95. Brennende Flügel

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Der Boden unter Iris' Knien schien sich in glühende Asche verwandelt zu haben

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Der Boden unter Iris' Knien schien sich in glühende Asche verwandelt zu haben. Funken wirbelten durch die Luft wie Flockenfalter, verfingen sich in ihren Locken und brannten auf ihrer Haut. Scharfkantige Glassplitter regneten in rhythmischen Schüben auf sie herab. Der bittere Gestank von Novomagica hüllte sie ein. Zusammen mit der unerträglichen Hitze des Feuers verätzte er ihre Lunge. Iris spürte, wie Angst und Abscheu in ihrem Innern aufbrandeten. Sie glichen preisgekrönten Rennpferden, die sich ein Wettrennen darum lieferten, wer sie zuerst in den Wahnsinn treiben würde. Trotzdem klammerte sie sich an Cyan. Ganz egal, was auch geschah, sie würde ihn in dieser schweren Stunde nicht alleine lassen. Doch dann merkte sie, wie er sich aufrichtete und ihrem Griff entglitt.

Die Angst triumphierte.

Iris schlug die Augen auf. Sofort brannte sich die Hitze in ihre Augäpfel. Im Umkreis mehrerer Meter schossen Flammen aus dem Boden, hüllten sie ein, führten einen unheimlichen Veitstanz auf und züngelten dabei hinauf bis zum zerborstenen Glasdach des Wintergartens. Die Gäste waren geflohen. Nur Cyan und sie waren noch übrig. Und die Kreatur.

Der Myrkur mit den brennenden Flügeln schwebte über ihnen in der Luft. Mit seinen gewaltigen Schwingen hatte er große Teile des Gebäudes zum Einsturz gebracht. Dabei brannten seine Flügel nicht wirklich. Aus der Nähe betrachtet, schien das Feuer durch seine Adern zu fließen, die unter der durchscheinenden Lederhaut seiner Schwingen deutlich zu sehen waren. Auch in seinen Augen standen tiefrote Flammen, als würde sein Inneres aus einer riesigen, nicht enden wollenden Glut bestehen. Eine lodernde Ewigkeit, die irgendwie den Weg in ihre Welt gefunden hatte. Der verhornte und verkrüppelte Leib des Myrkuren schien von diesem unendlichen Flammenmeer geformt worden zu sein und glich einem verkohlten Braten. Dabei haftete ihm zugleich etwas zutiefst Menschliches an. Jedenfalls war sein Blick nicht der eines Tiers, das nur seinen Instinkten folgte, sondern trug eine hinterhältige Intelligenz in sich, wie man sie sonst nur bei menschlichen Wesen fand.

»Ich bin hier«, sagte Cyan, der sich aufgerichtet hatte, um der Kreatur die Stirn zu bieten. Grüner Novomagica-Dunst umwaberte seine schlanke Gestalt und verband ihn mit Jasmins Leiche, die den Zauber ins Forelli-Anwesen gebracht hatte. »Du bist doch hinter mir her«, fügte er hinzu. Obwohl er sich bemühte, stark zu wirken, schwankte seine Stimme und brach. »Dann los!«, krächzte er. Dabei breitete er die Arme aus, als wollte er sich selbst feilbieten. »Töte mich.«

Als die Kreatur keine Anstalten machte, ihn zu attackieren, sondern nur schwach mit den Flügeln schlug, um sich in der Luft zu halten, fasste er unter seine Weste und zerrte sich eine silbrig schimmernde Kette über den Kopf. »Hier!«, rief er und schleuderte das Schmuckstück in die Flammen, die es mit einem hungrigen Schmatzen verschlangen. »Diesmal kein Schutzzauber. Keine Tricks. Nur du und ich!«

Iris konnte nicht fassen, was Cyan gerade getan hatte. Offenbar wollte er es endgültig hinter sich bringen. Sie versuchte, sich aufzurappeln, um ihn irgendwie aufzuhalten, doch das Kreischen der Kreatur ließ ihre Knie weich werden und schickte Bilder in ihren Kopf, die sie dort nicht dulden konnte. Wimmernd sank sie zurück in die Asche und presste sich die Hände auf die Ohren. Der Rothaarige spazierte durch ihre Gedanken, so selbstverständlich, als würde der Platz hinter ihrer Stirn ihm gehören. Sie erinnerte sich an seinen Gang. Daran, wie er das linke Bein etwas nachgezogen hatte. Sie hörte seine Schritte im Gras, das ihre Nase kitzelte, während sie sich auf den Boden presste und betete, einen schnellen und gnädigen Tod zu finden.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt