8. Der alte Gamal ⋆

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»Zander! Tuna! Wie schön, dass ihr mich besuchen kommt!«, krächzte der alte Mann, der den Verleiher am nördlichen Ufer des Riu Mare betrieb

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»Zander! Tuna! Wie schön, dass ihr mich besuchen kommt!«, krächzte der alte Mann, der den Verleiher am nördlichen Ufer des Riu Mare betrieb. Die Bewohner des Hafenviertels nannten ihn einfach nur Gamal, was so viel wie Alter bedeutete. 

Gamal war schon alt gewesen, als Zander noch auf den Straßen der Stadt gelebt, Passanten bestohlen und ab und zu nach ehrlicher Arbeit Ausschau gehalten hatte. Sein besonderes Merkmal war ein nahezu unerschütterlicher Glaube an das Gute im Menschen. Ganz egal, was man angestellt hatte, der alte Gamal glaubte daran, dass man sich ändern konnte und lediglich eine Chance benötigte, um sich zu beweisen. 

Er war es auch gewesen, der Zander aufgrund seiner besonderen Talente an die Forellis vermittelt hatte. In gewisser Weise hatte er ihn gerettet. Zander wollte gar nicht wissen, was ohne Gamals Intervention aus ihm geworden wäre. 

»Was verschafft mir die Ehre?«, fragte der alte Mann weiter, während er die Tür zum Hinterzimmer des Ladens verriegelte.

Zander ließ seinen Blick über die Regale aus dunklem Altarivaer Eichenholz schweifen, in denen Gamal seine Auftragsbücher und Personenverzeichnisse aufbewahrte. Jeder Bewohner, der auf der Suche nach Arbeit war oder Arbeit anzubieten hatte, ließ sich in einem dieser Bücher wiederfinden. Gamals ehrenhafte Aufgabe war es, die Suchenden mit den Gesuchten zusammenzubringen. 

»Wir waren gerade zufällig in der Nähe«, meinte Zander, dem der strenge Geruch nach Pfeifentabak, alter Tinte und verrottendem Pergament ein wehmütiges Lächeln ins Gesicht zauberte. Kein anderer Duft hatte ihm je so viel Freude bereitet. Den meisten Straßenkindern ging es so, denn der alte Gamal hatte immer ein offenes Ohr und manchmal auch etwas zu essen oder ein warmes Nachtlager für sie. 

Zanders Blick wanderte zu Tuna, die ganz ähnlich empfinden musste wie er. Langsam schritt sie die Regalreihen ab, wobei die Absätze ihrer Stiefel ein klapperndes Geräusch auf den Holzdielen verursachten.

»Herr Forelli denkt doch nicht etwa daran, seine Zahlen nach unten zu korrigieren, oder?«, fragte Gamal und schleppte sich, auf einen Holzstock gestützt, der genauso knorrig und krumm war wie er selbst, hinter den verstaubten Tresen. Sein Gesicht schien nur aus Falten zu bestehen und seine blassen Augen waren unter seinen faltigen Lidern kaum zu erkennen.

»Nein, nein«, seufzte Zander und lehnte sich gegen den Tresen. »Ich bin nicht im Auftrag der Forellis hier.«

»Ach nein?«, erwiderte Gamal amüsiert. »Dann bist du wohl auch nicht hier, um die Zahlen aufzustocken?«

»Weshalb?«, fragte Zander, während er aus den Augenwinkeln Tuna beobachtete, die an einem der Auftragsbücher herumzupfte und dabei eine kleine Kaskade aus krakelig beschriebenen Papierbögen verursachte, die sich vor ihr auf den Fußboden ergoss. Es war eine schlechte Angewohnheit von ihr, dass sie immer alles anfassen musste, beinahe, als könnte sie die Welt nur mit den Händen ganz begreifen. Noch dazu fehlte ihr das Feingefühl, das sie mit dem Schwert an den Tag legte, oft in anderen Bereichen. Als besonders begabte Taschendiebin hatte sie sich - nach Zanders Informationen - während ihrer Kindheit auf der Straße jedenfalls nicht hervorgetan.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt