18. Das Holloch

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Iris verbrachte die Zeit bis zum Mittag damit, das Schreiben an König Dvergur zu verfassen

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Iris verbrachte die Zeit bis zum Mittag damit, das Schreiben an König Dvergur zu verfassen. Dabei orientierte sie sich an Zanders gestohlenem Brief, dessen ungefähren Wortlaut sie noch im Kopf hatte, sowie an ihrer langjährigen Erfahrung in Adelskreisen. Cyan hatte ihr sein Studierzimmer überlassen, damit sie ganz in Ruhe arbeiten und über die perfekten Formulierungen nachgrübeln konnte. 

Etwa gegen ein Uhr kam Zander vorbei, um mit ihr die Waren und Summen zu besprechen, die ihr Angebot umfassen sollte. Die restliche Zeit arbeiteten sie gemeinsam. Iris saß mit durchgedrücktem Rücken und angelegten Ellenbogen am Sekretär und schrieb in ihrer schönsten Schrift auf eines der edelsten Pergamente, das sie je gesehen hatte. Zander lümmelte auf einem der Polstersessel, las von seinen Notizen ab, diktierte Fischsorten und Zahlen und rieb sich dabei immer wieder den Kopf. Er hatte sich umgezogen und sein Gesicht grob von Ruß und Blut gereinigt, aber die Spuren des vergangenen Tages waren ihm noch immer deutlich anzusehen.

»Wieso eigentlich ich?«, fragte Iris nach Beendigung ihrer Arbeit.

Zander, der den Kopf zurückgelegt und die Augen geschlossen hatte, runzelte verwundert die Stirn. »Was meinen Sie?«

»Na ja«, seufzte Iris, legte die Schreibfeder beiseite und reckte die Hände in die Luft, um sich zu strecken. »Wieso haben Sie ausgerechnet mich ausgewählt?«

»Hm«, brummte Zander, öffnete die Augen und blickte sinnierend zur Decke, als müsste er über die Frage erst nachdenken.

»Eine ehrliche Antwort bitte«, verlangte Iris. Sie wollte unbedingt verhindern, dass Zander glaubte, sie hätte sich von seinem Verhalten während des Verhörs einschüchtern lassen. Insgeheim sann sie noch immer auf Rache für die Art und Weise wie er sie behandelt hatte. Doch zuerst musste sie seine Schwachstellen herausfinden. Ihr Blick wanderte über seine dunkle Gestalt und sie fragte sich, wo sie mit dieser Suche beginnen sollte. Zander wirkte wie ein Mann mit ausgesprochen vielen Schwächen. Die schlecht verheilten Narben an seinen Händen, die bunten Körpermalereien, die manchmal unter seiner Kleidung hervorblitzten, der spöttisch-verächtliche Zug, der stets um seine Mundwinkel lag - das alles waren für Iris Anzeichen eines Lebens voller Makel, Irrungen und Wirrungen. Dazu kam, dass ihm etwas Finsteres und Verruchtes anhaftete wie ein unangenehmer Gossen-Gestank. Die meisten Adeligen oder Bessergestellten hätten sich wohl nicht freiwillig mit ihm abgegeben. Trotzdem hatte er es irgendwie in eine beachtliche Position gebracht. Vermutlich wusste er, dass sein sozialer Aufstieg hier beendet sein würde. Weiter als bis zum obersten Unterhändler der Forelli-Familie würde er es nie bringen.

»Unser Zeitdruck war enorm, die Auswahl an Blomlore-Übersetzern begrenzt«, antwortete Zander. »Unser vorheriger Übersetzer hatte sich aus dem Staub gemacht und Sie wurden uns von der Gilde wärmstens empfohlen.« Er zuckte mit den Schultern. »Außerdem waren Sie verrückt genug, nach Myr Ryba zu kommen.«

Iris ignorierte seinen jämmerlichen Versuch, sie zu provozieren. »Dann war es also eine rein zweckmäßige Entscheidung?«

»Aus der Not geboren«, erwiderte Zander. »Was nicht bedeuten soll, dass ich Sie für ungeeignet halte. Ganz im Gegenteil. Ihr Lebenslauf und Ihre bisherigen Auszeichnungen haben mir durchaus imponiert. Man trifft nicht jeden Tag eine junge Adelige, die sich für eine Ausbildung entscheidet, statt sich in das gemachte Nest zu setzen.« Er blickte Iris unverwandt an. »Was hat Sie davon abgehalten, sich einen wohlhabenden Gatten mit ein paar Adelstiteln anzulachen?«

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt