100. Etwas ist anders

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»Zander?«, fragte Iris

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»Zander?«, fragte Iris. Ihre Stimme schien von der herrschenden Düsternis verschluckt zu werden. Daher wusste sie nicht, ob Zander sie gehört hatte. Er ließ sich jedenfalls keine Regung anmerken. Obwohl sie am liebsten sofort zu ihm gerannt wäre, bemühte sich Iris um ein angemessenes Schreiten. Der Weg zum türkisfarbenen Becken, das die Statue der Göttin Lacuna umgab, kam ihr wie eine Gebirgswanderung vor. Mehrfach versicherte sie sich, dass sie nicht tatsächlich eine Steigung erklomm.

Als sie den künstlichen See und Zander schließlich erreichte, war sie außer Atem und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Zum Glück konnte sie ihre weichen Knie verbergen, indem sie sich zu ihm an den Beckenrand kniete. Nach kurzem Zögern legte sie den Regenschirm beiseite und streckte die Hände nach dem glitzernden Wasser aus, um sich der zeremoniellen Waschung zu widmen, die jeder Tempelbesucher durchzuführen hatte, bevor er den Göttern gegenübertrat. Hierzu wusch sie zuerst ihre Hände und Finger, wobei sie die genaue Abfolge der Bewegungen einhielt, welche die Priesterinnen in Trandafir sie gelehrt hatten, dann ihre Unterarme. Als das Gesicht an der Reihe war, hielt sie das Schweigen zwischen ihnen nicht mehr aus. »Sag mal, wie viele von diesen Mänteln hast du eigentlich?«

Zander lachte. Der Klang seiner Stimme legte sich wie eine warme Decke auf ihre fröstelnde Seele. »Ich kaufe immer gleich ein paar. Das solltest du dir bei deinen Kleidern auch überlegen.« Er wandte sich ihr zu. In seinen blauen Augen tanzte der Schalk und für einen Moment war es wieder so wie bei ihrem ersten Kennenlernen. Dann kehrte der Grauschleier zurück und seine Miene wurde distanziert. »Aber du hast mich doch nicht hier aufgesucht, um mich nach meinem Mantel zu fragen, oder?«

»Nein«, antwortete Iris und knetete nervös ihre Finger. Ihr Blick fiel auf die marmornen Nixen, die aus dem Wasser ragten und den Sockel umringten, auf dem die Göttin Lacuna thronte. Die Statuen erinnerten sie an den Brunnen in der Rosigen Auster, auch wenn ihre körperlichen Vorzüge mit Muscheln und Tüchern verhüllt waren.

»Da vorne«, meinte Zander und deutete auf eine besonders prächtige Nixe, die ein Diadem auf dem Kopf und einen Brustpanzer aus Schildplatt trug. »Das ist die Rybala Havfruese. Eine Verga Arokean und eine Tochter der Lacuna.« Er lächelte schmal. »Es heißt, wir Gusaren wären Kinder der Göttin Lacuna. Weil sie uns erschaffen hat. Aus Wachs geknetet. Du erinnerst dich sicher.«

Iris nickte zustimmend. Die alten Legenden und Mythen waren ihr nicht fremd. Das Wasser vor ihren Knien kräuselte sich, als würde es von einem Windzug gestreift.

»Warum fragst du mich nicht, was du wissen willst?«, flüsterte Zander nach einigen Sekunden des Schweigens.

Iris nahm ihre verbliebene Kraft zusammen. »Was ist mit dir passiert?«, kam es zögerlich über ihre Lippen. »Seit du aus dem Meer gekommen bist, ist irgendetwas anders.«

»Da hast du wohl recht«, antwortete Zander. »Ich fühle mich auch anders.« Er spähte zur Göttin Lacuna hinauf, die aus kalten Steinaugen auf sie herabsah. »Es gibt da etwas, das ich tun muss, Iris.«

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt