36. Lass uns ein Spiel spielen

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Den nächsten Tag verbrachte Iris im Bett

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Den nächsten Tag verbrachte Iris im Bett. Der Grund dafür bestand zu gleichen Teilen aus Erschöpfung und persönlicher Kränkung. Sie konnte einfach nicht verstehen, wieso Cyans so genannter Unfall sowohl bei den Forellis als auch bei ihren Angestellten zu keiner nennenswerten Reaktion geführt hatte. Als wäre der nächtliche Überfall etwas vollkommen Alltägliches, ging das Leben im Forelli-Anwesen ganz normal weiter. Spuren wurden beseitigt, Boden und Wände bekamen einen neuen Anstrich, zerfetzte Gardinen wurden ausgetauscht und schon schien das Geschehene aus den Erinnerungen der Betroffenen getilgt zu sein. 

Iris konnte nicht so leicht vergessen. Sie wusste genau, wie sich Gefahr anfühlte. Und das, was sie gestern im Garten gespürt und gesehen hatte, war Gefahr in ihrer reinsten Form gewesen. Je öfter sie sich dieser Gewissheit versicherte, desto stärker wurde ihre Überzeugung, dass irgendetwas Schreckliches in der Stadt vor sich ging. Der Anschlag auf Rogner Forelli, die toten Kinder, die Ermordung von Gwydion Dan de Potas, Cyans Unfall ... das musste alles irgendwie zusammenhängen. Und wenn der Zusammenhang schon nicht logischer Natur war, dann musste sie die Vorfälle doch zumindest als böses Omen betrachten.

Am späten Abend klopfte es an Iris' Zimmertür. Sie sah von dem Buch auf, in das sie sich vertieft hatte: Eine leicht anrüchige Geschichtensammlung der in Myr Paluda sehr beliebten Autorin Fräulein Amanda. Auch Seestern, der sich bei ihren Beinen auf der glänzenden Bettdecke aus edlem Baumwollsatin zusammengerollt hatte, blickte auf. »Herein!«, rief Iris und versteckte das Buch unter ihrem Kissen.

Die Tür wurde geöffnet und Zander trat über die Schwelle. Iris fragte sich, ob er überhaupt wusste, dass er als Mann im Gemach einer unverheirateten Dame nichts verloren hatte. Andererseits hatte sie neulich eine ganze Weile in seiner Unterkunft zugebracht. Ihre Mutter und ihre Lehrerinnen an der Schule für Sprachvermittlerinnen hätten ein so unschickliches Verhalten niemals geduldet. Der Gedanke erfüllte Iris mit einer gewissen Genugtuung. Dennoch rückte sie rasch ihren Morgenmantel zurecht, den sie trotz fortgeschrittener Tageszeit übergeworfen hatte. Zander musste sie ja nun wirklich nicht im Nachthemd sehen. 

»Was ist los?«, fragte Iris, um den kurzen Moment der gegenseitigen Verlegenheit zu überspielen. »Werden meine Dienste als Übersetzerin benötigt?«

»Nein, nein«, antwortete Zander, während er den Raum durchquerte. Sein flüchtiger Blick hatte Iris kaum gestreift. »Ich dachte nur, es könnte dich interessieren, dass wir unsere Boten auf den Weg nach Myr Arbaro geschickt haben.«

»Boten?«, fragte Iris, wobei sie den letzten Buchstaben betonte.

»Ja. Wir schicken immer mehrere Reiter und Kutschen raus, zur Ablenkung«, antwortete Zander. »In Wirklichkeit habe ich unsere Botschaft bereits im Morgengrauen mit einer Brieftaube zu Freunden nach Neromonte versendet. Sie werden die Nachricht für uns über die Wodland-Berge bringen.«

Iris runzelte die Stirn. »Wird das funktionieren?«

»Wird es«, meinte Zander, selbstsicher, aber nicht unbedingt triumphierend. Wie immer trug er seinen schwarzen Kutschermantel und darunter eine Weste im dunklen Rot der Händler-Gilde, an der seine eindrucksvollen sechs Knöppchen befestigt waren.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt