29. Der böse Geist von Ryba

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Der Hafen von Myr Ryba bot bei schlechtem Wetter einen ganz und gar unwirtlichen Anblick

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Der Hafen von Myr Ryba bot bei schlechtem Wetter einen ganz und gar unwirtlichen Anblick. Trostlos ragten die Masten der großen Segelschiffe in den stahlgrauen Himmel, wie die kahlen Äste eines winterlichen Laubwalds. Der Sturm fegte über die Kaimauern und trieb eine kalte, salzige Gischt vor sich her. Hafenarbeiter, Seeleute und Fischer hatten ihre Arbeit niedergelegt und lungerten auf der Promenade oder in einem der daran angrenzenden Lokale herum. Vereinzelt kehrten kleinere Schiffe in den Hafen zurück, hauptsächlich Fischerboote; die großen Segelschiffe schienen es dagegen vorzuziehen, für die Dauer des Sturms auf hoher See zu bleiben. Abwettern, hatte Salmon das genannt. Was auch immer Abwettern genau bedeutete, es schlug den Bewohnern Rybas auf die Stimmung. 

Auch Iris war alles andere als begeistert davon, Salmon über die verlassene Hafenpromenade in südliche Richtung folgen zu müssen, während um sie herum Windböen tobten, die sie von allen Seiten mit Meer- und Regenwasser tränkten. Mehrfach hatte sie Salmon gebeten, umzukehren oder ihr wenigstens zu erklären, was er vorhatte, doch der junge Mann hatte sie einfach ignoriert, wie einen störrischen Schoßhund, der kläffte und an seiner Leine zerrte, aber zu schwach war, um sich aus eigener Kraft zu befreien.

Iris blieb daher nichts anderes übrig, als Salmon nachzulaufen. Dabei fiel ihr Blick auf einige Frauen mit Flechtkörben unter den Armen, die sich rasch in die Gegenrichtung bewegten. Ein paar Jungen balancierten mit ausgebreiteten Armen auf der moosigen Kaimauer, ungeachtet der hohen Wellen, die gegen das Mauerwerk brandeten. Iris blinzelte in den Regen, um die Kinder besser erkennen zu können. Alle hatten schwarze Haare, helle Augen und dunkle Haut, genau wie Zander und Tuna: Gusarenkinder. Die widrigen Bedingungen schienen ihnen nichts auszumachen. Furchtlos oder auch einfach nur leichtsinnig stellten sie sich den Kräften der Natur. 

»Mackarell! Kamm eten! De nu!« Eine Frau trat aus einem naheliegenden Fachwerkhaus mit hellroten Fensterläden und winkte herrisch. Daraufhin setzte sich eines der Kinder in Bewegung und trabte über die Promenade zu ihr ins Trockene. Iris hätte so einiges darum gegeben, ihm folgen zu können, doch Salmon strebte unerbittlich weiter vorwärts.

Als sie das südliche Ende des Fischereihafens erreichten, tauchten plötzlich hell flackernde Lichter vor ihnen auf. Beim Näherkommen entpuppten sie sich jedoch nicht als Spukerscheinungen, wie Iris zunächst angenommen hatte, sondern als Ewiges Feuer in billigen Glasschalen, das von einem Verkäufer der Magier-Gilde feilgeboten wurde. Weder Regen noch Wind konnten den hellgrünen, purpurfarbenen oder goldgelben Flammen etwas anhaben. Anders als dem Verkäufer, der bereits ziemlich aufgeweicht wirkte. Am Revers seiner durchnässten Jacke prangte ein einzelnes blaues Knöppchen. Anscheinend hatte er sich bislang noch nicht durch besondere berufliche Kompetenzen hervorgetan, was wohl ein Grund dafür war, dass er hier im Regen stehen musste. Auch jetzt schien er weniger an seine Waren zu denken, als an die Plauscherei mit einer jungen Alchemistin, die in die Farben ihrer Gilde gekleidet war und die typischen Brandnarben an Gesicht und Händen aufwies. 

Tatsächlich hatten sich in den vergangenen Jahren viele traditionell von Männern dominierte Gilden, wie die Alchemisten-Gilde, dem weiblichen Publikum geöffnet. Allein die großen Gilden, die Händler- und Handwerkergilden, sperrten sich weiterhin gegen die Aufnahme und Ausbildung von Frauen. Noch immer herrschte die Annahme vor, dass das weibliche Geschlecht zu sensibel sei, um sich mit Mathematik oder logischem Denken zu befassen, und man Frauen deswegen kein Geld anvertrauen könne.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt