Kapitel 34✨

66 10 0
                                    

„Abwarten? Aber worauf?", fragte ich reichlich dämlich.

„Ob er sich um dich bemüht. Ob er sich Mühe gibt, sich deine Liebe erneut zu verdienen.", sagte sie mit warmer Stimme, „Er hat dein Vertrauen nicht nur misshandelt, sondern es auch verloren, Liebes. Und dasselbe hat er mit deiner Liebe zu ihm getan. Die Liebe ist eine der größten Mächte auf der Welt, Hazel. Man wirft sie nicht einfach weg. Wer weiß, vielleicht seid ihr beide füreinander bestimmt. Handle nicht aus einer Emotion heraus und verlasse ihn, allein dafür, dass du es später bereust."

„Dann findest du, ich reagiere über?", wollte ich ungläubig wissen. Ich persönlich fand meine Reaktion ziemlich berechtigt.

„Nein, nein, das wollte ich damit nicht sagen. Natürlich hast du das Recht, wütend und traurig und vermutlich auch enttäuscht zu sein. Aber ich möchte dir nur raten, dass du im Moment keine übereilten Entscheidungen treffen solltest. Denn wenn man die wahre Liebe einmal wegwirft, kommt sie womöglich nie wieder." Den letzten Satz sagte sie, als spräche sie aus Erfahrung. Sie wirkte in Gedanken versunken und für einen Moment auch extrem traurig und ich fragte mich, ob sie schon einmal ihre große Liebe verloren hatte. Natürlich war Dads Tod schlimm für uns alle gewesen, aber sie hatte ihn ja nicht weggeworfen, sondern war bis zum letzten Augenblick mit ihm vereint gewesen.

Ich wollte gerade nachhaken, da korrigierte sie ihren Gesichtsausdruck schon wieder und setzte ein Lächeln auf.

Ich dachte über ihre Worte nach. Es klang poetisch, wie sie es sagte, doch ich war mir nicht sicher, ob Jacob sich wirklich um mich bemühen würde. Aber trotzdem...

„Wahrscheinlich hast du recht, Mom. Danke, dass du immer einen Rat hast. Und dafür, dass ich immer auf euch zählen kann. Ich hab euch so lieb." Ich sah sie voller Zuneigung an und verspürte einen leichten Stich, weil ich sie so lange nicht gesehen hatte. Mom erwiderte den Blick. „Das ist doch klar. Nichts zu danken, Schätzchen."

„Außerdem...wenn er nicht um dich kämpft, ist es sein Pech. Dann verpasst er was im Leben.", bemerkte Lany so trocken, dass ich ein bisschen lachen musste.

„Ich hab euch lieb. Und ich vermisse euch ganz schrecklich. Besonders jetzt. Ich würde euch  gerne in den Arm nehmen.", sagte ich leise.

„Wir auch, Liebes. Wir auch.", stimmte Mom mir zu und lächelte. „Und wir lieben dich genauso!"

Wir tauschten noch ein paar Neuigkeiten aus, dann legte ich allerdings auch relativ schnell wieder auf. Ich musste über Mom's Worte nachdenken.

Ob er sich um dich bemüht. Ob er sich Mühe gibt, sich deine Liebe erneut zu verdienen.

Aber wollte ich ihn dann noch? Und was, wenn er sich gar nicht erst bemühte? Würde ich ihm überhaupt vergeben können? Im Moment jedenfalls noch nicht. Zu viele Fragen schwirrten mir in Dauerschleife durch den Kopf.

Seufzend beschloss ich, dass es das Beste wäre, mich erstmal ein bisschen abzulenken. Das Buch, das ich auswählte, hatte ich schon mehrmals gelesen, deshalb musste ich mich nicht so sehr auf die Handlung konzentrieren. Mein Plan ging auf; die Gedanken gaben eine Weile Ruhe — aber nicht wirklich lange.

Resigniert legte ich das Buch wieder beiseite.

Auf einmal fielen mir siedend heiß meine Pflichten wieder ein, ich hatte sie total vernachlässigt! Eigentlich hatte ich nur schnell eine Pause machen wollen, aber Caleb war nun schon wieder ohne meine Hilfe unterwegs und wer wusste schon, wann ihm das nächste Mal aufgelauert werden würde?

So schnell ich konnte zog ich mir etwas Anständiges an und verließ fliegend die Wohnung. Um ehrlich zu sein hielt ich es nicht für nötig, Jacob Bescheid zu geben, wohin ich ging. Schließlich war es ihm ja auch egal! Es mochte sein, dass ich kindisch war, aber es erfüllte mich mit einer gewissen Genugtuung.

Protected Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt