48. Kalte Luft

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Iris steckte den Finger in den matschigen Haufen Trandafiner Butterfladen, der im niedrigen Gras gelandet war und seinem schmackhaften Vorbild gar nicht unähnlich sah, und lutschte ihn anschließend genüsslich ab

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Iris steckte den Finger in den matschigen Haufen Trandafiner Butterfladen, der im niedrigen Gras gelandet war und seinem schmackhaften Vorbild gar nicht unähnlich sah, und lutschte ihn anschließend genüsslich ab. Enzias Konstruktion mochte ihre Macken haben, aber der Kuchen war trotzdem ganz hervorragend. Sie schmeckte die zarten, ineinander vermischten Komponenten der unterschiedlichen Buttersorten, die für diesen traditionellen Kuchen aus ihrer Heimat verwendet wurden. Poppy hätte es nicht besser hingekriegt, lautete ihr gedankliches Fazit.

Als sie sich umblickte, entdeckte sie Zander, der sie offenbar beobachtet hatte. Sein breites Grinsen sprach jedenfalls eine deutliche Sprache. »Sollen wir dir noch etwas Kuchen übrig lassen?«, fragte er, während er eine Rybaler Schneekirschtorte mit einer Schaufel in einen Blecheimer bugsierte. Alle verbliebenen Angestellten des Anwesens waren damit beschäftigt, die Spuren von Enzias fehlgeschlagenem Experiment zu beseitigen. Da mussten sich auch der oberste Unterhändler und die Übersetzerin die Finger schmutzig machen. Nicht, dass es Iris gestört hätte. Außerdem sah es sowieso ganz danach aus, als würden ihnen die Möwen, die bereits in Scharen über der Gartenanlage kreisten, einen Großteil der Arbeit abnehmen.

»Besser nicht«, antwortete Iris. »Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, Diät zu halten.« Sie nahm ein Stück des Butterfladens mit ihrer Schippe auf und kippte es in ihren Eimer. »Konnte ja nicht wissen, dass ich hier mit Kuchen bombardiert werden würde.«

Zander wischte sich den Schweiß von der Stirn und schälte sich aus seinem Mantel. »In den ersten Jahren bei den Forellis ist mir das richtig schwer gefallen«, erklärte er.

»Was? Das Bombardieren oder das Diät-halten?«, hakte Iris nach.

Zander verdrehte die Augen. »Letzteres natürlich. Nach den langen Jahren auf der Straße und im Gefängnis, in denen ich eigentlich meistens hungern musste, hatte ich überhaupt kein Sättigungsgefühl mehr. Das bedeutet, ich habe alles gegessen, was auf den Tisch kam, ganz egal, wie viel.« Er seufzte leise. »Und in einem Haushalt wie dem der Forellis gab es schon immer mehr als genug zu essen.«

Iris musterte ihn skeptisch. In den drei Wochen, die sie nun schon mit Zander unter einem Dach lebte, hatte sie längst beobachten können, dass er ein sehr kontrollierter Esser war, der vermutlich gerade so viel Nahrung zu sich nahm, wie sein Körper benötigte.

»Keine schöne Zeit«, erinnerte sich Zander, während er sich dem nächsten Kuchengeschoss zuwandte, das sich in den Ästen eines Orangenbaums verfangen hatte. »Ich wurde richtig krank und konnte wochenlang keine feste Nahrung bei mir behalten. Letztendlich hat es Jahre gedauert, richtig essen zu lernen.«

Seine Geschichte erfüllte Iris mit Mitleid. Es gab so viele schlimme Dinge in seinem Leben, die sie sich nicht einmal vorstellen konnte. Trotzdem mochte sie Zander. Sogar sehr. Dieses Gefühl, das sie schon seit einer Weile regelmäßig überkam, ließ sich nicht wieder vertreiben. Es hatte offenbar beschlossen, sich in ihrem Herzen einzunisten und jedes Mal lautstark Alarm zu schlagen, wenn sie Zanders Anwesenheit spürte. Iris konnte sich die Herkunft dieser Empfindung nicht erklären. Schließlich war es vollkommen undenkbar, dass sie und Zander jemals mehr sein würden als Unterhändler und Übersetzerin. Sie waren einfach viel zu verschieden. Nicht nur, dass sie ganz unterschiedlicher Herkunft waren und völlig andere Ziele verfolgten. Zusätzlich gab es da noch die große Altersdifferenz zwischen ihnen, die zwar nicht unbedingt außergewöhnlich war, aber doch nicht recht Iris' Vorstellungen entsprach. Das bedeutete natürlich nicht, dass sie keine Romanze haben konnten, aber aus irgendeinem Grund stand ihr gar nicht der Sinn nach einer flüchtigen Liebschaft.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt