12. Der Patriarch ⋆

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Das Oberhaupt der Forelli-Familie, Rogner Forelli, auch genannt der Patriarch von Ryba, saß hinter seinem mächtigen Schreibtisch aus gemasertem Schwarznussbaum-Holz und war damit beschäftigt, alte Spielsteine eines Neun-Muschel-Spiels zu restaurie...

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Das Oberhaupt der Forelli-Familie, Rogner Forelli, auch genannt der Patriarch von Ryba, saß hinter seinem mächtigen Schreibtisch aus gemasertem Schwarznussbaum-Holz und war damit beschäftigt, alte Spielsteine eines Neun-Muschel-Spiels zu restaurieren, das in anderen Gegenden auch als das Neun-Steine-Spiel oder das Neun-Knobbs-Spiel bekannt war. 

Bei Zanders Eintreten fuhr er soeben mit einem dünnen Pinsel die feinen Linien nach, die den Steinen ihr typisches Aussehen verliehen. »Du bist spät, Zander«, bemerkte er, ohne aufzusehen, und wer ihn nicht kannte, hätte seinen Tonfall vielleicht als mürrisch empfunden, aber Zander wusste, dass seine Herrschaft lediglich voll auf ihre Arbeit konzentriert war.

Rogner Forelli war ein leidenschaftlicher Sammler von Neun-Muschel-Spielen und unehelichen Kindern, wobei er es vorzog, Letztere von seinem Anwesen fernzuhalten. Oft war es in der Vergangenheit Zanders Aufgabe gewesen, den Müttern der kleinen Bastarde eine großzügige Abfindung auszuhändigen, verknüpft mit der Bedingung, dass sie sich nie wieder blicken ließen und keine weiteren Ansprüche stellten. Bis jetzt hatte er noch keine der Frauen je wiedergesehen. 

Seit seiner Hochzeit im vergangenen Jahr war der fidele Patriarch jedoch treu geblieben - jedenfalls soweit Zander über die Eskapaden seines Vorgesetzten informiert war. Vielleicht war das auch der Grund, aus dem er sich in Abwesenheit seiner Gemahlin so intensiv mit seinen Brettspielen beschäftigte. 

Zander selbst hatte für das Neun-Muschel-Spiel nicht viel übrig. Er war immer mehr ein Kartenspieler gewesen. Dabei ließ sich viel leichter betrügen.

»Verzeihen Sie mir meine Unpünktlichkeit«, sagte Zander, während er die Tür hinter sich schloss und über den hochflorigen Fraland-Teppich ins Zimmer kam. »Es gab ein Problem mit der neuen Übersetzerin.«

Bei diesen Worten sah Rogner auf. Er war ein großer Mann mit einer Figur, die man wohl stattlich nannte. Früher war er schlank und athletisch gewesen, doch inzwischen sah man ihm die Folgen seines unsteten Lebenswandels deutlich an. Sein Gesicht war kantig wie ein grob behauener Steinquader, ein Eindruck, der von seinem dichten, dunklen Bart noch verstärkt wurde, und seine geröteten Wangen verrieten einen starken Hang zum Leiderleber Fassgebrauten. 

Obwohl Rogner Forelli, genau wie Zander selbst, aus Myr Ryba stammte, waren seine Augen nicht leuchtend blau, sondern von einem verwaschenen Blaugrün.

»Sag' mir, was passiert ist«, verlangte er, wobei er den Pinsel in ein Wasserglas stellte und sich auf seinem Stuhl zurücksinken ließ. Die gelbe Satin-Weste, die er unter einem roten Hausmantel aus goldbestickter Seide trug, spannte über seinem Bauch.

»Pike und Hauki wollten Fräulein Dan de Lion entführen«, berichtete Zander knapp. »Wären Salmon, Tuna und ich nicht zufällig in der Nähe gewesen, hätte die Angelegenheit ein böses Ende nehmen können.«

Rogner legte die Hände aneinander und brachte sie zu seinem Mund, als wollte er ein inniges Gebet an die Göttin Lacuna richten. Für eine Weile herrschte Schweigen, dann entspannte sich seine Körperhaltung wieder und er atmete auf. »Den Göttern sei Dank. Wir können es uns wirklich nicht erlauben, noch einen weiteren Übersetzer zu verlieren.«

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt