90. Familienangelegenheiten

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Zander konnte sich an einige schlimme Nächte erinnern

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Zander konnte sich an einige schlimme Nächte erinnern. Furchtbare Nächte, die von Dunkelheit, Kälte und Angst geprägt gewesen waren. Nächte, in denen er geglaubt hatte, im Schlaf erfrieren oder verhungern zu müssen und nie wieder aufzuwachen. Nächte, in denen er befürchtet hatte, von Fader oder einem seiner Handlanger zu Tode geprügelt, in kleine Stücke zerhackt und den Möwen zum Fraß vorgeworfen zu werden. Doch all diese Nächte verblassten angesichts der Nacht, die er in Pikes Gefangenschaft zubrachte. Nicht wegen der Schmerzen oder wegen des unbequemen Stuhls, der es ihm nicht erlaubte, sich zu entspannen, sondern wegen seiner Furcht um Iris. Er wusste weder, wohin Pike sie gebracht hatte, noch was er ihr dort antat. Ohne Unterlass horchte er in sich hinein und wartete auf den Schmerz, der ihn über mysteriöse Pfade erreichen würde, sollte Pike erneut zum Messer greifen und Iris foltern. Allerdings spürte er nur seinen eigenen Schmerz, das Ziehen in seinem Knie und das weitaus schlimmere Pochen in seiner Schulter. Beide Verwundungen waren nicht bedrohlich - Pike hatte darauf geachtet, ihn nicht allzu schwer zu verletzen. Dennoch setzten ihm Blutverlust und Ungewissheit so stark zu, dass er kaum noch klar denken konnte, als Pike am nächsten Morgen die Tür öffnete und einen Blick auf ihn warf.

»Wo ist Iris?«, fragte Zander sofort.

Pike näherte sich. Die durch das Oberlicht hereinfallenden Lichtstrahlen erhellten seine schmale Gestalt. »Du siehst furchtbar aus, Zander«, bemerkte er. »Hätte nicht gedacht, dass ich dich mal so derangiert erleben würde.« Er seufzte und nahm neben Zander auf dem zweiten Stuhl Platz. Zander fiel auf, dass er genauso aufrecht saß wie Iris. Als hätten sie die gleiche strenge Klavierlehrerin gehabt. »Und natürlich wegen einer Frau. Das passt zu dir.«

»Wenn du ihr etwas ange-«, begann Zander.

»Sag du es mir«, fiel ihm Pike ins Wort, nahm seinen Filzhut ab und drehte ihn in den Händen. Im Gegensatz zu Zanders Fingern waren seine Finger sehr gepflegt, manikürt und völlig frei von Narben oder Schwielen. »Wenn du an meiner Stelle wärst, was hättest du getan?«

Zander hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Nun, an deiner Stelle hätte ich zuallererst einmal nicht jeden umgebracht, der irgendwie in die Sache mit den ermordeten Kindern verwickelt sein oder etwas darüber wissen könnte.« Als er Pikes fragenden Blick bemerkte, presste er heraus: »Die Schlammfischer zum Beispiel.«

»Ach das«, brummte Pike und deutete mit dem Zeigefinger zum Oberlicht. »Das war eine Anweisung von ganz oben. Wir sollten so viele von diesen Mistkerlen zum Schweigen bringen wie möglich.«

»Dann hätte ich mein Gehirn angestrengt und wäre zu den naheliegenden Schlüssen gekommen«, fuhr Zander fort. »Und unter keinen Umständen hätte ich die Jagd nach einem grauenhaften Mörder mit einer Privatfehde vermischt.«

»Du denkst also, das hätte ich getan?«, erwiderte Pike amüsiert. »Du denkst, darum ginge es mir hier?« Er deutete erst auf Zanders, dann auf seine eigene Brust. »Um dich? Um mich?«

Zander wurde von einer tiefen, lähmenden Müdigkeit überkommen. Seine Knochen fühlten sich schwer an, seine Augenlider bleiern, seine Gedanken träge. Er hatte keine Lust, mit Pike zu diskutieren. Alles, was er wollte, war Iris.

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt