43. Wasserscheu

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Myrkuren, dachte Iris, als sie am nächsten Morgen in einem der Dienstbotenzimmer im Erdgeschoss des Forelli-Anwesens aufwachte

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Myrkuren, dachte Iris, als sie am nächsten Morgen in einem der Dienstbotenzimmer im Erdgeschoss des Forelli-Anwesens aufwachte. Nach Cyans nächtlicher Enthüllung hatten sie keine Zeit mehr gehabt, die Bedeutung dieser Kreaturen oder den Grund für ihr Auftauchen zu diskutieren, da der Kampflärm das gesamte Anwesen in Alarmbereitschaft versetzt hatte. Cyan hatte sich jedoch bereiterklärt, ihnen nach dem Frühstück Rede und Antwort zu stehen. In der Nacht hatte Iris diesen Vorschlag noch für eine gute Idee gehalten, doch jetzt war sie sich da nicht mehr so sicher. Ihr Kopf dröhnte wie eine Glocke, an der unablässig geläutet wurde. Seestern, der auf Zanders Anweisung hin den Rest der Nacht bei ihr verbracht hatte, kratzte an der Tür. Vermutlich hatte er Hunger.

Iris setzte sich auf, wartete bis der Schwindel abgeklungen war und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel über der Waschschale aus weißem Bialy-Porzellan. Der vergangene Tag und die darauffolgende Nacht hatten ihr nicht gut getan. Ihre Haut sah aus wie wässriger Ziegenkäse und dunkle Ringe untermalten ihre Augen. Dazu kamen die gerötete Bisswunde an ihrem Schlüsselbein und die Schmerzen in ihrem Unterleib. Mit einem Ächzen trat sie hinter den Paravent und entkleidete sich. Vorsichtig überprüfte sie den Sitz des unbequemen Monatsgürtels, den Anchois ihr gebracht hatte. Anschließend machte sie sich so gut es ging frisch und hüllte sich in eines der luftigen Musselinkleider, die in Myr Ryba modern zu sein schienen und zum Glück ohne enges Mieder auskamen.

Seestern hatte sich inzwischen vor der Tür zusammengerollt und warf ihr einen schmollenden Blick zu. »Ich bin ja schon fertig«, meinte Iris, legte eine Hand auf den Türgriff und wartete, bis der kleine Hund aufgestanden war und sich gekratzt und geschüttelt hatte. Dann öffnete sie die Tür und trat mit ihm in den Korridor hinaus, in dem es wie immer angenehm nach Essen duftete. 

Die zwei Söldner, die vor ihrer Tür Wache hielten, nickten ihr zu. Iris erwiderte ihre freundliche Geste und spazierte zur Küche, um nach Zander zu suchen, mit dem sie etwas Wichtiges zu bereden hatte. Der Raum war jedoch leer bis auf Cyan, der an einem der Tische lümmelte, mit einem Löffel in einer Tasse rührte und finster vor sich hin zu brüten schien. Er sah aus, als hätte er eine mindestens ebenso furchtbare Nacht gehabt wie sie selbst. Seine sonst so gepflegte Erscheinung wies jedenfalls einige offensichtliche Makel auf, angefangen bei den zerzausten Haaren, dem verrutschten Halstuch und den nachlässig geknöpften Manschetten bis zu den Kaffeeflecken auf seinem weißen Hemd. Iris überlegte, wie er sich fühlen musste, jetzt da das Schicksal seines Vaters ungewiss war und die ganze Verantwortung für die Familie Forelli und ihr Unternehmen auf seinen Schultern lastete. Das war für einen jungen Mann bestimmt nicht leicht zu verkraften.

Als er Iris bemerkte, setzte sich Cyan so ruckartig auf, dass er beinahe den Inhalt seiner Tasse verschüttet hätte. »Guten Morgen, Fräulein Dan de Lion«, stammelte er. »Sie sind ja schon auf.«

»Ja, das überrascht mich auch etwas«, gab Iris zurück und setzte sich zu ihm an den Tisch.

»Möchten Sie vielleicht einen Tee?«, bot Cyan unbeholfen an.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt