihm ab und der Unbekannte ergriff schnell die Flucht.

Dann erst drehte ich mich um, um nach Sarah zu schauen. Sie saß wie ein Häufchen Elend zusammengekauert auf einer Mauer, unweit der Stelle, wo ich ihren Angreifer zu Fall gebracht hatte. Sarah hatte ihre Beine angezogen und ihren Kopf auf die Knie gelegt. Sie schluchzte. Ich stellte mich direkt vor sie und streichelte ihr beruhigend über den Rücken. Zunächst zuckte sie unter meinen Berührungen zusammen.

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt