99. Tränen der Götter

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»Ich verstehe das immer noch nicht«, lamentierte Cyan, während er unruhig im Zimmer umherwanderte

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»Ich verstehe das immer noch nicht«, lamentierte Cyan, während er unruhig im Zimmer umherwanderte. »Vater hat sich selbst zur Zielscheibe des Zaubers gemacht?«

»Er muss Ihnen das verzauberte Pulver gestohlen haben«, meinte Iris, während sie mit halb geschlossenen Augen die kühle Nachtluft einatmete.

»Ich wusste, dass irgendjemand das Pulver gestohlen hat, aber ausgerechnet Hasel ... und dann auch noch in Vaters Auftrag ...« Bei seiner unermüdlichen Wanderung rutschte Cyan auf einem von Enzias herumliegenden Werkzeugen aus und geriet ins Straucheln.

Enzia sah von der leblosen Gestalt des falschen Rogners auf, die ausgestreckt vor ihr im Bett lag, und warf ihrem Bruder einen gereizten Blick zu. »Was gibt es daran nicht zu verstehen?«, fragte sie. »Er wusste, dass die Attentäter dich töten würden, wenn du dich verweigert hättest. Also hat er es selbst getan.«

»Und es hat ja auch funktioniert«, murmelte Iris. »Die Attentäter haben geglaubt, Sie hätten den Anschlag auf Ihren Vater verübt.«

»Aber das ist doch bescheuert!«, protestierte Cyan. »Wäre mein Schutzzauber nicht gewesen, hätte er dabei sterben können.«

»Sie kennen doch Ihren Vater«, erwiderte Tuna, die sich auf der Recamiere ausgestreckt hatte. »Und die Art, wie er gelebt hat.« Sie zupfte mehrere Flusen von der Armlehne und warf sie auf den Boden. »Seine Rücksichtslosigkeit. Seine Respektlosigkeit. Seine Furchtlosigkeit.«

»Ich denke eher, dass er auf Ihren Schutzzauber vertraut hat«, wandte Iris ein und erschrak, als Enzia plötzlich ein lautes Schluchzen vernehmen ließ.

»Enzia!«, hauchte Cyan, hielt in seinem rastlosen Schreiten inne und sah sich nach seiner Schwester um.

Enzia ließ ihren Schraubschlüssel fallen und barg ihr Gesicht in den Händen. »Es tut mir leid, aber ich...« Sie schien nach den passenden Worten zu suchen, doch dann platzte es wie bei einem Dammbruch aus ihr heraus. »Warum spricht es niemand aus? Vater wird nie wieder aufwachen! Es ist doch längst so, als wäre er tot! Und das werden wir auch bald alle sein, wenn es der König auf uns abgesehen hat.«

Während Cyan einfach nur dastand und den Gefühlsausbruch seiner Schwester sichtlich bestürzt über sich ergehen ließ, kletterte Tuna von der Recamiere und umrundete das Bett. Ungewohnt sanft und liebevoll redete sie auf Enzia ein, streichelte ihr tränenfeuchtes Gesicht und hielt ihre Hand.

»Es tut mir leid, dass mein nichtsnutziger Sohn euch Kindern so viel Kummer macht«, sagte Zibeline Forelli von der Tür aus. Die untote Krähe auf ihrer Schulter krächzte zustimmend.

Der Anblick ihrer gramgebeugten Gestalt und ihrer von Sorge gezeichneten Miene gab Iris den Rest. Sie löste sich vom Fenster und huschte auf Zehenspitzen zur Tür hinaus, damit niemand sehen konnte, wie sie vor Erschöpfung den Kopf hängen ließ und vor Zorn die Fäuste ballte.

Es fühlte sich an, als wären Monate vergangen, seit sie ihr neues Kleid anprobiert und sich auf Anseen de Solvende gefreut hatte. Allein in den vergangenen Stunden waren so viele Emotionen auf sie eingeströmt, dass sie sich danach sehnte, endlich ihren Geist ausschalten zu können. Gleichzeitig war sie viel zu ruhelos, um zu schlafen. Die Enthüllungen rund um Rogner Forelli und seine Absichten waren für sie wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Doch nicht nur ihr hatte die Wahrheit einen schmerzhaften Stich versetzt, auch Zander musste es schwer getroffen haben. Jedenfalls hatte sie ihn seit Hasels Geständnis nicht mehr gesehen. Dabei verzehrte sie sich danach, in einem weichen Bett zu liegen und Halt in seinen Armen zu suchen.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt