73. Tauben auf dem Dach

741 74 126
                                    

Nachdem sie sich umgezogen hatten, führte Zander Iris zu einer engen Stiege, die am hintersten Ende des Südflügels zum Dachboden des Anwesens hinaufführte

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Nachdem sie sich umgezogen hatten, führte Zander Iris zu einer engen Stiege, die am hintersten Ende des Südflügels zum Dachboden des Anwesens hinaufführte. In Gedanken war er jedoch nicht bei seiner Geliebten, sondern bei Cyan. Was war bloß in ihn gefahren? Wieso verhielt er sich so seltsam? Oder überinterpretierte er Cyans Wutausbruch?

Aus Erfahrung wusste Zander, dass Menschen, die einen lieben Verwandten verloren, manchmal wie Verrückte reagierten. Doch Rogner Forelli war nicht tot. Und Cyan nicht wahnsinnig. Irgendetwas belastete ihn. Das spürte er ganz deutlich. Hinter seiner Raserei und seinem künstlichen Lächeln, hinter der aufgesetzten Fröhlichkeit und dem oberflächlichen Charme versteckten sich Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Er wusste nur nicht, wie er den jungen Mann dazu bewegen konnte, ihm seine Gefühle anzuvertrauen. In dieser Hinsicht hatte sich nichts verändert. Etwas Unausgesprochenes stand zwischen ihnen. Und das schon seit Jahren. Wie hatte das bloß passieren können? Früher waren sie viel besser miteinander ausgekommen. Zander hatte Cyan das Angeln und Fischen beigebracht. Im Gegenzug hatte Cyan ihm dabei geholfen, dicke und komplizierte Bücher zu lesen. Was war aus diesem schüchternen, aber freundlichen und hilfsbereiten Jugendlichen geworden?

Unwillkürlich musste Zander an Iris' Worte denken. Konnte es sein, dass sie mit ihrer Vermutung auf der richtigen Spur war? Gab es vielleicht gar keine Aciarischen Attentäter? War alles, was in den vergangenen Wochen geschehen war, rein zufällig zur gleichen Zeit passiert? War es kein Aciarier gewesen, der ihn mit der Schattenmesser-Technik an der Schulter verletzt hatte? War Gwydion Dan de Potas nicht von einem professionellen Attentäter, sondern von einem alten Widersacher oder verzweifelten Schuldner getötet worden? Hatten Pike und Hauki die Boten der Forelli-Familie auf dem Gewissen? Und wenn es so war, bedeutete das, dass Cyan in den Anschlag auf seinen Vater verwickelt war?

Schon beim Gedanken daran bekam Zander einen galligen Geschmack im Mund. Er wollte nicht glauben, dass Iris' Vermutung zutraf. Er konnte es nicht. Letztendlich wusste er nur sicher, dass Cyan in Bezug auf die Myrkuren gelogen – oder zumindest nicht die volle Wahrheit gesagt hatte. Aber dafür konnte es viele Gründe geben. Und warum hätte er seinem Vater sonst den verzauberten Kompass schenken sollen? Nichts ergab einen Sinn.

»Denkst du, ich komme ins Gefängnis?«, fragte Iris, die bis zu diesem Moment konsequent geschwiegen hatte.

Zander blieb stehen und wandte sich nach ihr um. »Nein, das glaube ich nicht.« Er versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln, was ihm beim Blick in ihr besorgtes Gesicht nicht schwer fiel. »Du kommst nicht ins Gefängnis. Wenn Narwal wirklich hier wäre, um dich zu verhaften, wäre er nicht alleine gekommen. Außerdem zahlen die Forellis horrende Summen an Bestechungsgeldern, um ihre Angestellten vor dem Gefängnis zu beschützen. Narwal selbst ist zwar unbestechlich, aber die Richter sind es nicht. Also selbst wenn du irgendwann einmal im Gefängnis landen solltest, wird sich dein Aufenthalt auf ein paar Stunden beschränken.«

Seine Worte schienen Iris Mut zu machen. Sie erwiderte sein Lächeln und nahm seine Hand.

»Trotzdem ist es besser, wenn du Narwal erst einmal aus dem Weg gehst«, ergänzte Zander. »Wir wollen ihn ja nicht in Versuchung führen.«

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt