Kapitel 35✨

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Der Wind zauste mir durchs Haar, während ich den mir nur allzu bekannten Weg nach Hause flog.

Mein Gesicht wurde feucht, als ich durch eine dicke Wolke flog und meine Stimmung wurde von Flügelschlag zu Flügelschlag ausgelassener.

Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich wieder fröhlich. Als würde ein Teil dessen, wer ich vor Jacobs Betrug war, wieder zu mir zurückkehren.

Und daran war Caleb nicht ganz unschuldig.

Hätte man mir vor nur vierundzwanzig Stunden gesagt, ich wäre Caleb mal dankbar, hätte ich demjenigen meine Mondkräfte auf den Hals gejagt.

Aber es ließ sich nicht leugnen. Der Tag mit Caleb heute war wirklich schön gewesen. Nicht nur, weil er mal mit mir redete, ohne der größte Vollpfosten aller Zeiten zu sein, sondern auch, weil er selbst mal ein Fünkchen Fröhlichkeit gezeigt hatte.

Zufrieden lächelnd klappte ich meine Schwingen an den Seiten ein und vollführte eine doppelte Schraube.

Da kam unter mir das Wohnhaus in Sicht, wo Jacobs und meine Wohnung lag. Ich steuerte im Sturzflug darauf zu und bremste erst im allerletzten Moment ab, um meine Füße abzusetzen.

Es war erstaunlich, wie schnell ich das Fliegen gelernt und perfektioniert hatte. Nun war ich sogar in der Lage, einfachere Kunststücke zu machen.

Ich schwang mich durch die Dachluke ins Treppenhaus und lief beschwingt zu unserer Wohnung.

Endlich einmal war ich in Punkto Caleb einen Schritt weitergekommen.

Der Schlüsselbund in meiner Hand klirrte, als ich ihn im Schloss drehte und die Klinke herunterdrückte.

Halb erwartete ich, einen feierlich gedeckten Tisch zu sehen und einen Jacob mit einer ordentlichen Entschuldigung daneben, aber dem war nicht so. Umso mehr enttäuschte es mich, aber ich ließ mir nichts anmerken, als ich an Jacob vorbeilief, der gemütlich vor dem Fernseher fläzte.

So ein Idiot!, dachte ich, als ich außer Reichweite seiner emphatischen Fähigkeiten in meinem Zimmer saß.

Aber was überraschte es mich auch? Schließlich hatte er es nicht einmal auf die Reihe bekommen, sich bei unserer ersten Diskussion zu entschuldigen. Zwar würde ein einfaches Es tut mir leid auch nicht viel nützen, aber meiner Meinung nach war das das Mindeste, was man nach einer so dämlichen Tat sagen sollte.

Je länger ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich. Daher zwang ich mich selbst zur Ruhe und atmete kontrolliert ein und aus.

Ich würde mich nicht von ihm aus dem Konzept bringen lassen. Ich würde abwarten, ob er sich bemühte, mich zurückzuerobern oder ob er es sein ließ. Dann würde ich immer noch mit ihm reden können.

Ich nickte mir selber zu und verließ mein Zimmer, um etwas zu essen.

~~~

Es kostete mich all meine Energie, nichts Angreifendes über ihn zu denken, während ich am Tisch saß und zu Abend aß.

Aber ich schaffte es. Und so kam es zu keinerlei Komplikationen, bis er sich in sein Zimmer zurückzog. Dann belegte ich den Fernseher und sah mir eine Dokumentation über irgendwelche Wassertiere an, ohne wirklich darauf zu achten.

Doch es half, mich abzulenken und zu beruhigen.

Um halb zwölf ging ich ins Bad und machte mich bettfertig.

Um dreiviertel zwölf stand ich auf, um mir ein Glas Wasser zu holen. Und genau an dem Punkt der absoluten inneren Ruhe traf ich auf Jacob.

Ich versuchte, die innere Ruhe aufrechtzuerhalten, aber bei seinem Verhalten fiel mir das zunehmend schwerer.

„Hazel. Wo warst du heute?", fragte er, als ob nichts vorgefallen wäre.

Ich bemühte mich um einen neutralen Tonfall. „Ich wüsste zwar nicht, was dich das angeht, aber ich war bei Caleb."

Seine Miene veränderte sich, er zog die Augenbrauen leicht zusammen und sein Mund verkrampfte.

„Ach ja? Und, was habt ihr schönes gemacht?" Jetzt klang seine Stimme schnippisch.

Jedenfalls habe ich ihn nicht geküsst, so wie andere hier..., dachte ich und es war mir egal, ob er es hörte.

„Ich habe ihn in die Stadt begleitet, wo er ein paar Dinge zu erledigen hatte. Zum Beispiel waren wir in der Bank."

Die Methode „Zähl von zehn rückwärts" funktionierte wohl für uns beide nicht, denn er wurde immer wütender und ich immer unruhiger.

Sein Gesichtsausdruck bekam etwas Angewidertes. „Wirklich? Wie...nett.", sagte er.

An dem Punkt war das Gespräch für mich beendet. Ich würde nicht weiter mit jemandem diskutieren, der mich betrogen hatte und jetzt eifersüchtig auf einen Jungen war, mit dem nicht das Geringste am Laufen war.

Ich war froh, als ich mit einem Glas Wasser zurück in meinem Zimmer war. Das Gespräch mit ihm war einfach nur lächerlich gewesen. Ich rollte mit den Augen, trank einen Schluck Wasser und löschte das Licht.

~~~

Jacobs P.O.V.

Caleb.

Dieser Kerl machte mich noch wahnsinnig. Bereits bei seiner ersten Begegnung mit Hazel und mir gemeinsam hatte er sich nicht zügeln können, meine Hazel als scharf zu bezeichnen.

Was sie ja für sich genommen auch war, aber wenn er das sagte war es einfach nur widerlich.

Das Brennen der Eifersucht bahnte sich seinen Weg in meine Brust, wo es sich zu einer Kugel zusammenrollte und heiß glühte.

Ich presste die Hände auf die Stelle. Eigentlich hatte ich mich nie für den eifersüchtigen Typ gehalten, aber vielleicht hatte ich einfach noch nie die richtige Person dafür getroffen.

Hazel.

Ich musste sie zurückgewinnen. Aber wie? Wenn ich ihre Zuneigung wiederbekommen wollte, brauchte ich eine gewaltige Aktion, um ihr meine Liebe zu beweisen. Unmissverständlich.

Doch was konnte ich tun? Würde sie mir überhaupt ihre Aufmerksamkeit schenken? Was, wenn sie mich eigentlich gar nicht wiederhaben wollte?

Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. In diesem Moment fühlte ich mich so unglaublich hilflos, dass es mich schon wieder wütend machte.

Ich bekam rein gar nichts gebacken! Nicht mal eine Möglichkeit, das Mädchen zurückzugewinnen, das ich liebte, kam mir in den Sinn.

Ich hätte mir selbst eine klatschen können. Wahrscheinlich hätte ich mich danach sogar besser gefühlt.

„Was soll ich nur tun, Hazel...", murmelte ich. Ich fühlte mich so einsam. Aber das hatte ich mir selbst zuzuschreiben. Ich musste mich selbst immer wieder daran erinnern, dass es am Ende auch so sein könnte, dass Hazel mich gar nicht mehr wollte, weil ich sie zu sehr verletzt hatte.

Eigentlich war das sogar sehr wahrscheinlich.

Schluss damit, Jacob!, ermahnte ich mich selbst in Gedanken. Ich musste endlich aufhören, mich selbst zu bemitleiden und beginnen, etwas zu tun, um Hazel zurückzuerobern.

Plötzlich war ich so zielstrebig, das zu erreichen, dass ich mir schwor, nicht eher aufzuhören, als dass ich bis zum bitteren Ende gekämpft hatte.

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