28. Der zweite Zauber

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Zander sah Iris hinterher, wie sie beschwingten Schrittes den Flur hinuntereilte und sich vermutlich nur mit viel Beherrschung daran hindern konnte, kleine Freudenhüpfer zu vollführen

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Zander sah Iris hinterher, wie sie beschwingten Schrittes den Flur hinuntereilte und sich vermutlich nur mit viel Beherrschung daran hindern konnte, kleine Freudenhüpfer zu vollführen. Obwohl seine Entscheidung, ihr einen dritten Knobb zu verleihen, rein zweckmäßig gewesen war, erfüllte es ihn mit einer enormen Genugtuung und Heiterkeit, sie so glücklich zu sehen. Es erinnerte ihn an den Tag, an dem er seinen dritten Knobb erhalten hatte – an seinem dreißigsten Geburtstag von Rogner Forelli persönlich. Nicht schlecht für jemanden, der sechs Jahre zuvor noch im Gefängnis gesessen hatte. 

In dieser Hinsicht waren Iris und er sich wohl ähnlicher als man es auf den ersten Blick vermutet hätte. Beide mussten sie im Vergleich mit der restlichen Bevölkerung Materras härter für ihre Ziele kämpfen. Iris, weil sie eine Frau war, von der erwartet wurde, dass sie sich dem gesellschaftlichen Druck beugte. Er, weil es für einen Mann mit seiner Herkunft und Vergangenheit keinen Platz in der Gesellschaft gab. Das Leben auf der Straße hatte ihn gezeichnet, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch, hatte ihn falsche Entscheidungen treffen lassen und ihm ein zynisches, zuweilen auch brutales und kompromissloses Wesen eingepflanzt. Alles Eigenschaften, die er seitdem in geordnete Bahnen zu lenken versuchte. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Trotzdem war es für ihn ein Glücksfall gewesen, an die Forellis zu geraten, auch wenn er in jungen Jahren anders darüber gedacht hatte. Er fragte sich, ob auch Iris am Ende von der ganzen Angelegenheit profitieren würde oder ob er sie auf einen Weg schickte, der unweigerlich ins Chaos führen und ihr Leben zerstören musste.

Die Tür zum benachbarten Zimmer wurde geöffnet und Tuna trat auf den Flur hinaus. »Solltest du nicht eigentlich im Bett liegen?«, fragte sie, nahm ihren Hut ab und fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die schwarze Mähne.

»Vermutlich, aber ich muss arbeiten«, entgegnete Zander. 

Tuna maß ihn mit einem skeptischen Blick. »Und deine geliebte Sardina? Ist sie endlich gegangen?«

»Du hast doch gesehen, dass sie gegangen ist«, meinte Zander verstimmt. Er konnte sich Tunas Abneigung gegenüber Sardina einfach nicht erklären. Immerhin kannten sie einander kaum. Aber vermutlich lag es gar nicht an seiner Geliebten, sondern an Tuna selbst. Schließlich hatte sie bislang noch keine der Frauen, für die er sich je interessiert hatte, gemocht, ganz egal, ob verheiratet oder nicht. 

Er rief sich ins Gedächtnis, was Iris gesagt hatte. Vielleicht sah Tuna in ihm tatsächlich so etwas wie einen Bruder. Vielleicht wollte sie ihn nur beschützen und merkte dabei gar nicht, wie fehlgeleitet ihre Bemühungen waren. Immerhin war er ein erwachsener Mann und kein kleiner Junge, der vor den Konsequenzen seiner eigenen Taten bewahrt werden musste. Er war sich vollkommen darüber bewusst, dass seine Beziehung zu Sardina keine Zukunft hatte. Sie würde ihren Ehegatten nicht verlassen – und selbst wenn doch, wäre es nicht Zander, zu dem sie gelaufen käme, sondern irgendjemand, der deutlich wohlhabender und angesehener war als er. Das war eine Wahrheit, mit der er sich abfinden musste. Auch wenn es ihm nicht schmeckte. 

Die Forelli-Dynastie: Göttliches ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt