59. Berührungspunkte

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Da sie noch Zeit hatten, bis sie bei der Familie Karpi zum Abendessen erwartet wurden, und weil keiner von ihnen große Lust verspürte, weitere Stunden im Forelli-Anwesen zu verbringen, beschlossen Iris und Zander, noch einen Spaziergang durch Hohe...

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Da sie noch Zeit hatten, bis sie bei der Familie Karpi zum Abendessen erwartet wurden, und weil keiner von ihnen große Lust verspürte, weitere Stunden im Forelli-Anwesen zu verbringen, beschlossen Iris und Zander, noch einen Spaziergang durch Hohedamm zu unternehmen. Das Wetter zeigte sich zum Abend hin von seiner angenehmeren Seite, sodass sie gegen achtzehn Uhr den Beginn einer wunderschönen Dämmerung beobachten konnten. Der Himmel umgab die Sonne mit einem sattgoldenen Leuchten, das sich auf dem Ozean und den Kanälen der Stadt spiegelte. Die Sonne ließ wiederum die Wolken in kräftigen Rottönen erstrahlen.

Unter normalen Umständen hätte Iris diesen zauberhaften Anblick genossen und jedes Detail der Szenerie in sich aufgesaugt, doch an diesem Abend war sie viel zu nervös, um dem Himmel oder der Stadt viel Beachtung zu schenken. Nach dem Vorfall auf der Treppe spukten ihr unzählige Fragen im Kopf herum, während ihr Herz eine nicht enden wollende Quadrille tanzte. Doch während sie sich einerseits dringend Antworten auf ihre Fragen wünschte, fürchtete sie sich andererseits sehr vor diesen Antworten. Hatte sie sich das alles nur eingebildet? Oder hatte Zander sie tatsächlich umarmt? Allein die Erinnerung daran machte sie ganz kribbelig.

Während sie schweigend durch die breiten Straßen von Hohedamm flanierten, warf sie Zander immer wieder nervöse Blicke zu. Wieso sagte er nichts? War ihm bewusst geworden, dass er einen Fehler gemacht hatte? Bereute er es bereits, sie umarmt zu haben? Und was bedeutete es, wenn sie sich nicht geirrt hatte? Wenn er tatsächlich so etwas wie Zuneigung für sie empfand? Wie sollte sie damit umgehen? Am liebsten wäre sie im Kreis gehüpft und hätte sich die Haare gerauft, aber das kam natürlich nicht in Frage. Immerhin musste sie bei den Karpis einen guten Eindruck machen.

»Sieh mal«, meinte Zander. Der Klang seiner Stimme ließ Iris zusammenzucken. Sie folgte seinem ausgestreckten Arm mit den Augen. Von ihrer erhöhten Position am Hang des Fellmonte aus konnte sie erkennen, wie die Kanäle der Stadt, die im Schein der untergehenden Sonne wie Adern aus purem Gold leuchteten, von weiteren Lichtern geflutet wurden.

»Was ist da los?«, fragte Iris.

»Der Riupasar«, antwortete Zander. »Oder auch Flussmarkt.« Er wandte den Kopf, um Iris ansehen zu können. Seine blauen Augen und die schwarzen Wimpern, die ihnen einen perfekten Rahmen gaben, ließen ihr Herz noch höher schlagen. Es war interessant, dass ein einzelnes Organ zugleich Furcht und Verliebtheit ausdrücken konnte. Iris kam es sogar so vor, als wäre ihre Verliebtheit umso größer, weil sie in den vergangenen Tagen so viel Furcht empfunden hatte.

»Jeden Abend kommen die Fischer auf den Kanälen der Stadt zusammen, um ihre verbliebenen Waren zu verkaufen. Und einmal in der Woche findet der große Flussmarkt statt, an dem auch andere Händler teilnehmen.« Zander machte eine weit ausholende Geste, welche die ganze Stadt einschloss. »Auf dem Markt findest du alles, was das Herz begehrt. Nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Stoffe, Schreinerarbeiten, Schmuck, Lederwaren, Felle...«

»Sehen wir uns das an?«, wollte Iris wissen.

»Warum nicht?«, erwiderte Zander.

Gemeinsam schlängelten sie sich in das immer enger werdende Netz aus Straßen und kleinen Gassen. Hektisch schnaufende Vapobile kreuzten ihren Weg. Eines der Gefährte hüllte sie in eine pinkfarbene Wolke, die nach Himbeeren duftete. Als sie aus dem Dunst traten, befanden sie sich am Ufer des Riu Mare. Zander führte Iris auf eine der Brücken, die sich über den Fluss spannten. Von hier aus hatten sie freie Sicht auf die vielen Barken, die das ruhige Wasser bevölkerten, voll beladen mit heimischen und fremdländischen Waren. Es herrschte ein unübersichtliches Gewusel und Gedrängel. Händler und Kunden manövrierten auf engstem Raum und kommunizierten mit Fisklore-Rufen und Handzeichen. Güter wechselten im Sekundentakt den Besitzer. Die abendliche Geschäftigkeit, das Schaukeln der Boote und das Zusammenspiel der vielen Lichter hatte etwas beinahe Hypnotisches. 

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt